Das Performance-Fazit des Formel-1-Saisonauftakts in Bahrain ist relativ einfach: Red Bull fährt in einer eigenen Liga, Fernando Alonso dahinter, und dahinter wiederum Ferrari und Mercedes. Aber wer war wirklich wie schnell? Die Motorsport-Magazin-Rennanalyse mit den Details zum Saisonstart 2023.

Dass Ferrari ein Reifenproblem haben würde, war schon bei den Testfahrten absehbar - für alle, außer Ferrari. Die Scuderia wollte vor dem Rennstart zumindest öffentlich nichts davon wissen. Und auch nach dem Rennen redete sich Teamchef Fred Vasseur die Welt noch schön. Weil Red Bull im Rennen zweimal Soft fuhr, wäre der Rückstand etwas verfälscht.

Ferrari-Teamchef redet sich Niederlage schön

Dabei macht Vasseur gleich zwei Fehler: Einerseits ist genau die angeführte fehlende Vergleichbarkeit Ferraris Problem. Der SF-23 hätte die Renndistanz von 57 Runden nicht mit zwei Soft-Stints überstanden. Schlicht und ergreifend, weil die Rote Göttin keine Verächterin des Pirelli-Gummis ist.

Der zweite Fehler liegt darin, anzunehmen, dass Max Verstappens Soft-Stint die Lücke größer gemacht hat. Das hätte sein können, traf jedoch in der Praxis nicht ein. Denn der Weltmeister hatte schon nach dem ersten Stint einen derart komfortablen Vorsprung, dass er den Mittel-Stint schon mit angezogener Handbremse fuhr, um die Soft-Pneus ja nicht zu überstrapazieren.

Charles Leclerc hatte im ersten Stint freie Fahrt und zu Beginn des zweiten Stints ebenfalls. Im ersten Stint, als sowohl der Ferrari- als auch der Red Bull-Pilot auf Soft fuhren, ging die Schere deutlich weiter auseinander. Verstappen fuhr im Schnitt sieben Zehntelsekunden pro Runde schneller. Im Mittelstint fehlten Leclerc in freier Fahrt nur drei Zehntel.

Die Überlegenheit des Red Bull gegenüber dem Ferrari war noch eklatanter als auf den ersten Blick ersichtlich. Einerseits maskierte Verstappens gemütliche Fahrweise nach dem ersten Stint die wahre Performance. Andererseits kam Leclerc aufgrund seines Ausfalls gar nicht mehr an den Punkt, an dem es Reifen-technisch überhaupt spannend geworden wäre.

Leclerc wechselte in Runde 13 von Soft auf Hard, in Runde 33 von Hard auf Hard. Sein Mittel-Stint dauerte folglich 20 Runden. Am Ende brachen seine Rundenzeiten bereits ein. Sein letzter Stint wäre über 24 Runden gegangen. Teamkollege Carlos Sainz hatte seinerseits im Finale schon erheblich mit seinen Pneus zu kämpfen.

Alonso auch ohne Leclerc-Ausfall auf dem Podium?

Hätte, wäre, wenn - die spannendsten Fragen nach dem Rennen lauteten: Hätte es Fernando Alonso auch ohne Leclerc-Ausfall aufs Podium geschafft? Und wie wäre das Rennen des Spaniers verlaufen, wenn er am Start nicht von fünf auf sieben zurückgefallen wäre?

Fernando Alonso (2. Auto rechts hinten) rutschte beim Start zurück, Foto: LAT Images
Fernando Alonso (2. Auto rechts hinten) rutschte beim Start zurück, Foto: LAT Images

Bei Ferrari glaubt man fest an das Leclerc-Podium. Aber bei Ferrari erkannte man vor dem Rennen auch keine Probleme mit dem Reifenverschleiß. Neun Sekunden fuhr Charles Leclerc vor seinem Ausfall vor Teamkollege Carlos Sainz. Zehn Sekunden lagen am Ende zwischen Fernando Alonso auf Rang drei und seinem Landsmann bei Ferrari.

Rechnerisch hätte es also für Alonso auch ohne Leclerc-Ausfall gereicht. Aber zwei Faktoren werfen zumindest Zweifel auf: Beim Überholen tat sich der Routinier schwer. Der Topspeed des Aston Martin war nicht besonders gut, deswegen musste sich Alonso seine Gegner nach allen Regeln der Kunst zurechtlegen.

Und: Leclerc war der schnellere der beiden Ferrari-Piloten und der Monegasse geht üblicherweise pfleglicher mit seinen Gummis um als der Teamkollege. Er hätte seinen Vorsprung auf Sainz aller Voraussicht nach weiter ausgebaut. Seine Reifen waren außerdem noch zwei Runden frischer. Hätte, wäre, wenn: Alonso hätte es wohl ohne freundliche Mithilfe von Ferraris Zuverlässigkeit nicht aufs Podium geschafft.

Alonso nach schlechtem Start im Verkehr

Leichtes Spiel hätte Alonso gehabt, wäre er am Start nicht hinter beide Mercedes zurückgefallen, während Leclerc sogar an Perez vorbeigehen konnte. Bis zum Überholmanöver gegen Sainz in Runde 45 fuhr Alonso fast ausschließlich im Verkehr. Dabei verlor er nicht nur Zeit, sondern nahm die Reifen auch härter ran.

