Im Bestreben, das Feld anzugleichen, hat die Formel 1 vor vier Jahren aerodynamische Test-Beschränkungen (Aerodynamic Testing Restrictions, oder ATR) basierend auf dem WM-Stand eingeführt. Je besser der WM-Platz, desto weniger Ressourcen bekommt man. Beim jüngsten Reset erhält Williams die Quittung für den starken Saisonstart. Während Mercedes' einziger Sieg 2025 äußerst ungünstig fällt.
Die Regeln sind grundsätzlich simpel: Das Sportliche Reglement der Formel 1 beschränkt die Nutzung des Windkanals sowie die Nutzung von Computer-Simulationen des Luftflusses (CFD). In fünf Kennzahlen gibt es hierfür Basiswerte. Wie viel jedes Team davon tatsächlich nutzen darf, wird gestaffelt nach WM-Position definiert. Für den Ersten gelten 70 Prozent der Basiswerte, für den Zehnten (wie auch für Neueinsteiger Cadillac) 115 Prozent.
Am 1. Januar wird nach der WM-Tabelle des Vorjahres geordnet. Das gilt bis zu einem vom Reglement definierten Stichtag. 2025 war dieser der 22. Juni. An dem wird neu geordnet. Für den Rest des Jahres sind die Teams nun nach dem WM-Stand zu diesem Stichtag, sprich vom Ende des Kanada-GPs, neu eingestuft.
Williams & Mercedes Verlierer des jüngsten Aero-Resets
Nur für zwei Teams ist die Angelegenheit belanglos. McLaren startete als Weltmeister ins Jahr, und war in Kanada WM-Führender, muss also in beiden Jahreshälften mit der kleinstmöglichen Ressourcen-Zuweisung auskommen. Ebenso bekommt Cadillac als Neueinsteiger für das ganze Jahr die größtmögliche Zuweisung.
Größter Verlierer ist naturgemäß der größte Aufsteiger: Williams beendete 2024 auf WM-Rang 9. Nach bockstarkem Saisonstart lag das Team am 22. Juni auf WM-Rang 5. Infolgedessen verliert die Mannschaft aus Grove für den Rest des laufenden Jahres 20 Prozent. Im zweiten Halbjahr muss das Team daher beispielsweise im Windkanal mit 32 Durchläufen, 8 Einsatzstunden und 40 Belegstunden weniger auskommen.
Zweitgrößter Verlierer ist Mercedes. Der schwache vierte WM-Rang des Vorjahres hatte im ersten Halbjahr die größte Zuweisung der Top-Teams beschert. Doch George Russells Sieg in Kanada kam zu einem ungünstigen Zeitpunkt, nämlich direkt vor dem Reset. Vor Kanada und nach Österreich lag Ferrari auf WM-P2. Doch just zum Zeitpunkt des Resets nach Kanada hielt Mercedes noch einmal P2. So wird man statt um 5 um 10 Prozent zurückgestuft.
"Gewinner" sind Aston Martin und Alpine. Für Aston Martin ein besonders idealer Umstand, ist das Team doch gerade in einen neuen Windkanal eingezogen. Beim Einfinden können die zusätzlichen Ressourcen eine wichtige Rolle spielen. Sauber profitiert davon, dass der Stichtag noch vor dem Silverstone-Podium von Nico Hülkenberg lag. Durch dieses hat sich das Team danach noch auf WM-Platz 6 verbessert, aber der Reset ist bereits vollzogen, und so hat man eine vorteilhafte Zuweisung für P9 über sieben Monate sicher.

Wer hat die meiste Aero-Entwicklungs-Zeit für die neuen Regeln 2026?
Der Reset ist insofern wichtig, weil ab jetzt alle Teams praktisch nur noch für die brandneuen Aerodynamik-Regeln von 2026 entwickeln. Im ersten Halbjahr hatten alle noch einen Kompromiss mit den letzten 2025-Entwicklungen finden müssen. Das ist manchmal schwierig: Sauber entschied nach überraschend guten Zahlen des letzten Unterbodens etwa, damit ungeplant noch einmal in die Entwicklung zu gehen und den doch noch einmal zu bearbeiten.
Wie viele Aero-Ressourcen hatte jedes Team jetzt also über das ganze Jahr 2025 verteilt insgesamt zur Verfügung? McLaren und Cadillac sind klar auf dem ersten und letzten Platz, wie angesprochen. Sauber belegt immer noch den vorletzten Platz. Red Bull gewinnt relativ zu McLaren bereits deutlich an Ressourcen. Haas hat etwas Pech, steigt dank konstanter Leistungen mit dem gleichen Jahres-Ergebnis aus wie Aston Martin.
Wesentlicher Faktor im Hinblick auf 2026 bleibt nun: Wer hat bereits wie viel entwickelt? So hat Williams fast gar keine Aero-Updates für das aktuelle Auto gebaut und die umfangreiche Aero-Zuweisung im ersten Halbjahr bereits überwiegend für die Zukunft ausgenutzt. Die Spitzenteams brachten jedoch regelmäßig Updates. Auch Teams wie Aston Martin, Haas oder Sauber entwickelten noch mehrere neue 2025er-Teile.
Cadillac in seltsamer Position: Vorteil oder Nachteil für 2026?
Cadillac befindet sich in der einzigartigen Position, nichts mehr für die aktuelle Generation machen zu müssen. Und es gibt noch einen größeren Vorteil. Weil das Team erst im März offiziell einen Startplatz erhielt, musste es sich erst ab der 2. Abrechnungsperiode, genauer gesagt ab dem 3. März, an die Regeln halten (jedes Jahr wird für Abrechnungszwecke in sechs Perioden geteilt).
Natürlich wurde deshalb aliquot die Ressourcen-Zuweisung für das erste Halbjahr etwas verringert - doch das wirklich Wichtige an diesem Detail ist ein Kuriosum: Davor galt das Sportliche Reglement (und damit alle ATR) für Cadillac gar nicht, weil es de facto noch kein echtes F1-Team war. So konnte das Team davor völlig uneingeschränkt testen, und hatte schon im Herbst 2024 einen 2026er-Prototypen im Windkanal. Den 10 anderen Teams war es verboten, vor dem 1. Januar 2025 Windkanal und CFD überhaupt für 2026 zu nutzen.
Im Gegenzug fehlt jedoch die Erfahrung. Das beschränkt den theoretischen Vorteil, alle Ressourcen für 2026 nutzen zu können, doch signifikant. Cadillac hat beispielsweise überhaupt keine Vorstellung von der Daten-Korrelation zwischen Werkzeugen und Strecke. Weil man noch nie mit einem eigenen Design auf der Strecke fuhr.
Teams wie Aston Martin und Sauber entwickelten unter anderem noch so lange, weil man dadurch die Prozesse verbessern kann. Auch wenn die nächsten Autos aerodynamisch ein klarer Schritt weg von der aktuellen Ground-Effect-Generation sind, so lernt man über die laufende Entwicklung wichtige Lektionen, eben etwa bei der Korrelation von Windkanal-, CFD- und Streckendaten.



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