Endlich ist McLaren wieder Weltmeister - aber bester Konstrukteur zu sein ist in der Formel 1 heutzutage nicht nur Grund zum Jubeln. Seit 2021 reguliert das Sportliche Reglement nämlich basierend auf dem WM-Stand, wer wie viel Zeit für Aerodynamik-Entwicklung bekommt. Hier hatte McLaren praktisch drei Jahre das beste Leben und viel Glück. Doch zu einem kritischen Zeitpunkt wendet sich das Blatt nun zugunsten der Konkurrenz.
Wie funktioniert das alles? Das Reglement spricht in einem Anhang von den sogenannten "Aerodynamic Testing Restrictions", kurz ATR. ATR beschneiden zwei kritische Bereiche. Zum einen schränken sie ein, wie viel Zeit man im Windkanal verbringen darf. Zum anderen, wie viel Zeit und Ressourcen für per Computer ausgeführte CFD-Simulationen aufgewandt werden darf.
WM-Platz | % der Referenz |
---|---|
1 | 70 % |
2 | 75 % |
3 | 80 % |
4 | 85 % |
5 | 90 % |
6 | 95 % |
7 | 100 % |
8 | 105 % |
9 | 110 % |
10 | 115 % |
neues Team | 115 % |
Die Rechnung ist simpel. Es gibt Referenz-Werte für mehrere Kennzahlen. Der WM-Erste erhält 70 Prozent des Referenz-Wertes. Ab da geht es in Fünf-Prozent-Schritten aufwärts, bis zum WM-Zehnten, der anständige 115 Prozent bekommt. Starke 45 Prozent mehr als der Weltmeister.
Die Einstufung ändert sich natürlich nicht nach jedem Rennen. Sie wird halbjährlich zu einem Stichtag vorgenommen. Für das erste Halbjahr, beginnend mit dem 1. Januar, gilt immer das WM-Ergebnis des Vorjahres. 2024 wurde dann am Ende des 23. Juni nach der zu dem Zeitpunkt aktuellen WM-Wertung neu gereiht. Ein Zeitpunkt, der McLaren nicht zum ersten Mal äußerst günstig kam.
McLaren profitiert ewig von Formel-1-Regulierung
In den letzten Jahren war McLaren relativ zur Konkurrenz im Spitzenfeld regelmäßig sehr gut ausgestiegen. 2023 etwa war man zum Juni-Stichtag nur Sechster und konnte sich an 30 Prozent mehr Ressourcen als Red Bull erfreuen. Zu Saisonende war man noch immer Vierter. 2024 war man schließlich zum Stichtag auch erst WM-Dritter, obwohl man zu dem Zeitpunkt eigentlich bereits das beste Auto im Feld hatte.
Da McLaren die WM-Spitze erst im Herbst übernahm, beeinflusste die Hochform die diesjährigen Aero-Ressourcen also gar nicht. Von den Top-4 hatte das Team in diesem Jahr die meisten Aero-Ressourcen. In Zahlen sind das beispielsweise relativ zu Red Bull im Windkanal 80 zusätzliche Durchläufe (Wind über 5 m/s), oder 20 zusätzliche Einsatzstunden (Wind über 15 m/s), oder 100 zusätzliche Belegungsstunden.
Doch in der Nacht auf den 1. Januar wird die gute Aero-Zeit für McLaren ihr Ende finden. Dann rücken sie auf den ersten Platz vor und verlieren für das erste Halbjahr 2025 gleich einmal 10 Prozent ihrer Aero-Zuweisung. Während Red Bull zum ersten Mal seit 2022 nicht nur von der Spitze fällt, sondern gar bis auf den dritten Platz.