Trotzdem sah man phasenweise das volle Potential des Aston Martin AMR23 aufblitzen. Als am Ende des ersten Stints die beiden Mercedes-Piloten vor Alonso zum Reifenwechsel kamen, konnte der Asturier sogar am Ende des Stints auf den alten Soft-Reifen noch schneller fahren. Eigentlich ist der Undercut in Bahrain so wirksam wie auf keiner anderen Strecke. Weil Alonso noch Performance in petto hatte und weil der Russell-Stopp 1,2 Sekunden länger dauerte, blieb der Aston-Martin-Pilot vorne.

Den gesamten zweiten Stint verbrachte Alonso dann hinter Lewis Hamilton - bis der in Runde 30 in die Box abbog. Bei Aston Martin ließ man sich dazu verleiten, gleich nachzuziehen. "Wir hatten einen Plan im Kopf und den haben wir durchgezogen", so Teamchef Mike Krack. Alonso verlor zwar im Fernduell gegen Hamilton, der nun mit frischen Reifen unterwegs war, aber in freier Fahrt konnte er selbst auf den alten Reifen noch deutlich die Pace anziehen.

Vier Runden später kam Alonso dann zum Stopp. Der Hamilton-Undercut spielte Aston Martin in die Karten. Weil Alonso seine wahre Pace - auch auf den alten Reifen - fahren konnte, gewann Hamilton auf den frischen Reifen nicht übermäßig viel Zeit. Stattdessen traf Alonso gleich wieder auf Hamilton und hatte vier Runden frischere Pneus.

Als Alonso Hamilton nach einem sensationellen Zweikampf überholt hatte, fuhr er sofort wieder deutlich schnellere Zeiten, ehe er auf Sainz auflief. Als auch der Ferrari-Pilot bezwungen war, wurden die Rundenzeiten sofort wieder schneller.

Alonsos Rennen zeigt nicht nur, dass der Aston Martin extrem sorgsam mit den Reifen umgeht - trotz Zweikämpfen. Es zeigt vor allem, dass der AMR23 in jeder Lage deutlich schneller hätte fahren können.

Mercedes auch kein gutes Rennauto mehr

Fehlt noch die Mercedes-Pace in dieser Analyse. Eigentlich sollte der schwarze Silberpfeil im Rennen seine womöglich einzige Stärke ausspielen: Rennpace. Darauf ruhten die Mercedes-Hoffnungen nach einem schwierigen Wochenende. Doch auch im Dauerlauf konnte der F1 W14 nicht überzeugen.

Dass der Aston Martin überlegen war, war offensichtlich. Die zwei wirklich schlechten Nachrichten waren andere. Einerseits, wie überlegen der Red Bull RB19 auch im Renntrimm war. Man war davon ausgegangen, dass man einem Rückstand hinterherlaufen würde. Sicherlich, Hamilton hatte im ersten Stint keine freie Fahrt, aber er hing Carlos Sainz auch nicht im Getriebe. Im Schnitt verlor der Rekordsieger der Formel 1 im Startstint mehr als anderthalb Sekunden pro Runde auf Verstappen.

Genauso schlimm: Man war im Renntrimm nicht einmal besser als Ferrari. Ja, Hamilton kam am Ende nah an Sainz ran, musste seine Attacken aber schnell wieder einstellen. Auch ihm gingen die Reifen ein. Im Mittelstint konnte er mit dem Ferrari nicht mithalten. Dabei ging man eigentlich davon aus, dass man zumindest Ferrari im Rennen im Griff haben würde.

Zwei Faktoren sorgten dafür, dass Mercedes nicht einmal in der letztjährigen Paradedisziplin glänzen konnte. Einerseits war der Reifenverschleiß generell etwas niedriger als erwartet. Das half Ferrari zumindest etwas. Andererseits fuhren die Silberpfeile mit kleineren Heckflügeln. Das half auf eine Runde, kostete aber im Renntrimm, sodass man gegenüber Ferrari keinen wirklichen Vorteil mehr hatte.

Formel 1 Bahrain 2023: Das Ergebnis

P.FahrerTeamZeit
1Max VerstappenRed Bull1:33:56.736
2Sergio PérezRed Bull+ 11.987
3Fernando AlonsoAston Martin+ 38.637
4Carlos Sainz Jr.Ferrari+ 48.052
5Lewis HamiltonMercedes+ 50.977
6Lance StrollAston Martin+ 54.502
7George RussellMercedes+ 55.873
8Valtteri BottasAlfa Romeo+ 1:12.647
9Pierre GaslyAlpine+ 1:13.753
10Alexander AlbonWilliams+ 1:29.774
11Yuki TsunodaAlphaTauri+ 1:30.870
12Logan SargeantWilliams1 Runde
13Kevin MagnussenHaas1 Runde
14Nyck de VriesAlphaTauri1 Runde
15Nico HülkenbergHaas1 Runde
16Zhou GuanyuAlfa Romeo1 Runde
17Lando NorrisMcLaren2 Runden
18Esteban OconAlpine/DNF
19Charles LeclercFerrariDNF
20Oscar PiastriMcLarenDNF