Kollegen sollten eigentlich miteinander arbeiten und den jeweiligen Arbeitgeber voranbringen. In der Formel 1 sind Teamkollegen dazu da, das bestmögliche Ergebnis für ihren Rennstall herauszuholen. Eigentlich. Denn häufig steht der eigene Erfolg für einen Fahrer über dem Willen des Teams. Besonders wenn es um eine Weltmeisterschaft geht, kann es teamintern regelrecht zum Krieg kommen. Bei Red Bull deutet sich 2023 eine solche Situation an, aber es gab sie auch schon zuvor. Wir blicken zurück auf die In-Team-Feinde der Formel 1.

Max Verstappen und Sergio Perez

"Checo ist eine Legende", jubelte Max Verstappen am Boxenfunk im Abu Dhabi Grand Prix 2021, als sein neuer Teamkollege WM-Rivale Lewis Hamilton in einem geschickten Zweikampf für mehrere Sekunden aufhielt. Auch wenn es noch den Unfall von Nicholas Latifi und eine umstrittene Safety-Car-Entscheidung brauchte, um Max Verstappen erstmals zum Formel-1-Weltmeister zu machen, so waren bei Red Bull alle voller Dankbarkeit für Sergio Perez' heroischen Einsatz. Mit dem Mexikaner schien man in Milton Keynes endlich wieder einen Partner für Verstappen gefunden zu haben, der sowohl auf als auch neben der Strecke zum Niederländer passte.

Für seinen Einsatz gegen Hamilton feierte Verstappen Perez noch, Foto: LAT Images
Für seinen Einsatz gegen Hamilton feierte Verstappen Perez noch, Foto: LAT Images

Im Folgejahr knüpfte das Erfolgsduo nahtlos an die Vorleistungen an und sicherte Red Bull souverän beide Titel, doch die Beziehung zwischen den beiden Piloten änderte sich gewaltig. Schon beim Monaco Grand Prix soll die Verstappen-Seite Perez einen absichtlichen Unfall im Qualifying vorgeworfen haben, um den Niederländer auszubremsen. Dies wurde jedoch erst bei der nächsten Eskalationsstufe so richtig bekannt: Beim Brasilien Grand Prix verweigerte Verstappen eine Teamorder, welche Perez im Kampf um die Vizemeisterschaft helfen sollte. Der Niederländer stand zu diesem Zeitpunkt bereits als Titelträger fest.

Red Bull betonte, man würde die Angelegenheit intern klären. Zum nächsten Grand Prix in Abu Dhabi wurde Einigkeit demonstriert. 2023 brauchte es aber nur zwei Rennen, bis die Fassade bröckelte. Max Verstappen fuhr beim Saudi-Arabien Grand Prix im letzten Umlauf die schnellste Runde und sicherte sich so den Zusatzzähler, welchen zuvor Perez innehatte. Es ging um die WM-Führung. Dabei waren beide Piloten eigentlich angehalten gewesen, dass Rennen mit Zielzeiten zu beenden. Perez hielt sich daran, Verstappen nicht. Die Stimmung bei Red Bull ist mehr als angespannt.

Lewis Hamilton und Nico Rosberg

Lewis Hamilton und Nico Rosberg pflegten schon seit ihren Kart-Zeiten eine Freundschaft, welche sie auch in der Formel 1 weiterführten. Auf der Strecke hatten sie dabei zunächst aber wenig miteinander zu tun. Während Hamilton bei McLaren um Siege und Weltmeisterschaften fuhr, waren für Rosberg bei Williams und in den Anfangsjahren von Mercedes nur Punkte und gelegentlich Podestplätze möglich. Als Rosberg in Melbourne 2008 als Dritter seinen ersten Pokal einheimste, wurde er von Sieger Lewis Hamilton frenetisch gefeiert.

Lewis Hamilton gratuliert Nico Rosberg zum ersten Podestplatz, Foto: Sutton
Lewis Hamilton gratuliert Nico Rosberg zum ersten Podestplatz, Foto: Sutton

Dies ging auch ab 2013 zunächst noch so weiter, als die beiden Teamkollegen bei den Silberpfeilen wurden. Beim Bahrain Grand Prix 2014 zeigten sie ein Duell für die Ewigkeit und feierten danach ihr Rennen. Diese Bilder wurden jedoch immer seltener, als es allmählich um den WM-Titel ging. In Belgien kam es erstmals zur Kollision, welche zum Ausfall bei Hamilton und Frontflügelwechsel bei Rosberg führte. Für Rosberg gab es auf dem Podest Buhrufe zu hören. Hamilton gewann letztendlich den Titel, Rosberg musste seine Chance im letzten Rennen aufgrund eines Defekts begraben.

