Um die Fahrer vor dem lästigen Porpoising zu schützen, mussten die Formel-1-Teams ihre Fahrzeuge 2023 geringfügig umbauen. Die Unterbodenränder wurden von der FIA um 15 Millimeter angehoben, der Diffusor-Tiefpunkt um 10 Millimeter. Laut FIA-Berechnungen sollten die Teams dadurch 15 bis 20 Punkte Abtrieb verlieren, in Rundenzeit umgerechnet rund 0,5 Sekunden.

Doch die natürliche Entwicklung über den Winter sollte den Regel-bedingten Verlust an Abtrieb mehr als nur kompensieren. Die Formel 1 startete 2022 in eine neue Ära. Auf Chassis-Seite war es die umfangreichste Regeländerung der Formel-1-Geschichte. Zu Beginn einer Regelperiode sind die Entwicklungsschritte besonders groß, die Entwicklungskurve flacht erst mit den Jahren ab.

Trotz der aerodynamischen Einschränkungen waren die Rundenzeiten beim Saisonauftakt 2023 in Bahrain fast eine Sekunde schneller als im Vorjahr. Max Verstappen umrundete den 5,412 Kilometer langen Bahrain International Circuit in dieser Saison in 1:29,708 Minuten und damit um 0,850 Sekunden schneller als Vorjahres-Polesetter Charles Leclerc.

Diät hilft Formel-1-Autos 2023

Dafür gibt es mehrere Gründe. Einerseits das Gewicht. Zwar hat die FIA das Mindestgewicht von 798 Kilogramm nicht wie ursprünglich angekündigt um zwei Kilogramm abgesenkt, aber die meisten Autos wurden trotzdem leichter. Denn beim Saisonstart 2022 hatten fast alle Boliden noch Babyspeck auf den Rippen.

Einzig der Alfa-Sauber soll sich schon Anfang 2022 am Minimum eingefunden haben. Wohl auch ein Grund dafür, weshalb Sauber absolut gesehen den kleinsten Schritt gemacht hat. Der C43 war im Qualifying nur 0,117 Sekunden schneller als sein Vorgänger.

Vor allem Red Bull kämpfte Anfang 2022 mit reichlich Übergewicht. Im Laufe der Saison konnte man zwar das ein oder andere Kilogramm loswerden, den großen Sprung schaffte man aber erst mit dem neuen Monocoque 2023.

Pirelli senkt Luftdruck für mehr Grip

Neben dem Gewicht und der noch steilen Entwicklungskurve halfen den Teams auch die neuen Reifen. Die neue C1-Mischung ist dabei irrelevant, im Qualifying kam 2022 und 2023 jeweils der C3 zum Einsatz. Aber Pirelli entwickelte eine neue Konstruktion.

Die soll vor allem dabei helfen, das lästige Untersteuern loszuwerden. Gleichzeitig ist die strukturelle Integrität der Pirelli-Pneus höher. Als Folge konnten die Italiener die vorgeschriebenen Mindestdrücke am Start absenken. An der Vorderachse galten 2023 21,0 PSI statt 22,5 PSI, an der Hinterachse ging es sogar von 20,5 auf 18,5 PSI herunter.

Autos 2022 überall schneller - außer in langsamen Kurven

Neben der verbesserten Balance haben die Pneus dadurch auch einen größeren Fußabdruck. Infolgedessen konnte der mechanische Grip verbessert werden. Trotzdem sind die neuen Autos in den langsamen Kurven sogar langsamer. In mittelschnellen und schnellen Ecken ist die Generation 2023 überlegen, auch auf den Gerade wurde zugelegt. Nur in langsamen Ecken verliert die neue Formel 1.

Das dürfte mit dem Setup zusammenhängen. Porpoising war beim Saisonstart kein Thema mehr. Die Teams konnten ihre Boliden wieder näher und härter in Richtung Fahrbahn abstimmen. Das bringt Abtrieb, vor allem in schnellen Kurven. In langsamen Ecken wird dadurch aber das mechanische Setup kompromittiert.

Nur wenige Teams konnten sich in allen Belangen verbessern. Allen voran natürlich Aston Martin. Absolut fand der Rennstall in den letzten 12 Monaten 2,4 Sekunden. Der AMR23 ist überall besser als sein Vorgänger.

Um immerhin 1,2 Sekunden konnte sich Williams steigern. Damit fährt der Traditionsrennstall noch immer weit hinten im Feld, konnte aber den Anschluss ans Mittelfeld schaffen. Red Bull liegt bei der absoluten Verbesserung auf Rang drei. Das überrascht nicht. Der RB18 wurde über die Saison hinweg schon deutlich schneller, nun stimmt auch noch das Gewicht. Aus einem guten Auto wurde im Laufe des Jahres 2022 ein sehr gutes, aus einem sehr guten über den Winter ein überragendes.

Mercedes, Alpine, Haas, McLaren und Ferrari nahmen sich bei der Entwicklung nicht viel. Alle fünf fanden in den vergangenen 12 Monaten zwischen fünf und sieben Zehntelsekunden. AlphaTauri ist bislang die größte Enttäuschung: 2022 nicht besonders konkurrenzfähig, 2023 nur zwei Zehntelsekunden schneller.

Formel 1 2023 schnell, aber nicht am schnellsten

Allerdings ist Bahrain nur eine Momentaufnahme. Für das wahre Kräfteverhältnis und für relevantere Entwicklungsschritte braucht es noch mehr Rennen auf unterschiedlichen Rennstrecken. Nur die absolute Performance, so viel steht fest, ist trotz der Regeleinschnitte besser als 2022.

Zum Allzeit-Rekord in Bahrain fehlt aber noch etwas. Lewis Hamilton fuhr 2020 im Q3 in 1:27,264 Sekunden um den Wüsten-Kurs. Dabei war die alte Fahrzeuggeneration 52 Kilogramm leichter.

In den schnellen Kurven ist die Generation 2023 schon fast auf 2020er Niveau. In den langsamen und mittelschnellen Ecken drückt einerseits das Gewicht, andererseits kann der Ground-Effekt seine Wirkung nicht entfalten.