An der Spitze ist die Formel-1-WM 2023 bislang eine klare Sache. Red Bull dominiert nach Belieben, doch dahinter wirkt das Feld bunt durchgewürfelt. Vor allem am Ende des Feldes ist noch alles offen. Eine Reihe an Teams befinden sich in der Verlosung um den unrühmlichen zehnten Platz in der Konstrukteurs-WM. Jeder konnte schon mindestens einmal anschreiben, aber irgendein Team muss schließlich Letzter werden. Wer hat die schlechtesten Karten im Kampf gegen die rote Laterne? Die Stärken und Schwächen der vier Kandidaten.

Haas

Stärke: Qualifying-Pace
Es lässt sich bereits darüber diskutieren, ob man Haas überhaupt im Kampf um die letzte Position auflisten sollte. Haas machte den stärksten Eindruck aller in diesem Artikel genannten Teams. Bei einem sauberen Rennverlauf kann der VF-23 um Punkte mitkämpfen. An zwei der ersten drei Rennwochenenden konnte der US-Rennstall sogar Zähler einfahren. Mit sechs Punkten in Australien und einem Zähler aus Jeddah liegt das Team derzeit bei sieben Punkten auf P7 in der WM.

Die ganz große Stärke des Autos liegt aber auf einer Runde. Im Qualifying-Trimm befindet sich der US-Rennstall bislang eher im vorderen Mittelfeld auf einem Level mit Alpine und sogar vor McLaren. Nico Hülkenberg erreichte zweimal Q3, nur in Saudi-Arabien musste er mit dem 11. Platz vorlieb nehmen. Mit einem durchschnittlichen Qualifying-Rückstand von 1,15 Prozent liegt Haas sogar knapp vor Alpine auf P4.

Schwäche: Entwicklung
Sorgenfalten entwickelten sich bei Haas in dieser Saison allerdings beim Blick auf den Longrun und damit auf den Reifenverschleiß. An jedem Rennwochenende 2023 war dieser nach dem Qualifying das bestimmende Thema. Teilweise begründet, teilweise unbegründet, wie man nach einigen Rennen feststellte. Das etwas größere Problem könnte allerdings die allgemeine Fahrzeug-Entwicklung sein.

Haas ist historisch gesehen nicht für gute Weiterentwicklung bekannt. 2022 fiel man im Laufe der Saison aufgrund seltener Upgrades rapide zurück. 2021 verzichtete Haas aus strategischen Überlegungen auf Anpassungen, 2020 blieben Punkte das ganze Jahr über eine Seltenheit und ein Jahr zuvor verrannte man sich für einen Großteil der Saison in der aerodynamischen Entwicklung. In diesem Jahr ist die finanzielle Basis geschaffen, um besser zu entwickeln. Aber nachdem erfolgreiche Upgrades seit Jahren nicht gelangen, erscheint die Frage berechtigt, ob Haas im Upgrade-Rennen Schritt halten kann.

Alfa Romeo

Stärke: Fahrer-Konstanz
Nach einer einzelnen Stärke bei Alfa-Sauber zu suchen ist relativ schwierig. Allgemein hat das Auto des Schweizer Teams wohl im Rennen seine Stärken, es konnte aber auch nicht auf jeder Strecke überzeugen.

Immerhin befand sich in allen drei Rennen immer mindestens ein Pilot im C43 in Reichweite der Punkte, wenn auch manchmal nur mit Glück. Große Fahrfehler leisteten sich im bisherigen Saisonverlauf weder Routinier Valtteri Bottas noch Guanyu Zhou, der bislang seinen finnischen Teamkollegen in den Schatten stellen konnte. Das erleichtert natürlich die Aufgabe, Punkte abzustauben, sobald es was zu holen gibt.

Schwäche: Qualifying
Auf eine Runde liest sich die Statistik von Alfa Romeo aber im Vergleich zum Rennen schon viel eher wie jene eines Hinterbänkler-Teams. Q3 besuchte man in diesem Jahr noch nicht, zwei zwölfte Startplätze waren bislang das Highlight. In Australien endete der Arbeitstag von Valtteri Bottas und Guanyu Zhou schon in Q1.

Man kann sich nicht immer darauf verlassen, dass die beiden Fahrer im engen Mittelfeld durch den Rennverlauf noch ihren Weg in die Top 10 finden. In Bahrain half ein guter Start von Bottas, in Australien das Chaos am Rennende. Ohne diese beiden Ausreißer würde die Bilanz schon viel düsterer aussehen.

