10 Punkte beim Niederlande-GP. Ist das für Aston Martin nun ein Erfolg oder eine Enttäuschung? Die Deutungen über das Ergebnis des Formel-1-Teams aus Silverstone in Zandvoort gehen je nach Blickwinkel diametral auseinander. Am Freitag wirkte Alonso noch wie eine akute Gefahr für McLaren. Nach dem Qualifying am Samstag sah es mit den Startpositionen 10 und 20 allerdings nicht danach aus, als ob es am Rennsonntag viele Punkte zu holen gäbe.
Bei Haas fällt die Deutung schon viel einfacher. Oliver Bearman und Esteban Ocon sammelten zwar 'nur' neun Punkte, doch sie hinterließen zuvor am Wochenende nie den Eindruck, dass sie überhaupt um Zähler mitfahren könnten. Vor allem wie es Lance Stroll und die Haas-Fahrer nach vorne schafften, verdient eine genauere Aufarbeitung.
Aston Martin: Undercut ins Glück
Denn dieses Trio war von den letzten drei Positionen losgefahren, was auf einer überholfeindlichen Strecke wie Zandvoort unter normalen Umständen ein punktemäßiges Todesurteil ist. Alonso hingegen schien auch zwischenzeitlich hoffnungslos im Mittelfeld zu versinken. Insgesamt sechs ausgefallene beziehungsweise in Zwischenfälle involvierte Fahrer erklären die Aufholjagd nicht zur Gänze.
Vom vermeintlichen Safety-Car-Glück, das man angesichts des chaotischen Rennverlaufs annehmen möchte, kann bei Lance Stroll nicht die Rede sein, beziehungsweise allenfalls nur beim zweiten Stopp. Aber dazu später mehr. Im ersten Rennabschnitt machte ihm die Renn-Neutralisierung sogar einen Strich durch die Rechnung.
Stroll verhalf ein aggressiver Undercut und das richtige Wetter-Kalkül zu guter Track Position. Aston Martin hatte als einziges Team zwei unbenutzte Sätze der Hard-Reifen in der Hinterhand behalten. Das verhalf ihnen zu etwas mehr strategischem Handlungsspielraum. Bereits in Runde 8 holte man Stroll, der auf Medium gestartet war, an die Box und steckte um.
Etwa im selben Zeitraum hatte ein leichter Regenschauer die Strecke erwischt. Dieser blieb auch nur leicht und machte Intermediates zu keinem Zeitpunkt notwendig. Aber das konnten die Formel-1-Teams als Stroll an die Box fuhr nicht abschätzen. Gleichzeitig hatten sie bei den Reifen weniger Spielraum. Sprich: Ein extrem langer Stint wäre notwendig geworden.
So reagierte niemand auf Stroll, der in den nächsten Runden die freie Fahrt voll ausnutzen konnte und bis er auf Bearman auflief der drittschnellste Fahrer im Feld war. Nur die beiden McLaren-Piloten konnten noch bessere Rundenzeiten drehen, aber sogar Max Verstappen auf zunehmend unbequemeren Softs oder Sensations-Podiumsfahrer Isack Hadjar waren drei beziehungsweise vier Zehntel langsamer, von den direkten Gegner des Kanadiers ganz zu schweigen.
Haas-Geleitschutz für Stroll
Dadurch kam er kampflos an jenen Fahrern vorbei, die noch vor der ersten Boxenstopp-Phase erstmals stoppten - inklusive seinem Teamkollegen Fernando Alonso. Das brachte Stroll auf P13 nach vorne. Dan kam das für Stroll unglückliche Safety Car. Denn durch dieses bekamen Sainz, Albon, Antonelli und Gasly einen günstigen Boxenstopp. Bei Sainz wäre es knapp geworden, aber die anderen drei wären alle im Boxenstopp-Fenster gewesen. So fiel nur Gasly hinter Stroll zurück.
An diesem Punkt kommt Haas ins Spiel. Das US-Team fuhr so ziemlich die gegenteilige Strategie von Stroll. Bearman und Ocon starteten jeweils auf Hard-Reifen ins Rennen und sparten sich somit auch bei der ersten Safety-Car-Phase einen Reifenwechsel. Stroll überholte sie kurz vor beziehungsweise nach der SC-Phase. Er war aber der Einzige. Dahinter entwickelte sich angeführt von den beiden Haas-Piloten ein DRS-Zug. Stroll kam so nie unter Druck und konnte ungefährdet seine Hards managen. Hinter Yuki Tsunoda befand sich auch Fernando Alonso in diesem Zug.
