16 Kilometer entfernt von der Küste des iberischen Meeres kreischen an einem sonnigen Sonntagnachmittag um 15:42 Uhr noch 19 V8-Motoren nahe der katalanischen Gemeinde Montmelo. Der Große Preis von Spanien 2013 befindet sich noch in vollem Gange. 52 Sekunden später wird Fernando Alonso die Herzen der 94.000 angereisten Fans höher schlagen lassen.

Links und rechts fliegt der Gummiabrieb der verschlissenen Pirelli-Reifen vom 39 Grad Celsius heißen Asphalt durch die Luft. Nach 66 Runden und vier Boxenstopps überquert Alonso in seinem Ferrari F138 im Schneckentempo die Ziellinie und lässt in Maranello die Kirchenglocken erklingen. "Grazie, Grazie, thank you", funkt Alonso routiniert an die Box. Vier Wochen nach dem Sieg in China holt der "Maestro" aus Asturien seinen lang ersehnten, zweiten Heimerfolg und damit den insgesamt 32. Rennsieg in seiner Formel-1-Karriere.

Der Spanien GP 2013 sollte das bisher letzte Rennen sein, das Fernando Alonso auf Platz 1 beendete , Foto: Sutton
Der Spanien GP 2013 sollte das bisher letzte Rennen sein, das Fernando Alonso auf Platz 1 beendete , Foto: Sutton

Mit seinem Sieg in Barcelona verkürzte Alonso den Abstand zum WM-Führenden und zu jener Zeit auch größten Rivalen des Spaniers: Sebastian Vettel. Motorsport-Magazin.com schrieb damals: "Fernando Alonso verlieh seinen Titelambitionen mit einem souveränen Sieg beim Spanien GP in Barcelona" Ausdruck. Innerhalb von zehn Jahren gewann Alonso 32 Rennen, zwei Weltmeisterschaften und schrammte an drei weiteren WM-Titeln (je 1, 5 und 3 Punkte Rückstand) vorbei. Zehn Jahre nach seinem bislang letzten Sieg in Spanien ist Alonso der Formel 1 noch immer in Bestform. Einziger Haken dabei: Er gewann in der Zwischenzeit kein einziges F1-Rennen mehr.

Alonso hievt Ferrari im Alleingang auf P4

Um zu verstehen, wie gut Alonso auch nach 2013 war, muss man nicht einmal die Rennen selbst gesehen haben. Ein Blick auf die WM-Wertung der Formel-1-Saison 2014 ist ausreichend: Kimi Räikkönen steuerte damals 55 Zähler zum vierten Platz in der Konstrukteurs-WM bei, Alonso sage und schreibe 161. Anders ausgedrückt: Ferrari hätte die Saison 2014 mit zwei Fahrern auf Räikkönen-Niveau auf dem sechsten statt dem vierten Platz beendet.

Nachdem Alonso 2013 mit Ferrari nur noch zwei Rennen gewann und 2014 mit Ferrari nur zwei Podestplätze holte, wechselte der Spanier 2015 ein zweites Mal zu McLaren - und fuhr nur noch zwei Mal in die Punkte. Honda, die bei McLaren als Werkspartner auf der Motorenseite einstiegen, stellten ein Aggregat zur Verfügung, das speziell auf den Geraden maßlos unterlegen war. Wäre das nicht schon ernüchternd genug gewesen, schied Alonso in den ersten sechs Rennen mit einer defekten Power Unit aus. Der sportliche Abstieg war perfekt.

Der verzweifelte Rettungsversuch seines defekten McLaren Honda blieb für Alonso ohne Erfolg, Foto: Sutton
Der verzweifelte Rettungsversuch seines defekten McLaren Honda blieb für Alonso ohne Erfolg, Foto: Sutton

Das Rennwochenende in Ungarn 2015 steht wie kaum ein anderes für Alonsos bedingungslose Einsatzbereitschaft: Auf dem Hungaroring, auf dem die Motorleistung nur eine untergeordnete Rolle spielt, rollte Alonsos MP4-30 in Q2 mit einem Defekt am Motor aus. In der Hoffnung, nach einer Reparatur doch noch eine Zeit setzten zu können, begann der Asturier, das Auto erst eigenhändig, dann mit Unterstützung der Marshalls an die Box zu schieben. Daraus wurde nichts, Alonso musste das Rennen von Startplatz 15 aufnehmen und beendet es im unterlegen McLaren auf dem fünften Platz.

Alonsos einzigartige Mentalität: Erster oder Verlierer, aber niemals kampflos

Bei McLaren wurde Alonso nicht mehr glücklich. 2018 pausierte der Spanier sein Formel-1-Kapitel und kam zwei Jahre später mit Alpine zurück. Wer an der Konkurrenzfähigkeit Alonsos zweifelte, wurde allerspätestens in Ungarn eines Besseren belehrt. Rundenlang hielt Alonso den heranstürmenden Lewis Hamilton zurück, widersetzte sich den Dauer-Attacken seines Ex-Teamkollegen und sicherte damit Esteban Ocons ersten Sieg in der Formel 1.

Im Duell mit Lewis Hamilton verschaffte Fernando Alonso seinem führenden Teamkollegen wertvolle Sekunden, Foto: LAT Images
Im Duell mit Lewis Hamilton verschaffte Fernando Alonso seinem führenden Teamkollegen wertvolle Sekunden, Foto: LAT Images

Wenige Monate später veredelte Alonso sein Comeback mit einem Podestplatz beim Katar GP - dem ersten seit 2014. 2023 ist der zweifache Weltmeister erstmals wieder Dauergast auf dem Podium. Alonso freut sich über die Podien, ist er deshalb zufrieden? Auf keinen Fall, wie der Spanier nimmermüde betont: "Bis zu dem Punkt, an dem du gewinnst, ändert sich nicht viel. Ob du jetzt Platz sieben, Platz drei oder Platz elf holst, das ändert nichts. Du gewinnst - oder du verlierst."