Vor ziemlich genau einem Jahr befand sich Aston Martin in einer tiefen Krise. Nach dem Horror-Wochenende in Australien hielt der britische Rennstall bei null Punkten und war Letzter in der Konstrukteurs-WM. Statt Erfolg gab es Unfälle, Ausfälle und Strafen. Zwölf Monate später ist das Team zurück an der Weltspitze und Fernando Alonso zurück auf dem Podium. Wie Aston Martin die Auferstehung gelang.

Krack: Musste Personal schon nach Hause schicken

"Du musst die Leute nach Hause schicken, damit sie überhaupt ihre Familien sehen", berichtet Mike Krack von der derzeitigen Euphorie bei Aston Martin. "Du kannst es nicht verstehen, wenn du nicht dabei warst." Der Hype um das Team war seit der Übernahme von Lawrence Stroll und dem Rebranding von Racing Point in Aston Martin groß. Den konnte der britische Rennstall bis auf wenige Lichtblicke (Sebastian Vettel in Baku und Budapest) nicht erfüllen. Bis jetzt.

Fernando Alonso feierte in Saudi-Arabien sein 100. Podium, Foto: LAT Images
Fernando Alonso feierte in Saudi-Arabien sein 100. Podium, Foto: LAT Images

2023 hat Aston Martin jetzt schon zwei Podien nach zwei Rennen und hält mit 38 Punkten Platz zwei in der Konstrukteursweltmeisterschaft. "Wir können mit Sicherheit sagen, dass wir uns substantiell verbessert haben", so Krack. Jetzt gelte es, sich durch den Höhenflug nicht ablenken zu lassen und nie den Fokus zu verlieren. "Aber ich habe da keine Bedenken, niemand verliert den Boden unter den Füßen." Zu frisch noch die Erinnerung an den letzten Misserfolg.

Aston Martin: Neustart mit dem grünen Red Bull

"Wir hatten letztes Jahr einen wirklich schwierigen Start", erinnert sich Performance-Direktor Tom McCullough. Die guten Abtriebswerte im Windkanal entsprachen nicht der Realität, dazu kamen Probleme mit Porpoising und mit Lawrence Stroll ein ungeduldiger Teambesitzer. Alles sah nach einer Katastrophen-Saison aus.

Aston Martin war 2022 hauptsächlich mit Feuerlöschen beschäftigt, Foto: LAT Images
Aston Martin war 2022 hauptsächlich mit Feuerlöschen beschäftigt, Foto: LAT Images

Barcelona markierte einen Neustart beim Team. Das alte, nicht funktionierende Konzept wurde verworfen und auf das Red-Bull-Schema gewechselt. Motto: Weg von den stark unterschnittenen Seitenkästen, hin zum Downwash-Prinzip. "Letztes Jahr sind wir einen Weg gegangen, der nicht der richtige war. Das haben wir akzeptiert und geändert", gesteht McCullough. "Das ganze Jahr hinweg haben wir unser Auto dann weiterentwickelt und verbessert."

Aston Martin: Schlechtes Auto zumindest gut für Teambuilding

"Wir waren alle enttäuscht, als wir zu Beginn so langsam waren", erinnert sich der ehemalige Ingenieur von Nico Hülkenberg. Doch es konnte auch Positives daraus gezogen werden: "Wenn man nicht so konkurrenzfähig ist, aber weiß, wo man hinwill, bringt das die Leute zusammen. So war das bei uns letztes Jahr."

Ein wichtiges Puzzlestück des Aston-Martin-Aufstieges waren die Neuverpflichtungen von Dan Fallows von Red Bull und Eric Blandin von Mercedes. "Wir waren zuvor schon auf einem guten Weg. Aber diese Jungs brachten ein ganz anderes Level an Erfahrung und Wissen mit. Von zwei der besten Teams", erklärt McCoullough. Das hat die Arbeitsweise und Motivation noch weiter verbessert.

Dan Fallows war bei Red Bull die rechte Hand von Adrian Newey, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool
Dan Fallows war bei Red Bull die rechte Hand von Adrian Newey, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Mit Red Bull und Mercedes zum Aston-Martin-Weg

"Eric und Dan war dabei besonders wichtig, eine Atmosphäre für kreatives Denken zu schaffen", erzählt Aston Martins Perfomance-Direktor. Von Anfang an waren sie zufrieden mit den Ideen und den Fähigkeiten des Personals. "Was sie aber wirklich mit zur Party gebracht haben: Ihre Führungsqualitäten, ihre Richtung, ihren Wetteifer und ihren Antrieb."

"Es geht nicht darum, Dinge auf die Red-Bull-Art oder die Mercedes-Art zu machen. Sondern darum, einen besseren Weg zu erfinden - den Aston-Martin-Weg", meint Dan Fallows in Aston Martins 'Undercut'. "Den Aston-Martin-Weg, mit dem man Grands Prix gewinnt." Der technische Direktor von Aston Martin lernte sein Handwerk bei Red Bull von Aerodynamik-Papst Adrian Newey höchstpersönlich.

