Als der Japan GP 2022 nach zwei Runden wegen starken Regens mit Rot unterbrochen wurde, rannte Pierre Gasly wutentbrannt in Richtung Rennleitung. Der AlphaTauri-Pilot war kurz zuvor nur knapp an einer Tragödie vorbeigeschrammt, als in hohem Tempo bei schlechter Sicht ein Bergungsfahrzeug auf der Strecke passierte.
Nach einem schwachen Qualifying und Startplatz 17 hatte sich AlphaTauri vor dem Rennen dazu entschieden, die Parc-ferme-Regeln zu brechen und das Setup an Gaslys Boliden konsequent auf Regen-Bedingungen anzupassen. Der Franzose musste dem Feld deshalb aus der Box hinterherfahren.
Bei seiner Aufholjagd fuhr er in eine Werbebande, die zuvor beim Unfall von Carlos Sainz in Kurve 12 auf die Strecke gewirbelt wurde. Die Bande beschädigte Gaslys Frontflügel und verhedderte sich in der Nase des AlphaTauri, weshalb er am Ende der Startrunde an die Box kommen musste.
Gasly ordnete neben dem Nasenwechsel auch den Wechsel von Intermediates auf Regenreifen an. Sportlich war der Boxenstopp kein großer Verlust, weil die Rennleitung inzwischen das Safety Car auf die Strecke geschickt hatte.
Als der Franzose aus der Box fuhr, versuchte er das Feld wieder einzuholen. Dabei kam es zur haarsträubenden Szene, in der er nur knapp an einem Bergungsfahrzeug vorbeifuhr. Das Bergungsfahrzeug war in der Safety-Car-Phase in Richtung Strecke gefahren, um den havarierten Boliden von Carlos Sainz abzutransportieren.
Sergio Perez, der dem Safety Car auf Rang drei folgte, beschwerte sich schon über das Bergungsfahrzeug, das direkt neben der Ideallinie stand. Allerdings folgte das Feld Bernd Mayländer im langsamen Tempo. Pierre Gasly passierte die Stelle fast im Renntempo.
Gasly-Szene weckt Erinnerungen an Bianchi-Unfall
Schon am Funk rastete Gasly völlig aus. "Oh Gott, was ist das? Was macht dieser Traktor auf der Strecke? Ich bin direkt daran vorbeigefahren, das ist inakzeptabel! Was ist passiert? Ich kann es nicht glauben", funkte er. In der Rennunterbrechung verlieh er seinem Unmut zunächst am Kommandostand und später in der Rennleitung weiter Ausdruck.
Die Szene ist besonders heikel, weil Jules Bianchi 2014 ausgerechnet in Suzuka in ein Bergungsfahrzeug krachte und im Jahr darauf seinen schweren Verletzungen erlag. Seither gab es diverse Maßnahmen, die Sicherheit zu verbessern - unter anderem wurde das Virtuelle Safety Car eingeführt, damit es nicht mehr im Ermessen der Fahrer liegt, wie stark die Geschwindigkeit reduziert werden muss.
Die FIA erklärte in einem Statement, dass das Rennen bereits unterbrochen war, als Gasly die Unfallstelle passiert hatte. Tatsächlich ist auf den Onboard-Aufnahmen die Rote Flagge zu sehen, allerdings erreichte die Meldung über die Rennunterbrechung Gasly erst just in dem Moment, als er die Unfallstelle erreichte.
Stewards untersuchen Zwischenfall: Strafe für Gasly
Trotzdem muss sich auch Gasly Kritik gefallen lassen. Fuhr er zu schnell? Vor der Roten Flagge offenbar nicht. Denn auch wer nicht direkt hinter dem Safety Car ist, muss sich zumindest in den ersten beiden Runden der Safety-Car-Phase an ein Geschwindigkeitsprofil halten, das durch Delta-Zeiten überwacht wird. Hier kam es zu keinem Verstoß.
Allerdings musste sich Gasly nach dem Rennen dennoch vor den Stewards verantworten. Der Vorwurf: Nachdem die Rennleitung auf Rot entschied, fuhr Gasly nach dem Zwischenfall zu schnell an die Box zurück. Die Stewards befanden den Franzosen für schuldig, mehrmals auf dem Weg zurück an die Box fuhr Gasly noch schneller als 200 Stundenkilometer, in der Spitze sogar 251 km/h.
Die fällige Durchfahrtsstrafe wurde nach dem Rennen in eine 20-Sekunden-Strafe umgewandelt. Sportlich verschmerzbar, Gasly fällt lediglich von Rang 17 auf Rang 18 zurück. Dabei ließen die Stewards sogar noch Gnade walten. Als mildernde Umstände führte man an, dass Gasly nicht komplett mit Volldampf zurück an die Box fuhr und zudem noch von der Szene mit dem Bergungsfahrzeug unter Schock stand.
Der 26-Jährige geht mit der Entscheidung der FIA nicht d'accord: "Ich habe mich an die Delta-Zeiten gehalten, ich war sogar neun Sekunden langsamer. Ich habe alles korrekt gemacht. Der Kran hätte nicht dort sein dürfen."
Gasly schimpft: Ich hätte tot sein können!
Auch nach dem Rennen war Gasly noch entsprechend aufgebracht: "Ich hätte tot sein können, wenn ich den Kran gefahren wäre. Wenn ich wie Carlos Aquaplaning gehabt hätte, würde ich nicht mehr hier stehen. Jules [zu verlieren] war extrem schmerzhaft. Es war auf der gleichen Strecke bei den gleichen Bedingungen und mit einem Kran. Ich glaube nicht, dass es ihm und seiner Familie gegenüber respektvoll ist."
Trotzdem stehen - vor allem aufgrund der Bianchi-Erfahrungen - Rennleitung und FIA derzeit am Pranger. Alexander Wurz, Präsident der Fahrergewerkschaft GPDA, meldete sich auf Twitter zu Wort: "Ich glaube, wir müssen den Traktor auf der Strecke besprechen. Wir können es kurzhalten: Das darf nicht passieren." Im Worldfeed der TV-Übertragung wurde die Szene nicht gezeigt.
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