Die Formel 1 träumt wieder öffentlich von V10-Motoren. Im vergangenen Jahr äußerte bereits F1-Boss Stefano Domenicali, dass es mit den synthetischen Kraftstoffen möglich wäre, zurück zu hochdrehenden Saugmotoren zurückzukehren. Der Italiener dachte dabei frühestens an 2031, denn bis dahin sind die neuen Hybrid-Triebwerke, die erst 2026 ihr Debüt feiern werden, mindestens im Einsatz.
FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem goss zu Beginn des Jahres Öl ins Feuer. Auch er sprach plötzlich wieder vom Wunsch nach V10-Aggregaten. Er trat damit eine regelrechte Lawine los. Kaum ein Medientag verging seither, an dem nicht irgendein Fahrer oder ein Teamchef zur Rückkehr der V10-Motoren befragt wurde. Aber auch einige Teams und Hersteller träumen plötzlich.
Das ist alles schön und gut und ich würde mir nichts mehr für die Formel 1 wünschen, als wieder zu diesen Höllentriebwerken zurückzukehren. Klang und Geruch sind eine emotionale Komponente, aber auch technisch würde man ein leidiges Problem damit lösen: Die Fettsucht der modernen F1-Autos. Ohne Hybrid-Technik wären die Autos auf einen Schlag mindestens 50 Kilogramm leichter. Dazu gibt es keine Probleme mit dem Energiehaushalt. Weniger Drehmoment schont die Reifen neben dem niedrigeren Gewicht zusätzlich.

Das Problem ist: Die Diskussionen werden plötzlich nicht mehr über 2030 oder 2031 geführt. Man könnte doch die aktuelle Motorenformel noch zwei, drei Jahre behalten und dann direkt mit den V10 loslegen, meinen manche im Fahrerlager. Es ist die vielleicht politisch komplexeste Diskussion, die in der Königsklasse je geführt wurde.
Kein Hybrid, kein Audi
Einerseits kommen mit Audi und Red Bull Powertrains 2026 zwei neue Hersteller in die Formel 1. Bei Red Bull könnte man sich wohl noch dafür erwärmen, wenn man Namensgeber Ford irgendwie bei Laune halten könnte. Bei Audis Entscheidung, in die Formel 1 einzusteigen, war die Motorenformel ausschlaggebend. Kein Hybrid, kein Audi.
Selbst wenn Audi den Wahnsinn mitmachen würde: Mit welchem Motor soll das Audi-Werksteam bei Verzögerung eines Motorenreglements dann 2026 fahren? Was soll mit Aston Martin passieren, das 2026 zum Honda-Werksteam wird? Was soll mit Alpine passieren, das 2026 mangels eines eigenen 2026er Motors zu Mercedes wechselt?
Im Gegensatz zu anderen Regel-Revolutionen in der Formel-1-Geschichte, die verschoben wurden, ist es diesmal nicht schwierig, es ist nahezu unmöglich. Es ist zu spät. Nicht technisch, sondern politisch. Man könnte sagen, dass das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Warum so drastisch? Weil die 2026er Regeln schon jetzt niemand mag.
2026er Formel-1-Reglement eine Chance geben
Beim Schreiben des Chassis-Reglements wurde den Beteiligten der große Geburtsfehler der 26er Triebwerke bewusst. Aber es gab kein zurück mehr. Das Chassis muss ausbaden, was man am Motor nicht mehr retten konnte. Red Bull warnte früh, dass man mit der Hybridisierung zu weit gegangen war, nur wollte es damals niemand hören.
Ich halte das 26er Reglement für falsch. Trotzdem muss man ihm eine Chance geben. Zu viel Geld und zu viel Entwicklung steckt schon in den neuen Motoren. Red Bull, wo man sich den V10 eigentlich am sehnlichsten wünscht, hat eine Milliarde investiert, um das V6-Hybrid-Triebwerk zu entwickeln.
Das alles wegzuschmeißen, ohne jemals ein Rennen damit gesehen zu haben, wäre absurd. Zumal längst nicht alle den V10 unbedingt wollen. Die Hersteller wollen nach wie vor Serienrelevanz in der Formel 1 vorgaukeln. Auch wenn sich die Automobilindustrie derzeit wieder ein wenig weg von den rein batteriebetriebenen Autos entwickelt: Ein hochdrehender V10-Sauger wird es eher nicht ins Repertoire der Volumenhersteller schaffen. Sie wollen eine Hybrid-Komponente, mit der die Fettsucht aber nur teilweise geheilt werden könnte.
Formel 1 ohne Autohersteller?
Man könnte sagen, in der derzeitigen Verfassung der Formel 1 könnte man die Hersteller vor eine Friss- oder Stirb-Entscheidung stellen. Aber es gibt für 2026 einen Regierungsprozess für Regeländerungen. Hier sind die Hersteller selbst involviert. Und will man wirklich ein Werks-Engagement aufs Spiel setzen? Mercedes, Audi und Co. haben schließlich eine ganz andere Strahlkraft und Marketing-Power als Privatteams.
Auf der anderen Seite könnte man vielleicht Toyota in die Formel 1 locken. Und das Motorenprojekt von General Motors könnte so richtig Fahrt aufnehmen. 2028 rechnet eigentlich niemand mehr damit, dass die Amerikaner einen V6-Turbo mit Hybridsystem für ihr Cadillac-Team haben.
Cadillac mit Motor, aber ohne Auto?
Da kommt das nächste Problem: Cadillac. Macht man mit dem aktuellen Reglement weiter, hat das neue Team kein Auto. Die Amerikaner haben zwar zuvor schon im Hintergrund an einem Auto nach dem aktuellen Reglement entwickelt, aber das Projekt ist auf das 26er Reglement ausgelegt. Audi hätte keinen Motor, Cadillac kein Auto.
Wenn zum aktuellen Zeitpunkt eine so große Entscheidung fallen soll, dann braucht es dafür sogenannte Super-Mehrheiten. Dafür sind neben Mehrheiten bei Herstellern und Teams auch FIA und Formel 1 nötig. Die FIA hat klargestellt, dass man sich nicht nur nach der Mehrheit der Hersteller richten will.
"Unsere Aufgabe ist es vor allem, fair zu sein", sagt FIA-Formel-1-Boss Nikolas Tombazis. "Wir wollen nichts ändern, was dazu führen würde, dass jemand nicht teilnehmen kann. Wir sind stolz, Audi in die Formel 1 gebracht zu haben und wir wollen nicht, dass sie ihre Entscheidung rückgängig machen. Leute haben viel Geld investiert. Wenn neun Leute für etwas sind und einer dagegen, der eine aber unfair behandelt würde, dann würden wir immer versuchen, die eine Person zu schützen. Wir würden uns nicht nur um Mehrheiten kümmern." Heißt im Klartext: Wenn sich Audi oder Cadillac querstellen, macht auch die FIA nicht mit.
V10-Comeback in der Formel 1 möglich, 2026er Absage unwahrscheinlich
Realistisch ist das Szenario, dass das 2026er Reglement abgesagt wird, deshalb nicht. Die V10-Idee lebt aber. Die Frage ist nur wann. Erst 2031 oder doch schon früher? Ein Schnellschuss ist nicht empfehlenswert. Gebt den Autos zumindest die Saison 2026. Währenddessen kann man gerne schon am Motorenkonzept der Zukunft arbeiten. Wenn 2026 wirklich so schlimm wird, wie von vielen befürchtet, dann muss man wohl oder übel ein paar Jahre damit leben oder zumindest kleinere Änderungen am Benzinfluss vornehmen.

