Alexander Albon war der heimliche Held des turbulenten Formel-1-Rennens in Zandvoort. Der Williams-Pilot war das gesamte Wochenende über in bestechender Form, doch ein Strategiefehler im Regenchaos nach dem Start ruinierte ihm beinahe den Sonntag. Der Thailänder zählte zu den Fahrern, die nicht sofort auf Intermediates wechselten. Auf die kostspielige Fehlentscheidung folgte eine atemberaubende Aufholjagd mit noch mehr Taktikärger. Platz acht und das vierte Punkteresultat der Saison waren für Albon am Ende trotzdem ein versöhnlicher Rennausgang.

"Es ist eines dieser Rennen, bei dem jedes Team sagen kann, dass es ein bis zwei Positionen besser hätte abschneiden können, abgesehen vielleicht von Pierre [Gasly]", so der Williams-Pilot, der am Samstag im Qualifying sensationell auf den vierten Startplatz gefahren war. Die perfekte Ausgangslage ging mit dem Regenschauer in der ersten Runde den Bach herunter. Sieben Fahrer entschieden sich in der Startrunde für den Wechsel auf Intermediates, acht weitere zogen bis Runde vier nach - Albon war nicht dabei.

Er blieb auf dem Trockenreifen draußen, verlor über eine Minute auf den Führenden und wurde bis auf Platz 15 durchgereicht. "Ich glaube, ich bin ungefähr acht Mal beinahe gecrasht. Wenn der Grip einbricht, ist es so, als ob ein Schalter umgelegt wird. Die Reifen fangen dann an, zu vibrieren, weil sie so kalt werden", erklärt der 27-Jährige seinen Überlebenskampf in dieser kritischen Phase des Rennens.

Trotz der schwierigen Situation blieben er und sein Team im Gegensatz zu diversen Konkurrenten konsequent. Albon zog den Stint auf dem Soft-Reifen durch. Als es nach zehn Runden wieder abtrocknete, war dieser wieder der richtige Pneu. "Ich denke, wir haben das Richtige getan. Wir haben die Chance verpasst, auf Intermediates zu wechseln, also sind wir bei unserer Strategie geblieben", sagt er. "Es gab einige, die zu spät gewechselt haben. Da waren wir dann wieder in einer besseren Situation."

Zweimal katastrophales Timing für Albon

Erst in Runde 44 steuert er zum ersten Mal die Box an. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich wieder auf die fünfte Position vorgearbeitet und lag nur noch 25 Sekunden hinter dem an der Spitze fahrenden Max Verstappen. Nach dem Reifenwechsel griff er als Elfter wieder ins Geschehen ein und machte sich auf dem Medium-Reifen daran, die Punkteränge aufzumischen. Bis zum zweiten monumentalen Regenschauer in Runde 62 klappte das auch ziemlich gut.

Bis zum zweiten Boxenstopp in Runde 61 hatte er sich auf Platz sechs vorgearbeitet und lag weniger als zwei Sekunden hinter Pierre Gasly, der Vierter war. "Das Rennen lief eigentlich perfekt, doch dann kam die Ansage, dass in fünf Minuten wieder Regen kommt", so Albon, der bei seinem zweiten Reifenwechsel das denkbar schlechteste Timing erwischte. Er gab dabei nicht nur seine Track Position auf, sondern setzte auch noch auf den falschen Reifen.

"Es ist ziemlich hart, eine Runde zu früh an die Box gekommen zu sein. Als ich auf meinen neuen Medium-Reifen rauskam, dachte ich mir, dass das perfekt ist, weil der Grip so gut war", erklärt er. Die Freude hielt jedoch nicht lange an: "Als ich in den Kurven neun und zehn ankam, gab es einen Monsun und ich habe in vier Kurven etwa 20 Sekunden verloren. Es fühlte sich an, als wäre ich in Thailand."

Albon schöpft dank Zandvoort neue Hoffnung

Der zweite Strategiefehlschlag an diesem Tag warf ihn auf Rang neun zurück. Nach dem Restart profitierte er vom Duell zwischen Lando Norris und George Russell, bei dem sich der Mercedes-Pilot einen Reifenschaden zuzog. Albon sah die Zielflagge dadurch immer noch als Achter. Der Lohn waren vier WM-Zähler, durch die Williams in der Konstrukteurswertung an Haas vorbeigegangen ist und jetzt alleine auf der siebten Position liegt.

Viel wichtiger ist für ihn allerdings, dass Zandvoort ihm das bis dahin ungeahnte Potential des Williams FW45 aufgezeigt hat. "Die Pace, die wir dieses Wochenende hatten, hat all unser Wissen, welches wir über unser Auto hatten, über den Haufen geworfen", sagt er. "Um auf dem Soft-Reifen 44 Runden fahren zu können, brauchst du ein gutes Auto. Eines, das nicht rutscht und eine gute Balance hat. Das hatten wir das ganze Wochenende", freut er sich.

In einer Woche steht mit Monza ein Highspeed-Kurs auf dem Programm. Der Charakter der italienischen Traditionsrennstrecke hat mit Zandvoort zwar wenig gemeinsam, doch Hochgeschwindigkeitskurse waren bisher die Stärke des Williams. "Wenn wir die Pace von heute auch in Monza zeigen können, wären wir überglücklich", so Albon mit Blick auf das bevorstehende Rennwochenende. "Wir müssen aus diesem Rennen lernen und diese Lektionen am besten schon in Monza anwenden."