AlphaTauri

Stärke: Entwicklungsplan
Der AT04 ist definitiv nicht das Meisterstück aus Faenza. Es ist wenig überraschend, dass das Auto von AlphaTauri bislang im Durchschnitt der schwächste Qualifier war. Im Gegensatz zum Williams, der sehr selektiv ist und mit den richtigen Strecken-Charakteristiken aufblüht, lässt sich beim Auto des zweiten Red-Bull-Teams bislang in diesem Jahr noch keine akute Stärke ausmachen.

Das Vorjahres-Auto war immerhin auf Strecken mit vielen langsamen Ecken schnell, so wie etwa in Monaco oder Baku. Dieses Jahr war die Formel 1 auf einem Streckentyp dieser Art noch nicht unterwegs. Einen weiteren Hoffnungsschimmer gibt es: Eine Reihe von Upgrades wurden angekündigt, das erste kam schon beim GP in Australien. Der Fokus liegt dabei auf dem Unterboden.

Schwäche: Erfahrung
Es hapert in Faenza an mehreren Baustellen. Eine davon ist die allgemeine Teamharmonie, nachdem Teamboss Franz Tost öffentlich seinen Ingenieuren das Vertrauen absprach. Eine Kritik, die das Team nach außen hin schnell relativierte. Was sich nicht so schnell relativieren lässt, ist der Mangel an Erfahrung der beiden Fahrer im Red-Bull-Juniorteam.

Nyck de Vries zeigte in seinen ersten Rennen mit AlphaTauri, dass er noch einiges lernen muss. Vier Zehntel Rückstand auf den Teamkollegen sind noch zu viel. Wenigstens leistete er sich keine selbst verschuldeten Unfälle. Yuki Tsunoda muss nach zwei fehlerbehafteten Jahren auch beweisen, dass er die nötige Reife mitbringt, um das Team anzuführen. Immerhin: In den ersten drei Rennen zeigte er durchwegs gute Leistungen, auch wenn sich das in der Punkteausbeute nicht immer widerspiegelt.

Williams

Stärke: Topspeed
Dass die Diskussion über P10 in der Meisterschaft überhaupt aufkommt, ist in erster Linie dem überraschend starken Williams zu verdanken. Vor der Saison kalkulierte selbst Alex Albon nur mit dem letzten Rang. Nach drei Rennen, einer Q3-Teilnahme, einem Punkt und zahlreichen weiteren potenziellen Zählern, die im australischen Reifenstapel verloren gingen, ist der Rennstall deutlich optimistischer gestimmt.

Wie schon im Vorjahr kann der Bolide aus Grove in den Highspeed-Passagen seine Stärken ausspielen. In Australien war Albon im zweiten Sektor eine Macht, die Topspeed-Tabellen führte das Auto regelmäßig an. Punkte sind wahrscheinlich nicht in allen Rennen möglich, aber wenn es bei einem Grand Prix auf Spitzengeschwindigkeiten ankommt, ist mit Williams zu rechnen.

Schwäche: Langfristige Strategie
Nein, hier geht es nicht um die Strategie des Teams während dem Rennen. Diese mag zwar im bisherigen Saisonverlauf auch nicht immer aufgegangen sein, aber viel bedeutender könnte sich in der Endwertung der Formel-1-Saison 2023 der langfristige Plan des neuen Teamchefs James Vowles zu Buche schlagen. Dieser kündigte nämlich an, dass das Team seine Prioritäten auf 2024 und darüber hinaus legt.

Heißt im Klartext: Alles, was in den kommenden Jahren Erfolg bringen könnte, genießt Vorrang, das Ergebnis in der F1-Saison 2023 wird erst einmal hintenangestellt. Dementsprechend könnte Williams praktisch freiwillig wieder die letzte Position einnehmen. Eine Platzierung, die vor dem Saisonstart sowieso als unvermeidbar galt - ehe der FW45 die eigenen Erwartungen übertraf.

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Team-Tabelle

  • 1. Red Bull (123 Punkte)
  • 2. Aston Martin (65 Punkte)
  • 3. Mercedes (56 Punkte)
  • 4. Ferrari (26 Punkte)
  • 5. McLaren (12 Punkte)
  • 6. Alpine (8 Punkte)
  • 7. Haas (7 Punkt)
  • 8. Alfa Romeo (6 Punkte)
  • 9. AlphaTauri (1 Punkt)
  • 10. Williams (1 Punkt)