Dann ist es aber durchaus realistisch, dass man nicht die vollen fünf Jahre des geplanten Regelzyklus' wartet, sondern vielleicht schon 2028 oder 2029 umschwenkt. Der dann kommende Motor, sei es ein V10-Sauger oder nicht, wird auf jeden Fall nicht so komplex wie die aktuellen Triebwerke. Vorlaufzeit brauchen Motoren immer, aber es könnte mit einfacherer Technik schneller gehen.
Nächster Formel-1-Motor viel billiger?
Die einfache Technik hat noch einen weiteren Vorteil: Man spart sich viel Geld. Eine Neuentwicklung kostet zwar zunächst, doch mittel- und langfristig gesehen kann der Motorenbau wieder zu einem Business-Case werden. Das ist er auch mit Budgetobergrenze mit den hochkomplexen Power Units niemals.
Dadurch kann sich die Formel 1 unabhängig von den Herstellern machen. Denn auch wenn derzeit finanziell alles rosarot in der Königsklasse aussieht: Die Lage kann sich schnell ändern. Das weiß man auch bei der FIA. "Es ist wichtig, sich gegen ökonomische Schwankungen zu schützen. Idealerweise macht man das, solange die Sonne scheint und nicht erst, wenn es regnet", meint Tombazis. Bei der FIA hat man aus der Weltwirtschaftskrise und dem Herstellersterben in der Formel 1 gelernt.

Es ist wichtig und richtig, sich rechtzeitig Gedanken zu machen. Aber um die Krise nicht selbst herbeizuführen, sollte sich die Formel 1 davor hüten, den gleichen Fehler zu machen wie 2014, als die Turbo-Hybridmotoren eingeführt wurden. Damals sagte Bernie Ecclestone unverblümt: Die Formel 1 ist scheiße. So deutlich wird das heute sicher niemand, und ganz besonders nicht Stefano Domenicali sagen. Aber die aktuellen Diskussionen werfen nicht das beste Bild auf die Zukunft der Königsklasse - schon lange bevor der erste Meter mit einem neuen Auto überhaupt gefahren wurde.
Audi gibt derzeit schon Vollgas für den Formel-1-Einstieg - nicht nur auf Motoren-Seite. Weil das Team in der Schweiz sitzt, gibt es aber einen großen Nachteil. 2026 ändert sich das, dann darf Audi mehr Geld als alle anderen ausgeben. Was es damit auf sich hat, erklärt euch Christian im Video.
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