Haas war vor der Formel-1-Saison 2024 alles andere als optimistisch. Das US-Team kündigte schon beim Launch an, dass man sich nach wie vor im hinteren Feld sieht - wenn nicht sogar ganz hinten. Keine guten Vorzeichen für ein Jahr, in dem man eigentlich die Kehrtwende schaffen und P10 in der Konstrukteurs-WM verlassen will.

Doch die Hoffnung kam in Form der Testfahrten zurück. Neu-Teamchef Ayao Komatsu erklärte in Bahrain: "Ich bin ziemlich zufrieden. Wir haben ungefähr 90 Prozent unserer Ziele erreicht. Ich fühle mich so, als hätten wir Fortschritte gemacht". Diese Prognose fußt vor allem auf einer Entdeckung: Das Reifenverschleiß-Problem könnte mit dem neuen Fahrzeug-Konzept unter Kontrolle gebracht worden sein.

Haas-Longruns: Reifenverschleiß unter Kontrolle

Die Longruns von Haas lassen diesen Schluss aufkommen. Am dritten Tag des Formel-1-Tests auf dem Bahrain International Circuit spulte Nico Hülkenberg auf dem harten Reifen konstant Runden im hohen 1:36er- und 1:37er-Bereich ab. Keine sonderlich spektakulären Zeiten, was wohl auch der Mittagshitze geschuldet ist. Aber die Zeiten selbst sind sekundär. Wichtiger ist: Es gab keinen Einbruch in der Pace.

Wenn man einen vergleichbaren Run bei den Testfahrten im Vorjahr heranzieht, ist der Trend noch ein gänzlich anderer. Aus den Daten von damals lässt sich ablesen, dass die Pneus schnell an Performance verloren, die Zeiten waren auch allgemein langsamer. Ein weiterer halbwegs repräsentativer Stint bei den Testfahrten 2024 am späten Nachmittag unterstreicht diesen Trend: Die Pace nimmt über die Dauer des Runs sogar zu, im Vorjahr undenkbar.

2023 drang Haas vor allem in Form von Nico Hülkenberg regelmäßig in Q3 vor, wurde im Rennen aber chancenlos durchgereicht. "Das wird nicht mehr der Fall sein, basierend auf dem, was wir sehen", ist sich Komatsu sicher. "Ich denke, wir können das Rennen überleben und gegen ein paar Autos kämpfen."

Dass an dieser Front Fortschritte erzielt wurden, kommt nicht von ungefähr. Das gesamte Test-Programm von Haas war darauf ausgelegt, Longrun-Daten zu sammeln. Das Ferrari-Kundenteam verzichtete beim Formel-1-Test in Bahrain beinahe gänzlich auf Performance-Runs. Erst am Nachmittag des letzten Testtages brachte Hülkenberg die erste nennenswerte Rundenzeit aufs Tableau.

Als Verdächtigen für die Ursache der letztjährigen Reifen-Probleme hat Haas vor allem die Aerodynamik ins Visier gefasst. Konzeptuell blieb über dem Winter kein Stein auf dem anderen. Der Trend zum Downwash-Konzept machte auch vor Haas nicht Halt. Eine platzsparendere Bauweise erlaubte mehr Freiheiten am Seitenkasten und soll eines der Heilmittel gegen den letztjährigen Reifenkiller sein.

Die Fahrer äußerten sich noch etwas skeptischer. Kevin Magnussen sprach nach dem ersten Testtag davon, dass man keine Antworten gefunden habe. Es seien ledglich "Indizien" für die Problemlösung identifiziert worden.

Ob der Haas tatsächlich besser auf seine Reifen aufpassen kann, wird erst das erste Formel-1-Rennen der Saison beweisen. Dann kommen auch Faktoren wie Verkehr und die Pace der Konkurrenz ins Spiel. Um es in den Worten von Ferrari-Fahrer Charles Leclerc zu sagen: "Man kann immer wenig Reifenverschleiß haben, es kommt nur darauf an, wie langsam man fährt."

Für die Reifen: Opfert Haas die Qualifying-Pace?

Haas ist bereit, für die Lösung des Reifen-Problems ihre Qualifying-Stärke zu opfern. Der designierte Technik-Chef Andrea de Zordo sagte: "Die erste Priorität ist einmal, die Renn-Performance zu verbessern. Selbst wenn wir dadurch ein paar Plätze weiter hinten starten, ist es unter dem Strich immer noch eine gute Entwicklung."

Was die Pace auf eine Runde angeht, scheint der VF-24 für sich betrachtet jedenfalls kein Schritt zurück zu sein. Der Vergleich der besten Rundenzeiten des Tests im Vorjahr fällt nur um drei Zehntel zugunsten des 2023er-Boliden aus. Dieser war jedoch mit C4-Pirellis bestückt.

Haas-Fahrer Nico Hülkenberg
Foto: LAT Images

Eine Reifenmischung, welche in diesem Jahr bei Haas überhaupt nicht zum Einsatz kam. Hülkenberg fuhr die beste Zeit mit dem C3. Das Reifendelta zwischen den beiden Pneus beträgt 0,6 bis 0,8 Sekunden. Hülkenberg fuhr seine Zeit 2024 aber zwei Stunden früher, also bei schlechteren Verhältnissen.

Zugegeben, vor allem die Shortrun-Zeiten sind bei einem Test alles andere als aussagekräftig. Diesen Vergleich muss man also mit einem großen Sternchen versehen. Es ist aber so oder so keine Überraschung, dass ein Team mit einem Jahr Entwicklungsarbeit seine Qualifying-Pace verbessert hat, auch wenn der Fokus - wie im Falle von Haas - auf einer anderen Baustelle lag. Die Konkurrenz hat mit Sicherheit auch zugelegt.