Alpine könnte nach dem doppelten Punkteresultat in Miami eigentlich beruhigt zum Europa-Auftakt in Imola reisen. Endlich gelang es der Mannschaft aus Enstone, das Potenzial ihres Autos in Punkte umzumünzen. Doch die Nachwehen des blamablen Baku-Wochenendes und des durchwachsenen Saisonstarts begleiten die Franzosen noch immer, wenn nicht sogar mehr denn je.

Im Rahmen des Miami-Wochenendes teilte Alpine-CEO Laurent Rossi gegen das F1-Team aus. "Die Entwicklungskurve ist nicht gut. Wir müssen so schnell wie möglich die Mentalität des Teams ändern", kritisierte Rossi gegenüber der offiziellen F1-Webseite. Anlass für diese scharfen Worte ist, dass die Saisonziele der Renault-Marke schon früh zu scheitern drohen. Vor dem Saisonbeginn wurde die Verteidigung der vierten Position in der Konstrukteurs-WM angepeilt, sowie eine Verminderung des Abstands zu den Topteams.

Alpine verpatzt Saisonstart: P5 wäre ein Misserfolg

Das erste Ziel ist nach fünf Saisonrennen schon in weite Ferne gerückt. Alpine ist im Durchschnitt nur das fünftschnellste Team in der Königsklasse und konnte bislang selbst diese Stellung nur vereinzelt im Rennergebnis beweisen. Die magere Bilanz von 14 Punkten und P6 in der Team-Meisterschaft spricht für sich. "Die Mannschaft hat es geschafft, Vierter zu werden. Sie hat die Mittel, um Vierter zu werden, mehr als andere. Wenn sie es nicht schaffen, wäre es ein Misserfolg", betonte Rossi.

Rossi stellt neben seiner allgemeinen Kritik auch klar, dass er die Ausreden des Teams satt habe. "In diesem Jahr gibt es viele Ausreden, die zu schlechten Leistungen und einem Mangel an operativer Exzellenz führen. Ich muss das in Angriff nehmen, ich brauche die richtigen Leute, um das in Angriff zu nehmen", so Rossi.

Laurent Rossi: Ausreden führen zu schlechten Leistungen, Foto: LAT Images
Laurent Rossi: Ausreden führen zu schlechten Leistungen, Foto: LAT Images

Rossi hat Ausreden satt: Ressourcen-Mangel nicht das Problem

Ein Argument, warum der Aufwärtstrend von Alpine gestoppt worden sei, ist der Mangel an Ressourcen und technischen Gegebenheiten im Vergleich zu den Topteams wie Red Bull oder Mercedes. "Unsere Simulations-Tools sind nicht auf dem neuesten Stand der Technik. Unser Simulator ist 15 oder 20 Jahre alte Technologie", betonte Otmar Szafnauer noch in Miami.

Eine Erklärung, die Rossi besonders stört. Der Markenboss ärgerte sich: "Aston Martin hat viel weniger Ingenieure als wir. Sie besitzen noch keinen eigenen Windkanal, sie haben ihr neues Werk noch nicht in Betrieb genommen. Die hyperschnelle Entwicklung gelang ihnen, da sie die richtigen Leute ins Team holten. Deshalb tut es mir leid, aber ich kaufe diese Ressourcen-Ausrede nicht ab."

Alpine-Boss: Szafnauer ist verantwortlich

Diese Einstellung im Team zu ändern, sei aber nicht seine Aufgabe, sondern jene des Teams. Eine Nachricht an Teamchef Szafnauer, den er direkt in die Pflicht nahm. "Er ist verantwortlich für die Performance des Teams - das ist sein Job. Da kann man sich nicht verstecken. Otmar wurde geholt, um das Team zu steuern und das in Richtung der Ziele, die wir haben. Ja, Otmar tut nicht alles alleine, aber am Ende ist es Otmars Verantwortung."

Rossi betonte zwar, dass Alpine in der Formel-1-Saison 2022 ein großer Schritt gelungen sei, deshalb ist es für ihn aber umso unverständlicher, warum diese Entwicklung sich 2023 nicht fortsetzt. "Es sind mehr oder weniger dieselben Leute, deshalb kann ich nicht akzeptieren, dass wir diese Route nicht beibehalten können."

"Wir starteten hinter den Entwicklungszielen in die Saison. Es fehlt uns an Performance verglichen mit wo wir stehen wollten", analysierte der Markenchef. "Wir haben viele Fehler gemacht, zu viele Fehler. Wenn man diese schwache Performance mit dem Mangel an operativer Exzellenz zusammennimmt, dann deutet das auf eine schwierige Saison hin, die vor uns liegt."

Alpine-Kollision Australien: Einer der Tiefpunkte einer noch jungen Saison, Foto: LAT Images
Alpine-Kollision Australien: Einer der Tiefpunkte einer noch jungen Saison, Foto: LAT Images

Rossi warnt vor Konsequenzen: Werde nicht bis Jahresende warten

Die Warnung von Rossi an die Teamführung ist deutlich: "Wenn sie scheitern, obwohl sie 500 Prozent gegeben haben und das Ruder herumreißen, dann sind das mildernde Umstände und es ist ein gutes Zeichen für die Zukunft. Wenn nicht, dann wird es Konsequenzen geben. Und ich werde nicht bis zum Ende des Jahres warten."

Szafnauer wurde in Miami von den scharfen Ansagen überrascht. Er habe erst durch die Medien etwas von der Kritik seines Vorgesetzten am Team mitbekommen. "Ich habe nur die Überschrift gesehen, ich hatte noch keine Zeit es zu lesen", so Szafnauer.

Alpines Formel-1-Boss: Aus der Zeitung von Rossi-Kritik erfahren

"Ich weiß nicht, warum er das gesagt hat. Aber etwas in einer Zeitung zu lesen, macht uns nicht mehr Druck", behauptete er. Dennoch kündigte der Formel-1-Routinier an, das Gespräch mit dem Franzosen zu suchen. Szafnauer widersprach dem von Rossi diagnostizierten Mentalitätsproblem: "Wir alle wollen gute Leistungen abliefern, wir haben viele erfahrene Techniker und Ingenieure auf höchstem Level. Wir machen uns selbst am meisten Druck."

Die nächsten Entwicklungsschritte im 100-Rennen-Plan, den Alpine vor einigen Jahren ausgab, sind ebenfalls angelaufen. Wie Szafnauer bestätigte, befindet er sich auf der Suche nach neuen Mitarbeitern, um etwa die Aerodynamik-Abteilung weiter aufzustocken. Außerdem bestellte das Team im letzten Monat einen neuen Simulator. Dieser soll aber erst in eineinhalb bis zwei Jahren nach Enstone geliefert werden. Ob zu jenem Zeitpunkt noch Otmar Szafnauer beim Formel-1-Team von Alpine die Fäden in der Hand hält, ist alles andere als sicher.

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Team-Tabelle

  • 1. Red Bull (224 Punkte)
  • 2. Aston Martin (102 Punkte)
  • 3. Mercedes (96 Punkte)
  • 4. Ferrari (78 Punkte)
  • 5. McLaren (14 Punkte)
  • 6. Alpine (14 Punkte)
  • 7. Haas (8 Punkte)
  • 8. Alfa Romeo (6 Punkte)
  • 9. AlphaTauri (2 Punkte)
  • 10. Williams (1 Punkte)