2015 entwickelte sich früh zu einer klaren Sache für Hamilton. Der Brite konnte seinen Titel bereits drei Rennen vor Schluss mit einem Sieg in Austin eintüten. Nach dem Rennen war Rosberg allerdings aufgebracht über ein aggressives Manöver Hamiltons, mit dem sich der Brite am Start die Führung gesichert und seinen Teamkollegen abgedrängt hatte. Im Fahrerraum schleuderte der Deutsche die Kappe des Zweitplatzierten in Richtung Hamilton, nachdem dieser sie ihm zugeworfen hatte. Bei der Podiumszeremonie versprühte Rosberg aus Protest keinen Champagner.

2016 folgte die komplette Eskalation. Beim Start des Spanien Grand Prix kollidierten die beiden, es kam zum Doppelausfall. Mercedes-Boss Niki Lauda sah in Hamilton den Schuldigen. Die folgenden Worte der Teamoberen schienen aber keine Wirkung zu zeigen. In Österreich kam es zur nächsten Kollision, bei der Rosberg wegen eines Flügelschadens von Eins auf Vier zurückfiel. Das Publikum buhte Sieger Hamilton aus, Niki Lauda sah die Schuld diesmal bei Rosberg, ebenso wie die Stewards. Toto Wolff schäumte und nannte die Kollision "hirnlos". Am Ende holte Rosberg den Titel und trat danach zurück. Eine erneute Saison an der Seite Hamiltons wollte er sich nicht antun.

Die Mercedes-Kollision in Spanien 2016, Foto: LAT Images
Die Mercedes-Kollision in Spanien 2016, Foto: LAT Images

Sebastian Vettel und Mark Webber

2009 stieß Sebastian Vettel von Toro Rosso zum Hauptteam Red Bull und wurde Teamkollege von Mark Webber. In diesem Jahr machte die Mannschaft dank neuer Regeln den Sprung zum Spitzenteam, doch beide Titel gingen an Brawn. 2010 war der Red Bull dann das beste Auto im Feld, auch wenn er Probleme mit der Standfestigkeit hatte. Beide Piloten entwickelten sich zu Titelkandidaten neben Fernando Alonso im Ferrari und den beiden McLaren von Lewis Hamilton und Jenson Button.

Es kam, wie es kommen musste: Beim großen Preis der Türkei kollidierten die beiden in Führung liegend. Vettel schied aus, Webber fiel auf Rang Drei zurück. Red Bull beharrte darauf, dass sie Vettel nicht bevorzugt behandeln würden, doch Webber zweifelte daran. In Silverstone kam die Bestätigung für den Australier, denn Red Bull brachte zwei neue Frontflügel zum Rennen. Als Vettels Flügel einen Defekt hatte, bekam er den neuen Flügel von Webber. Beim Start des Rennens holte sich Vettel einen Reifenschaden durch eine Berührung mit Lewis Hamilton. Webbers Weg zum Sieg war frei. Er kommentierte danach: "Nicht schlecht für einen Nummer-Zwei-Fahrer." Am Ende holte dennoch Vettel den Titel und stieg, auch leistungsmäßig, zur klaren Nummer Eins bei Red Bull auf.

In der Türkei krachte es zwischen Vettel und Webber, Foto: Sutton
In der Türkei krachte es zwischen Vettel und Webber, Foto: Sutton

Webbers Nummer-Zwei-Dasein hielt für die nächsten Jahre an, doch gab es 2013 noch einmal gewaltigen Zoff. Beim Malaysia Grand Prix führte Webber vor Vettel. Die Fahrzeuge erhielten den Befehl 'Multi 21', was bedeutete: Auto mit der Nummer 2 (Webber) vor Auto mit der Nummer 1 (Vettel). Mit anderen Worten: Positionen halten und den Doppelsieg nach Hause bringen. Vettel hielt sich nicht daran, überholte Webber und gewann. Danach lagen die Nerven beim Australier blank. Vettel entschuldigte sich beim Team und Webber. Der Australier gewann danach kein Rennen mehr und beendete seine Formel-1-Karriere Ende des Jahres.