Der Asturier war zu diesem Zeitpunkt schon auf 180 und schimpfte am Funk über die Strategie seines Teams. Denn sein erster Reifenwechsel war zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt gekommen, nur fünf Runden vor dem ersten Safety Car. Zuvor hatte er schon auf der ersten Rennrunde selbst verschuldet mehrere Positionen eingebüßt.
Manöver gegen Colapinto rettet Fernando Alonso das Rennen
Auf Platz 13 liegend konnte Alonso nichts gegen Tsunoda vor ihm ausrichten. Aus dieser hoffnungslosen Lage heraus fuhr Aston Martin dieselbe Strategie wie mit Stroll im ersten Stint und holte Alonso in Runde 40 nochmals rein. Erneut reagierte mangels harter Reifen niemand. Bis zur zweiten Safety-Car-Phase hatte Alonso schon die Lücke ausreichend zugefahren, um von Stopps profitieren zu können. Nachdem er die beiden Sauber-Fahrer ohne viel Mühe überholte hatte, erwies sich ein scheinbar bedeutungsloses weiteres Überholmanöver gegen Franco Colapinto zum goldenen Move seines Rennens.
In Runde 51 ging Alonso an dem Alpine vorbei, weniger als zwei Runden später kam das Safety Car wieder raus. Colapinto verlangsamte stark und bremste so aus nicht erfindlichen Gründen seine ersten Verfolger ab. Vermutlich glaubte der Argentinier in vorauseilendem Gehorsam an sein Team zu handeln und Pierre Gasly (direkt vor Alonso) eine Lücke für einen Boxenstopp zu öffnen. Doch Gasly stoppte nicht. Colapinto bremste so die Saubers ab, dank des Positionswechsels kurz zuvor aber nicht Alonso. Das Kuriose an der Geschichte: Ohne diese Aktion hätte Colapinto selbst eine gute Chance gehabt, mit dem Stopp vor Ocon zu kommen, sich P10 zu sichern und damit seinen ersten Punkt der Formel-1-Saison zu sammeln.
Danke Antonelli! Zweites Safety Car fällt für Oliver Bearman perfekt
So schlug der Spanier Profit aus seinem Undercut und gewann zwei Plätze gegen Tsunoda und Oliver Bearman. Stroll und Ocon hatten bereits wenige Sekunden vor der SC-Phase gestoppt. Plötzlich lag Alonso auf P9. Der größte Profiteur der SC-Phase war allerdings Bearman. Da Stroll und Ocon in Runde 52 die Box ansteuerten, und das Safety Car just dann gerufen wurde, als sich beide schon in der Boxengasse befanden, profitierten sie nur teilweise davon, Bearman in Runde 53 hingegen vollständig. Das brachte ihm einen Zeitgewinn von etwa 3,5 Sekunden ein und die beiden Positionen.
Ocon hatte dabei doppelt Pech. Denn im Gegensatz zu Stroll kam vor ihm auch Tsunoda wieder auf die Strecke. Für den letzten Rennabschnitt war Bearman mit Medium-Reifen auch ideal für den 20 Runden dauernden Sprint ausgestattet und der Formel-1-Rookie schnappte sich Bortoleto und Gasly, die auf über 30 Runden alten Reifen niemandem Widerstand leisten konnten und durchgereicht wurden. Auch Alonso, dessen Pneus 13 Runden mehr Laufleistung aufwiesen, konnte Bearman nicht aufhalten.
Bonus-'Analyse': Wie schaffte es Alex Albon auf P5?
Falls ihr euch nun die Frage stellt, wie es kommt, dass Alex Albon vor dieser oben analysierten Gruppe die fünfte Position einfahren konnte, hier eine kurze Erklärung. Eigentlich gelang dem Williams-Fahrer dieses Meisterstück schon am Start. Dort kam er, unter anderem unterstützt vom schlechten Start von Bortoleto und einem Fehler von Alonso in Kurve 4, bis auf P10 nach vorne. Anschließend lief Albons Rennen unspektakulär. Er fuhr die Standard-Strategie mit Boxenstopps in den beiden Safety-Car-Phasen, verlor keine Positionen und profitierte jeweils von den Unfällen der Konkurrenz. Zack, schon landet man auf Platz 5.



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