In Bahrain kam es vor knapp zwei Wochen zum großen Motorengipfel, um über die Zukunft der Formel-1-Triebwerke zu diskutieren. Weil Mercedes, Audi und Honda der baldigen Wiedereinführung von V10-Motoren eine klare Absage erteilten, war das Meeting schon nach 70 Minuten beendet. Am Donnerstag wird aber in der Formel-1-Kommission erneut über die Triebwerke für 2026 diskutiert.
"Die Agenda der F1-Kommission zu lesen ist fast so lustig wie einige der Kommentare, die ich auf Twitter zur amerikanischen Politik sehe. Es ist ein Witz", wird Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff deutlich. Doch worum geht es genau? Was bringt den Österreicher so auf die Palme? Motorsport-Magazin.com kennt die Hintergründe.

Mercedes will keine Regel-Änderungen am 2026er Formel-1-Motor
Eine Abschaffung des 2026er Reglements steht nicht mehr im Raum. Trotzdem werden größere Änderungen am Technischen Reglement diskutiert. Grund für die Diskussionen sind Probleme mit dem Energiehaushalt der Power Units. Seit die Regeln vor fast drei Jahren verabschiedet wurden, ist die Formel 1 damit beschäftigt, ein Problem nach dem anderen an dieser Front zu lösen.
Im Mittelpunkt der Problematik steht der große Elektro-Anteil der Motoren. Von den gut 1.000 PS Systemleistung kommen 'nur' noch knapp 550 PS vom Verbrennungsmotor. Der Rest kommt von der MGU-K, die rund 475 Elektro-PS auf die Kurbelwelle stemmen darf.
Es gibt aber große Probleme. Einerseits bleibt die Batteriekapazität wie im aktuellen Reglement bei 4 Megajoule. Das reicht gerade einmal für 11,4 Sekunden Boost mit voller Leistung. Pro Runde dürfen maximal 9 Megajoule rekuperiert werden. Selbst im Qualifying reicht das bei Idealbedingungen für nur 37 Sekunden Voll-Boost.
Formel-1-Auto mit weniger als 500 PS im Rennen?
Das klingt weniger dramatisch als es eigentlich ist. Denn fällt der E-Boost weg, bleiben nur noch 550 Verbrenner-PS. Wenn der Verbrenner zum Laden genutzt wird, sogar noch weniger. Im Rennen wird es noch dramatischer. Denn da stehen im Schnitt maximal 8,5 Megajoule, also 24,3 Sekunden Boost zur Verfügung. Ob auf vielen Strecken überhaupt so viel Energie rekuperiert werden kann, ist fraglich - zumal die Formel 1 nur an der Hinterachse rekuperiert.
Neuer Vorschlag für 2026: Im Rennen 270 PS weniger?
Damit die E-Power länger reicht, wird in der Formel-1-Kommission am Donnerstag eine Reduktion der Leistung im Rennbetrieb diskutiert. Ein Vorschlag sieht vor, die Maximalleistung im Rennen von 350 kW (ca. 475 PS) auf 200 kW (ca. 270 PS) zu reduzieren. 8,5 Megajoule reichen dann immerhin für 42,5 Sekunden volle E-Power.
Dadurch erhofft man sich bessere Geschwindigkeitsprofile, bei denen den Autos nicht mitten auf den Geraden der Saft ausgeht. Denn Rundenzeit-optimiert wird die Energie am Anfang der Geraden eingesetzt, sobald die Traktion den Einsatz der maximalen E-Power erlaubt.
Außerdem könnte man so eine effektivere Überhol-Hilfe realisieren. DRS fällt als Überhilfe weg, weil die Autos ohnehin über aktive Aerodynamik verfügen. Die ist nötig, um die Autos aerodynamisch effizienter zu machen. Ein niedriger Luftwiderstand auf den Geraden ist essentiell, um mit der wenig vorhandenen Energie trotzdem sinnvolle Geschwindigkeitsprofile zu erhalten.
Bislang ist die Überholhilfe - genannt Override-Mode - in Form von mehr elektrischer Energie und längerem Boost vorgesehen. Wer sich in einem noch zu definierenden Fenster hinter dem Vordermann befindet, darf 0,5 Megajoule mehr pro Runde rekuperieren. Durch die Reduktion der Renn-Leistung der MGU-K von 350 auf 200 kW könnte man im Override-Modus mehr Leistung für bessere Überholmöglichkeiten erlauben.
Mercedes erhofft sich Motoren-Vorteil wie 2014
Auf der anderen Seite hätten die Autos dann 'nur' noch maximal 820 PS im normalen Rennbetrieb. Das gefällt nicht allen und vor allem nicht Mercedes. Der Stuttgarter Automobilhersteller wehrt sich beim 2026er Antrieb schon seit längerer Zeit gegen jegliche Eingriffe.
In Brixworth, wo Mercedes' Formel-1-Antriebe entwickelt und gebaut werden, glaubt man offenbar, bei der Regel-Revolution wieder einen Vorteil erarbeitet zu haben. 2014, als die Turbo-Hybridmotoren eingeführt wurden, war die Mercedes-Power-Unit der Erfolgsgarant für Weltmeistertitel am Fließband.
Für die Änderungen bräuchte es keine Umgestaltungen an der Motoren-Hardware. Die bisherige Entwicklung könnte eins zu eins genutzt werden, nur beim Energiemanagement gäbe es größere Veränderungen. Trotzdem könnte eine Reduktion der E-Power im Rennen auf die Konkurrenzfähigkeit durchaus Auswirkungen haben. So könnte sich die Performance-Gewichtung zwischen Batterie und Verbrennungsmotor etwas verschieben. Diese beiden Komponenten werden von Experten als die großen Performance-Treiber angesehen.