Zwischen Webber und Vettel herrschte Eiszeit nach 'Multi 21', Foto: Sutton
Zwischen Webber und Vettel herrschte Eiszeit nach 'Multi 21', Foto: Sutton

Lewis Hamilton und Fernando Alonso

Diese Rivalität kam unerwartet. McLaren-Neuzugang und Titelverteidiger Fernando Alonso hatte Teamchef Ron Dennis vor der Saison 2007 sogar noch davor gewarnt, dass er die Teamwertung riskieren könnte, wenn er Rookie Lewis Hamilton ins zweite Cockpit setzten würde. Dieser Rookie fuhr allerdings von Anfang an wie ein alter Hase. In seinen ersten neun Grand Prix erreichte der Brite stets das Podest und führte die WM an. Alonso sah seine Felle davonschwimmen und orchestrierte eine Blockade-Aktion gegen Hamilton im Qualifying des Ungarn Grand Prix. Sein Verhalten wurde von den Stewards bestraft, Ron Dennis war erbost wie wohl noch nie zuvor.

Alonso wurde angesichts seiner bestehenden Titelchancen zwar nicht rausgeworfen, aber er war nurmehr ein Ausgestoßener innerhalb des Teams. Der Spanier rächte sich durch seine Rolle im Spionage-Skandal, welcher McLaren 100 Millionen Dollar Strafe und den Ausschluss aus der Konstrukteurs-WM einbrachte. Auf der Strecke kamen sich Hamilton und Alonso zwar nicht mehr ins Gehege, doch verpassten sie beide den WM-Titel um einen Punkt gegen Kimi Räikkönen im Ferrari. Im November trennten sich McLaren und Alonso in beiderseitigem Einvernehmen. Hamilton wurde die neue Nummer 1 des Rennstalls und gewann im Folgejahr den Titel.

Fernando Alonso musste sich Rookie Lewis Hamilton geschlagen geben, Foto: Sutton
Fernando Alonso musste sich Rookie Lewis Hamilton geschlagen geben, Foto: Sutton

Alain Prost und Ayrton Senna

Die Mutter aller Stallduelle und das, obwohl die beiden nur für zwei Jahre Teamkollegen waren. 1988 stieß der hochtalentierte Brasilianer Ayrton Senna zu McLaren, wo er neben dem damals schon zweifachen Weltmeister Alain Prost fuhr, der seit 1984 im Team war. McLaren baute mit Honda-Motoren ausgestattet ein Wunderauto. Von Anfang an war klar: Der WM-Kampf geht nur über die beiden Teamkollegen. Erstaunlicherweise verblieb es in dem dominanten Jahr für McLaren erstaunlich ruhig. Senna holte seinen ersten Titel dank der Streichresultatregelung. Nur beim Portugal Grand Prix war Prost erbost, da Senna ihn in Richtung der Boxenmauer gedrängt hatte.

In Imola ging Senna trotz angeblicher Absprache an Prost vorbei, Foto: Sutton
In Imola ging Senna trotz angeblicher Absprache an Prost vorbei, Foto: Sutton

1989 hingegen explodierte das Duell der beiden besten Rennfahrer ihrer Zeit regelrecht. Prost witterte eine Intrige gegen ihn. Ron Dennis hatte dies mit Aussagen beim Frankreich Grand Prix befeuert, als er behauptete, dass es Unterschiede zwischen den Honda-Motoren der beiden Autos zum Nachteil des Franzosen gäbe. Beim San Marino Grand Prix kam es zur ersten Fehde zwischen den Fahrern. Senna überholte Prost beim Restart, obwohl es eine teaminterne Absprache gegeben haben soll, die dies verbat. Prost war zunehmend erzürnt, aber der Saisonverlauf entwickelte sich aufgrund von Defekten und Kollisionen bei Senna trotzdem in seine Richtung.

Beim vorletzten Rennen in Suzuka kam es zum großen Knall. Senna musste gewinnen, um seine Titelchancen aufrecht zu erhalten. Prost führte, doch Senna griff ihn in Runde 46 in der letzten Schikane an. Prost lenkte ein und die beiden McLaren landeten nach Berührung in der Auslaufzone. Prost fiel aus, Senna wurde von den Marshalls auf die Strecke zurückgeschoben und gewann. Für diese illegale Hilfe erhielt er jedoch die Disqualifikation. So wurde Prost Weltmeister. Senna sah sich verraten und vermutete FIA-Präsident Jean-Marie Balestre, ein Landsmann Prosts, hinter der Disqualifikation. Prost erklärte, eine weitere Saison mit Senna sei für unmöglich, und floh in Richtung Ferrari. Dort kämpfte er 1990 erneut mit Senna um den Titel. Wieder in Japan nahm Senna seine Revanche: Er schoss Prost in Kurve Eins ab und sicherte so seinen zweiten Titel ab.