Extreme Dehydration, Übelkeit und nahe des Bewusstseinsverlusts. Die Formel 1 lieferte sich in Katar zuletzt eine Hitzeschlacht. Logan Sargeant musste im Rennen frühzeitig aufgeben, andere Piloten hatten nach 57 Runden bei extremer Luftfeuchtigkeit und Hitze kaum noch die Kraft, um aus ihren Autos auszusteigen. Die Hitzehölle beim Wüstenrennen löste eine gehörige Diskussion aus, die auch noch beim anstehenden Grand Prix in Austin für Gesprächsbedarf sorgt.
In Katar schilderten die Piloten nach dem Rennen ihren Kampf mit der Hitze. Die Reaktionen waren gespalten. Die FIA leitete eine Untersuchung ein. Solch extreme Bedingungen können die Gesundheit gefährden, weswegen nach passenden Maßnahmen gesucht wird, hieß es. Einige ehemalige F1-Piloten, darunter etwa Christian Danner und Gerhard Berger, sahen das Problem nicht bei der Katar-Hitze, sondern bei den Piloten selbst. Diese müssten als Spitzenathleten solchen Bedingungen standhalten und hätten nicht passend trainiert, um mit den Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit klarzukommen, lautete deren Argument.
George Russell hat für solche Aussagen nichts übrig. "Ich trainiere erheblich für die Hitze", stellt der Mercedes-Pilot richtig. "Für solche Rennen trainiere ich mit drei Schichten Kleidung und gehe viel in die Sauna, um mich auf die Bedingungen vorzubereiten."
Russell: Können sagen, was sie wollen, aber…
Generell wäre die Situation nicht vergleichbar mit Bergers oder Danners Zeit. "Wir fahren 20 Sekunden pro Runde schneller als diese Ex-Fahrer, die solche Kommentare machen", kontert er. "In den Kurven wirken auf uns 5G. Natürlich müssen wir Gladiatoren sein, aber wenn es um Hitze geht, gibt es nur so viel, was ein Körper aushält."
Abgesehen von der Geschwindigkeit seien die Autos heutzutage auch anders aufgebaut. "Die Autos aus den 80er- und 90er-Jahren hatten noch nicht die ganzen elektronischen Geräte im Cockpit, die für zusätzliche Hitze sorgen", führt Russell weiter an. "Damals fuhren sie noch ohne Servolenkung, die 50 bis 60 Grad Hitze ausstößt. Wir haben zudem hydraulische Leitungen überall im Cockpit mit 120 Grad."
Das kann sich gemeinsam mit den Wetterbedingungen aufsummieren. "Während meines Rennens hatte es 60 Grad im Cockpit", so der Mercedes-Pilot. "Wir tragen auch dickere feuerfeste Anzüge als sie jemals getragen haben", erinnert er. "Nach [Romain] Grosjeans Crash sind die Overalls deutlich dicker geworden. Die Leute können sagen, was sie wollen, aber die Dinge sind heute anders, genauso wie sie vor 40 Jahren anders waren."
Hülkenberg widerspricht Russell: Autos nicht heißer geworden
Nico Hülkenberg reagiert auf die Kommentare der Ex-Piloten diplomatischer. "Man kann immer anders trainieren, aber keiner sah das so kommen", meint der Haas-Pilot. "Die Formel 1 ist prinzipiell ein körperlicher Sport. Die Fahrer sind am Ende leer, aber die Situation in Katar war extrem. Ich glaube es waren alle am Limit."
Anders als Russell hält sich der Haas-Pilot mit Auto-Vergleichen zurück. "Die Zeiten von damals mit heute zu vergleichen ist schwierig", so Hülkenberg. "Ich glaube, dass die Autos nicht viel heißer geworden sind. Es steht jedoch fest, dass es bei den Overalls einen signifikanten Unterschied gibt. Nach Romains Crash sind sie wie ein Skianzug. Damit fährst du dann bei 33 Grad auf einer Highspeed-Strecke mit Monstergrip hinter anderen Autos hinterher."
Dass sich alle aktuellen und Ex-Piloten in der Hitze-Angelegenheit einig werden, bezweifelt der Deutsche. "Man kann lange debattieren und die Meinungen werden auseinander gehen", weiß Hülkenberg. "Das Rennen war definitiv grenzwertig, aber es kann auch jeder Pilot sagen, wenn es nicht mehr geht."
Katar-Konsequenzen: F1-Piloten brauchten besondere Erholung
Nach der Hitzehölle in Katar ist es kein Wunder, dass die Piloten Maßnahmen fordern. "Es gab Diskussion im Rahmen der Fahrergewerkschaft", bestätigt Guanyu Zhou. "Das Rennen war extrem schwer und erschreckend für viele Fahrer."
Das Argument, dass Spitzensportler solche Bedingungen aushalten müssen, lässt der Alfa-Romeo-Pilot ebenfalls nicht gelten. "Darum geht es nicht in unserem Sport", argumentiert er. "Das war über dem Limit."
Der Katar-GP scheint ihn deutlich mitgenommen zu haben. "Ich habe für die Erholung nach dem Wochenende länger gebraucht als sonst", verrät Zhou. "Ich war nach diesem Rennen mental kaputt." Russell soll nach dem Rennen keine besondere Erholung gebraucht haben, wisse jedoch, dass andere Piloten länger mit den Konsequenzen der Hitzeschlacht gekämpft haben:
"Für mich war die Erholung ganz normal. Jeder der einmal in einer Sauna war kennt, dass man irgendwann einfach raus muss, da man das Gefühl hat sonst zu verbrennen. Nach fünf Minuten draußen geht es dann wieder. Ich weiß jedoch, dass die Fahrer, die einen Hitzeschlag hatten, noch die gesamte Woche nach dem Rennen krank waren."
FIA erkennt Problem: Sitzkühlung könnte kommen
Anders als die Ex-Piloten hat die FIA die Zustände in Katar nicht auf die leichte Schulter genommen und bereits angekündigt, nach Maßnahmen zu suchen, um gesundheitsgefährdende Rennen zukünftig zu vermeiden. "Niemand konnte erwarten, dass es so schlimm wird", sagt McLarens Lando Norris. "Die FIA macht einen guten Job, in dieser Hinsicht könnte aber noch mehr getan werden."
"Es ist gut, dass die FIA das Problem erkannt hat", findet Russell. "Es geht nicht nur um Katar. Auch andere Rennen werden stark von der Hitze beeinflusst. Sie ist seit Grosjeans Unfall ein größerer Faktor, da unsere Rennanzüge danach dicker wurden."
Bereits beim USA-GP in Austin sagt der Wetterbericht erneut extreme Temperaturen vorher, welche die Hitze in Katar sogar übersteigen. Die Maßnahmen der FIA lassen jedoch noch auf sich warten. "Die FIA sieht sich an, wie man die Sitze kühlen könnte", verrät Russell. "Das würde schon einen großen Unterschied machen."
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