Sein Stellvertreter Eric Blandin, ebenfalls Aerodynamiker, war fünf Jahre bei Red Bull, bevor er kurz zu Ferrari und dann elf Jahre zu Mercedes ging. Der AMR23 ist das erste gemeinsam designte Auto der Star-Ingenieure. Erste Priorität: Das Porpoising in den Griff zu bekommen und eine stabile aerodynamische Plattform zu schaffen.

Ohne Vettel kein Recycling: Aston Martin wirft AMR22 in die Tonne

"Wir haben mehr als 90 Prozent verändert, aerodynamisch sogar 95 Prozent", berichtet Blandin ebenfalls im teaminternen 'Undercut'-Interview. Der AMR22 wurde zum Versuchskaninchen für seinen Nachfolger. "Wir haben so viel ausprobiert und davon gelernt. Das hat sich schon zu Saisonende in der verbesserten Performance gezeigt." Vom Tabellenkeller ging es für Aston Martin nach der Sommerpause stetig nach oben. Rang sechs in der WM wurde knapp durch ein besseres Einzelergebnis von Valtteri Bottas an Sauber verloren.

Vorteil davon: Mehr Zeit im Windkanal und für CFD-Simulationen. Als Siebter in der WM steht Aston Martin 100 Prozent (320 Windkanalruns und 2.000 CFD-Runs) des Kontingentes zu. Red Bull hat nur 63 Prozent, Ferrari 75 und Mercedes 80. "Das hilft natürlich. Aber ich glaube nicht, dass das der dominante Faktor war", erklärt McCullough. "Sondern mehr die Umstrukturierungen und das Lernen aus unseren gemachten Fehlern während des gesamten letzten Jahres." Und Fernando Alonso.

Der Alonso-Faktor in der Formel 1

"Das ist eigentlich das letztjährige Auto, nur mit Fernando Alonso hinterm Steuer", lacht der Ingenieur. Aber ernsthaft: "Fernando hatte einen riesigen Einfluss auf das Team: Seine Motivation, sein Verlangen, seine Erfahrung, sein Wissen. Das ist außergewöhnlich und treibt uns noch mehr an."

Zum ersten Mal in der Teamgeschichte erzielte Aston Martin zwei aufeinanderfolgende Podien, Foto: LAT Images
Zum ersten Mal in der Teamgeschichte erzielte Aston Martin zwei aufeinanderfolgende Podien, Foto: LAT Images

Fernando Alonsos Fahrstil sei – ähnlich wie der von Max Verstappen – ganz besonders. "Es gibt Fahrer, wie Fernando und Max, die fahren diese schnellen Autos mit viel Abtrieb wie Go-Karts. Das ist absolut außergewöhnlich!", staunt Fallows. Max Verstappen kennt er noch gut von seiner Zeit in Milton Keynes.

"Haben wir erwartet, gleich so weit vorn zu sein? Nein. Ist es schön, dort zu kämpfen? Ja. Wird es einfach sein, dort zu bleiben? Nein", so Tom McCullough. Der Start ist geglückt, jetzt soll es aber weiterhin so gut weitergehen. "Unser Ziel ist es, die Hölle aus diesem Auto zu entwickeln", verrät er die Strategie, wie das gelingen soll. "Wir werden versuchen, so nah an sie [Red Bull] dranzukommen, wie möglich."

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Fahrer-Tabelle

  • 1. Max Verstappen (44 Punkte)
  • 2. Sergio Perez (43 Punkte)
  • 3. Fernando Alonso (30 Punkte)
  • 4. Carlos Sainz (20 Punkte)
  • 5. Lewis Hamilton (20 Punkte)
  • 6. George Russell (18 Punkte)
  • 7. Lance Stroll (8 Punkte)
  • 8. Charles Leclerc (6 Punkte)
  • 9. Valtteri Bottas (4 Punkte)
  • 10. Esteban Ocon (4 Punkte)
  • 11. Pierre Gasly (4 Punkte)
  • 12. Kevin Magnussen (1 Punkt)
  • 13. Alexander Albon (1 Punkt)
  • 14. Yuki Tsunoda (0 Punkte)
  • 15. Nico Hülkenberg (0 Punkte)
  • 16. Logan Sargeant (0 Punkte)
  • 17. Guanyu Zhou (0 Punkte)
  • 18. Nyck de Vries (0 Punkte)
  • 19. Oscar Piastri (0 Punkte)
  • 20. Lando Norris (0 Punkte)

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Team-Tabelle

  • 1. Red Bull (87 Punkte)
  • 2. Aston Martin (38 Punkte)
  • 3. Mercedes (38 Punkte)
  • 4. Ferrari (26 Punkte)
  • 5. Alpine (8 Punkte)
  • 6. Alfa Romeo (4 Punkte)
  • 7. Haas (1 Punkt)
  • 8. Williams (1 Punkt)
  • 9. AlphaTauri (0 Punkte)
  • 10. McLaren (0 Punkte)