"Also wie blöd geht es denn überhaupt?" Das ist das Fazit von Formel-1-Experte Christian Danner zum teaminternen McLaren-Crash zwischen Lando Norris und Oscar Piastri. Eine verpasste Chance, urteilt Danner und ist auch verblüfft von der Art und Weise, wie Norris den Zwischenfall abzuhaken versucht. Will ihn aber sicher nicht abschreiben.
"Beim eigentlichen Vorgang hat er sich gar nichts gedacht", beurteilt Danner zuerst einmal im 'AvD Motorsport Magazin' Norris' ungeschickten Auffahrunfall in Kanada, der ihm einen Ausfall und sogar eine Zeitstrafe bescherte, während Piastri das Rennen auf P4 beendete und seine WM-Führung auf 22 Punkte ausbaute. Danners vollständige Analyse des Zwischenfalls gibt es hier im Video:
"Der Piastri-Konter nach der Haarnadelkurve war ja schon eigentlich ein klares Warnsignal, Achtung, der wird nicht den Blinker setzen und dich vorbeiwinken", hält Danner fest. "Also da muss man schon ein bisschen cool bleiben im Cockpit und sagen okay, ich weiß, ich bin schneller, den kassiere ich schon."
Norris-Geständnis nach Unfall überrascht Danner
Statt Geduld zu zeigen, versuchte Norris seine Nase hin zur ersten Kurve in eine Lücke zu stecken, die nicht existierte. Die Schuldfrage ist absolut eindeutig, und das war sie schon Sekunden nach dem Einschlag auch bei Norris, der sich gleich am Funk entschuldigte. Das aber verblüfft Danner: "Ich hätte zumindest erwartet, dass er erst einmal sagt: Ja, der Piastri spinnt, der hat mir da den Weg abgeschnitten, und das Team ist total bescheuert, die hätten mich längst vorbeiwinken müssen, und so weiter."
Die Methode ist unter Rennfahrern altbewährt. Ein Schuldeingeständnis gibt es frühestens dann, wenn man die Replays gesehen hat. Aus dem Cockpit ist eigentlich immer zuerst jemand anderes schuld. Danner stellt in den Raum: "Glaubst du im Ernst, dass ein Hamilton, ein Leclerc, ja ein Verstappen da gleich gesagt hätten: Ja, ja, es war meine Schuld?"
"Der Verstappen hat den Russell in Barcelona fast von der Strecke gefahren und hat gar nichts gesagt", erinnert Danner hier gleich an das vorangegangene Rennen, bei dem Max Verstappen und George Russell kollidierten. Verstappen brauchte über einen halben Tag, ehe er die Verantwortung für die Kollision übernahm, obwohl die Schuld eindeutig bei ihm gelegen war. Davor war am Funk oder in Interviews nichts von einem Schuldeingeständnis zu spüren.
Danner glaubt noch an Norris: Bei McLaren geht es fröhlich weiter
"Aber Lando Norris ist halt so, er ist trotzdem ein Spitzenklassefahrer", muss das für Danner kein Problem sein. Schließlich war Norris bis zu dem Unfall ein richtig starkes Rennen gefahren - es kam ja nicht von irgendwoher, dass er versuchte, Piastri zu überholen. "Aber sowohl im Qualifying als auch im Rennen hat er in Kanada wieder einen richtigen Bock geschossen."
"Das ist halt sehr bitter, wenn man sieht, wie Talent und Speed nicht richtig harmonieren mit seinem Umgang mit klassischen Rennsituationen", bedauert Danner. "Stell dir mal vor, wie gestärkt der nach einem normalen Überholmanöver nach Hause gegangen wäre. Und das wäre ja möglich gewesen, er war ja so viel schneller."
"Dann wäre er jetzt in einem psychischen Gewand wie ein Ritter, dem könnte niemand mehr was anhaben", glaubt Danner. Der Unfall muss aber in seinen Augen nicht das Gegenteil in Form eines endgültiges Davonschwimmens von Norris' WM-Hoffnungen bedeuten: "Ich glaube, da geht es fröhlich weiter." Denn Piastri hatte zuletzt einige schwierige Wochenenden.
"Schaut mir so aus, als hätte er gerade einen kleinen Durchhänger bei Speed oder Setup", findet Danner. Piastri braucht seit Monaco stets alle Trainings, um das Auto in ein vernünftiges Arbeitsfenster zu bringen, und baute auch schon zwei kleine (wenngleich ultimativ folgenlose) Trainingsunfälle. "In Montreal war klar, der schnellere Mann war Lando Norris", urteilt Danner. "Wenn der nicht dauernd irgendwelche Fehler gemacht hätte, wäre der mit Sicherheit um den Sieg gefahren." Damit bleibt Norris voll im Rennen.
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