Aero-Testbeschränkungen für das erste Halbjahr 2025
Team | % | Veränderung | |
---|---|---|---|
1 | McLaren | 70 % | - 10 % |
2 | Ferrari | 75 % | 0 % |
3 | Red Bull | 80 % | 10 % |
4 | Mercedes | 85 % | 0 % |
5 | Aston Martin | 90 % | 0 % |
6 | Alpine | 95 % | - 5 % |
7 | Haas | 100 % | - 5 % |
8 | Racing Bulls | 105 % | 10 % |
9 | Williams | 110 % | 0 % |
10 | Sauber | 115% | 0 % |
"Wir hassen es, Dritte zu werden, aber die zusätzliche Windkanalzeit ist vor so einer riesigen Regeländerung der einzige Vorteil", hebt Red-Bull-Teamchef Christian Horner am Rande des Abu-Dhabi-Wochenendes auch prompt hervor. Denn hier geht es nicht um 2025. Dieses Auto wurde praktisch im zweiten Halbjahr 2024 entwickelt und abgeschlossen. Jetzt geht es bereits um 2026.
Herausforderung Formel 1 2026: McLaren sieht kein Problem
2026 steht der Formel 1 eine riesige Regeländerung ins Haus. Im ersten Halbjahr stecken die Teams also in einer Zwickmühle. Sie müssen noch Updates für das aktuelle Auto entwickeln, aber zeitgleich ein komplett neues Projekt für 2026 auf die Beine stellen. Denn die Änderungen an den Aero-Regeln sind riesig.
Die Herausforderung wird noch dadurch vergrößert, dass es bis zum 1. Januar strikt verboten ist, für 2026 mit CFD oder im Windkanal zu entwickeln. Wenn diese Sperre in gut zwei Wochen aufgehoben wird, haben alle nur etwas mehr als ein Jahr für den Großteil der Entwicklung. Mehr zu den großen 2026er-Änderungen gibt es hier:
Ferrari-Teamchef Fred Vasseur ordnet ein: "Wenn wir am 31. Dezember auf die nächste Periode wechseln, dann will ich nicht sagen, dass der 2025er-Job abgeschlossen ist, natürlich entwickeln wir das Auto - aber wir werden recht früh alles auf 2026 fokussieren." Vasseur schätzt, dass man sich schon im März entscheiden muss, ob man weiter 2025er-Updates bringt. Also nach maximal zwei Rennen.
McLaren-Teamchef Andrea Stella sieht seine Verluste nicht dramatisch: "Nur wegen dreimal so viel Windkanal-Zeit entwickle ich nicht dreimal so schnell. So läuft das nicht. Das haben wir dieses Jahr auch schon gesehen. Entwicklungen, die an die Strecke geliefert werden, und nicht unbedingt Fortschritte bringen. Es ist nicht die Quantität - wir investieren absolut in Qualität."
Schlechte Ergebnisse für mehr Windkanal-Zeit? Keine Lösung in der Formel 1
Das weiß man übrigens auch am Ende des Formel-1-Feldes. Hier wurde in den letzten Monaten immer wieder darüber spekuliert, dass Sauber gar kein großes Interesse hätte, nicht Letzter zu werden, um für die 2026-Entwicklungen - wenn man dann einen Audi-Werksmotor im Heck hat - massig Aero-Entwicklungszeit anzuhäufen.
Im US-Sport ist diese Praxis als "Tanking" bekannt. Weil es dort in den meisten Ligen langfristige regulative Vorteile durch schlechtes Abschneiden gibt, wird Teams immer wieder absichtliches schlechtes Abschneiden nachgesagt. Das wird in der Formel 1 nicht funktionieren, stellte Audis F1-Projektleiter Mattia Binotto schon vor Monaten klar:
Binottos Logik ist schlüssig und schließt sich nahtlos an Stellas Erklärung an, warum McLaren keine Sorgen hat. Man braucht nicht nur die Zeit im Windkanal, sondern man muss auch wissen, was man tut, Prozesse verbessern, die eigenen Werkzeuge kennenlernen. Das geht nur durch ernsthaftes Entwickeln auf Erfolg. Deshalb brachte Sauber auch bis zum vorletzten Saisonrennen neue Teile.
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