Red Bull nicht allein? Ferrari für Änderungen offen
Während Mercedes alle Änderungen ablehnt, stieß Red Bull schon vor Jahren an, den Benzinfluss zu erhöhen, um den Anteil des Verbrennungsmotors zu erhöhen. Schon damals stieß man - wie vor zwei Wochen beim Versuch, die gesamte Regel-Revolution abzusagen - auf Gegenwind. "Der Vorschlag eines Push-to-Pass-Elements im Rennen ist ziemlich vernünftig", meint Red-Bull-Teamchef Christian Horner nun. "Idealerweise hätten wir das vor zwei Jahren prüfen sollen, aber es sind noch immer zehn Monate, bevor wir damit Rennen fahren. Ich sehe das nicht als großes Problem an."
Tatsächlich steht Red Bull diesmal nicht allein da. Abgesehen von Mercedes halten sich die anderen Motorenhersteller bedeckt. Selbst Motorsportchef Ferrari-Boss Fred Vasseur ist offen für Anpassungen: "Wir haben die Auswirkungen dieser Motoren unterschätzt. Der Wettkampf hilft bei den Diskussionen nicht: Wir müssen hier Kämpfe darüber, wer die beste Batterie hat und so weiter, vermeiden. Wir müssen eine offene Diskussion führen." Ferrari scheint auf der Seite von Red Bull zu stehen.
FIA will Mehrheiten statt Sicherheits-Argumente
Ferrari-Fahrer Charles Leclerc führte zuletzt auch Sicherheitsbedenken beim 2026er Motor ins Feld. Durch unterschiedliches Energiemanagement könnte es zu großen Geschwindigkeitsdifferenzen kommen.
Doch die FIA will Änderungen nicht mit dem Sicherheits-Argument durchdrücken. Zum aktuellen Zeitpunkt benötigen Änderungen am Reglement eine Super-Mehrheit. Neben FIA und Formel 1 bräuchte man dafür 65 Prozent der Motorenhersteller. Mercedes macht hier allein schon 20 Prozent aus. Wenn - angenommen Red Bull und Ferrari wollen Änderungen - Audi oder Honda dagegen wären, würde sich am 2026er Reglement nichts ändern. Aus Sicherheitsgründen kann die FIA auch ohne Mehrheiten Änderungen durchdrücken.
Die Sicherheitsbedenken sieht die FIA aber verhältnismäßig gelassen, weil im Reglement über die Jahre ohnehin schon viele Sicherheitsmechanismen eingebaut wurden. So darf die MGU-K im Standard-Modus ohnehin nur bis 290 km/h mit den vollen 350 kW anschieben. Bis 340 km/h sinkt die maximale E-Power konstant auf 100 kW, ab 345 km/h darf die MGU-K gar nicht mehr unterschützen. Im Override-Modus steht die maximale Leistung länger zur Verfügung, aber auch hier ist bei 355 km/h Schluss.
Dazu hat man Grenzen festgelegt, wie schnell die E-Power zurückgefahren werden darf, damit nicht plötzlich 45 Prozent der Systemleistung wegfallen. Auf Highspeed-Kursen- definiert durch mindestens 3.500 Meter Vollgas-Anteil - darf die E-Leistung mit maximal 50 kW pro Sekunde reduziert werden. Auf langsameren Kursen dürfen maximal 100 kW pro Sekunde zurückgefahren werden.
Außerdem, so befürchteten lange Zeit viele, könnte zusätzlich der Verbrennungsmotor genutzt werden, um die Batterie zu laden. Dadurch würde man nicht nur Benzin verbrennen, um elektrische Energie zu erzeugen, sondern noch weiter punktuell Systemleistung verlieren. Am Ende von Geraden könnte es Rundenzeit-optimiert Sinn ergeben, auf Verbrenner-Leistung zu verzichten, um später wieder mehr E-Boots beim Herausbeschleunigen zu haben.
Auch hier hat man extremen Auswüchsen inzwischen einen Riegel vorgeschoben: Solange Leistung vom Verbrennungsmotor abgerufen wird, darf die MGU-K nicht mit mehr als 100 kW rekuperieren.
Red Bull will Freiheiten bei Entwicklung des Formel-1-Motors
Die extrem komplexen Regeln für das Energie-Management sind neben den Anpassungen des Chassis-Reglements eine weitere Konsequenz der 2026er Motoren. Es gibt aber auch Befürchtungen, dass das Racing nicht nur darunter leiden könnte, sondern wie schon 2014 unter einem starken Gefälle der Konkurrenzfähigkeit.
Mit dem sogenannten ADUO (Aditional Development and Upgrade Opportunities) gibt es bereits einen Passus im Reglement, der sicherstellen soll, dass kein Hersteller komplett den Anschluss verliert. Wer beim Verbrennungsmotor nach einer komplexen Metrik mehr als 3 Prozent hinter dem Klassenprimus liegt, erhält zusätzliche Entwicklungs- und Upgrade-Kapazitäten.
Das reicht vielen aber nicht aus. Deshalb werden in der Formel-1-Kommission nicht nur Änderungen am Energiemanagement diskutiert. Vor allem Red Bull Powertrains pocht auf mehr Freiheiten bei der Homologation der Motoren. Das Reglement sieht derzeit abseits von ADUO einen strengen Homologationsplan vor. Manche Motorkomponenten sind in der Entwicklung eingefroren und dürfen nur noch zu bestimmten Zeitpunkten überarbeitet werden. Dadurch könnten Leistungs-Unterschiede auch noch langfristig einzementiert werden.
In der Formel-1-Saison 2025 bleibt es spannend. Hat Lando Norris die Mentalität eines Champions? Wird es zwischen Max Verstappen und Oscar Piastri noch so richtig krachen? F1-Experte Christian Danner hat die Antworten:
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