Zum ersten Mal geht Red Bull 2023 am Freitag nicht entspannt ins Bett. Denn zum ersten Mal sieht sich das Team nicht als Favorit, und das bestätigt auch die Trainings-Analyse zum Kanada-GP. An einem durchwachsenen Freitag geraten Max Verstappen und Sergio Perez nicht bloß im Ergebnis in Bedrängnis.

Ferrari, Mercedes, Aston Martin - der Druck kommt von allen Seiten. Aber ist es wirklich ein Durchbruch für die fleißig updatende Konkurrenz, oder liegt es an einem ausgefallenen Training und einem überraschenden 90-Minuten-Training?

Mercedes, Ferrari, Alonso: Alle schlagen Red Bull

Nachdem das 1. Training von defekten Streckenkameras lahmgelegt wurde, mussten 90 Minuten FP2, unterbrochen von zwei roten Flaggen, für die Teams reichen. Das Ergebnis spricht auf den ersten Blick eine deutliche Sprache: Die Mercedes von Lewis Hamilton und George Russell vorneweg. Dann Carlos Sainz, Fernando Alonso, Charles Leclerc. Max Verstappen landete mit 0,424 Sekunden Rückstand auf P6.

Der Rückstand ist echt. "Ich denke, wir hatten keinen guten Tag, vielleicht hatten sie einen guten Tag", stellt Verstappen nüchtern fest. "Wir kennen unsere Einschränkungen mit dem Auto, und diese Strecke passt mit ihren Bodenwellen und Kerbs wohl dem Paket momentan nicht." Der Zeitverlust baut sich durch die Schikanen bis zur Haarnadel auf, der Topspeed-Vorteil im DRS-Bereich reicht nicht.

Ferrari: Dazugelernt - oder von Kanada geholfen?

Dass die Konkurrenz vorrückt, ist nicht unbedingt überraschend. Alle haben sie in den letzten Rennen große Update-Pakete gebracht. Die zu verstehen dauert. Ferrari hatte in Barcelona nicht viel Zeit, ihre Teile zu validieren. Für Kanada sind sie mit mehr Daten deutlich besser gerüstet.

Mit hilft die Strecke. Barcelona war das schlimmstmögliche Szenario. Der Ferrari belastet die Reifen in langen Highspeed-Kurven schwer. In Montreal kommt es aber mehr auf das Beschleunigen raus aus den Kurven an. Dabei bietet der Ferrari viel Grip. Schlussendlich sieht alles besser aussortiert aus. Vor allem sind die Fahrer guter Laune.

"In Sachen Gefühl gehört der zu den guten Freitagen, ich hatte ein richtig gutes Gefühl im Auto", freut sich Leclerc. Prompt leistete er sich im Renn-Trimm auf Medium. ein enges Duell mit Verstappen und Fernando Alonso um die Führung in der Longrun-Tabelle.

FahrerSchnittStintlängeReifenalter
Verstappen1:17.563156
Leclerc1:17.6091222
Alonso1:17.77979
Gasly1:17.8681113
Sainz1:17.9411224
Albon1:17.9931719
Perez1:18.0171113
Norris1:18.0491517
Bottas1:18.098914
Piastri1:18.5381116
Hamilton *1:18.7821315
Russell *1:18.8051416
Sargeant1:19.3051923
Magnussen1:19.5861427

Die ist allerdings nicht leicht zu lesen, weil das verlängerte 90-Minuten-Trainings die Teams kalt erwischte. Keiner hatte so recht einen Plan, wie man die neu gewonnene Zeit am besten nutzen sollte. Red Bull fuhr kürzere Longruns und startete auf neuen Reifen. Ferrari fuhr länger auf alten.

Mercedes ruiniert die Kanada-Gleichung

An dieser Stelle muss es zurück zu Mercedes gehen. Auf eine Runde sind die traditionell im Qualifying Schwächelnden plötzlich vorne, aber im Renntrimm nirgendwo? Dafür müssen wir ein paar Schritte zum Anfang des Trainings zurückgehen. Hamilton eröffneten mit ihren Medium-Longruns, während alle anderen nur Setup-Tests fuhren.

Der Grund: Das Team hatte Angst vor dem drohenden Gewitter und maß den Longruns einer höheren Priorität zu. Die fuhr man nun aber auf einer sehr dreckigen Strecke. Eben weil FP1 nicht stattgefunden hatte und in der Pause nur eine Rahmenserie fuhr. Entsprechend schlecht waren die Rundenzeiten mit vollen Tanks.

Später verkehrte sich das Bild ins Gegenteil. Ferrari und Red Bull begannen schon nach 30 Minuten mit Qualifying-Simulationen. Mercedes fuhr die besten Runden nach 60 Minuten auf deutlich besserer Strecke. Realistisch gesehen ist das ganze Mercedes-Ergebnis damit für einen Vergleich wertlos.

Die Fahrer sind eben deshalb nur vorsichtig optimistisch. "Ich kann es nur mit dem Vorjahr vergleichen, und da ist es massiv besser", freut sich Hamilton. Nur das Heck macht noch immer Probleme. Auch mit den Bodenwellen kämpft Mercedes, aber das tun alle.

Aston Martin nächstes Team im Update-Modus

Auch Fernando Alonso fuhr seine beste Qualifying-Runde erst sehr spät. Damit sehen die Ferrari-Zeiten noch besser aus. Dann hängte er noch einen Blitz-Longrun an, der zwar gut war, aber eben auch bei den besten Bedingungen begann. Wie viel seine Zeit wert ist, das ist offen. Überhaupt ist bei Aston Martin noch sehr viel offen.

Mit neuer Heck-Verkleidung und neuem Unterboden angereist, hatte Aston Martin das erste Training zum Testen nutzen wollen. Nun wurde das ganze Programm in FP2 gezwängt. Außerdem testeten Alonso und Lance Stroll verschiedene Heckflügel. Bei all dem musste die Rennvorbereitung beschnitten werden. Alonso selbst will in sein Ergebnis nichts hineininterpretieren.

Die durchzogenen Fahrpläne des ungewöhnlichen 90-Minuten-Trainings verwässern das Bild. Ja, Ferrari, Red Bull und Aston Martin sahen gut aus, aber die Vergleichbarkeit litt unter unterschiedlichen Fahrplänen. Und dann gibt es da noch die Variable Regen. Die soll am Samstag so oder so kommen. Den ganzen Qualifying-Tag der Formel 1 heute in Kanada gibt es hier im Liveticker.

Formel 1 Kanada 2023: Der Zeitplan

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