Ferrari hatte ausgerechnet vor dem Heimspiel in Monza das große Zittern. Mit einem Auto, das nicht für Topspeed gebaut ist, an die schnellste Strecke des Formel-1-Kalenders zu reisen, stimmte niemanden zuversichtlich. Erst recht, da genau dieser Bereich die Stärke von Red Bull ist. Den ganzen Qualifying-Tag der Formel 1 heute in Monza gibt es hier im Liveticker.

Die Ergebnisse der Freitags-Trainings zum Italien-GP kamen überraschend. Charles Leclerc führte FP1 und Carlos Sainz FP2 an. Max Verstappen war beide Male geschlagen. Ganz so gut sieht es zwar nicht aus, das Bild ist trügerisch - aber Ferraris Gegenwehr fällt in Monza stärker aus als zuletzt. Das könnte die Tür für einen Heimsieg der Scuderia durch Charles Leclerc öffnen. Erst recht, weil beide Red Bulls Grid-Strafen haben. Außer Ferrari spielte am Freitag ein falsches Spiel.

Leclerc bekommt Monza-Pole auf dem Präsentierteller serviert

Die Pole hat Leclerc so oder so schon in den Händen. Red Bull wechselte bei beiden Autos in Monza den Verbrennungsmotor, was Max Verstappen fünf und Sergio Perez zehn Strafplätze eintrug. Obendrauf müssen Carlos Sainz und Lewis Hamilton von ganz hinten losfahren, weil sie die komplette Power Unit getauscht haben.

Damit bleiben nur zwei Fahrer aus der Spitzengruppe übrig, um die Pole unter sich auszumachen: Charles Leclerc und George Russell. Und Mercedes war am Freitag nirgendwo. Bei Max Verstappen stellt sich nun eher die Frage, wie weit er nach hinten muss. Sollte er das Qualifying auf dem ersten Platz beenden, dann wäre das immerhin Startplatz sechs für ihn. Und dass er im Shortrun mit Leclerc mithalten kann, sieht wahrscheinlich aus.

Red Bull vermutet: Ferrari dreht im Monza-Training Motor hoch

Dass Carlos Sainz mit 1:21,664 die Tagesbestzeit vor Verstappen holte, ist nämlich ein leicht verfälschtes Bild. Sainz war der Einzige aus der Spitzengruppe, der einen halbwegs sauberen ersten Versuch hinbekam. Verstappen verbremste sich auf seinem ersten Run, Leclerc baute einen Fehler ein und wurde dann von einer roten Flagge ausgebremst. Beide fuhren ihre beste Zeit erst im zweiten Anlauf.

Trotzdem war Verstappen in den Sektoren zwei und drei der Schnellste. Nur in Sektor eins verlor er Zeit auf Leclerc. "Wenn du schaust, wie der Topspeed aussieht, dann sind da nicht die gleichen Motor-Modi gefahren worden", mutmaßt Red Bulls Motorsportchef Dr. Helmut Marko danach.

Formel 1 Monza, 2. Training - Rundenzeiten der Top-3

P.FahrerSektor 1Sektor 2Sektor 3Zeit
1Sainz27,22927,34527,091:21,664
2Verstappen27,41527,32927,0631:21,807
3Leclerc27,37827,39827,0811:21,857

Verstappens Beschleunigungswerte aus den Kurven heraus waren im 2. Training klar schlechter als die der Ferraris. Am Messpunkt nach der Curva Grande fehlten ihm auf den Push-Runden immer ungefähr 5 km/h auf Leclerc. Auch in den Topspeed-Messungen war Ferrari schnell, nur mit DRS war der Red Bull schneller.

Mit hinein spielt da, dass Red Bull einen größeren Heckflügel fährt. "Wohl etwas mehr Abtrieb als die anderen Autos, aber noch immer Low-Downforce", sagt Verstappen. Perez testete eine getrimmte Variante mit Ausschnitt am oberen Element in FP1, doch die Idee wurde in FP2 wieder verworfen.

Red Bull fährt in Monza mit relativ großem Heckflügel, Foto: LAT Images
Red Bull fährt in Monza mit relativ großem Heckflügel, Foto: LAT Images

Ferrari hingegen hat einen Monza-Flügel ausgepackt. Den fuhr das Team bisher nur in Spa in FP2, wo er überhaupt nicht funktionierte. Aber Spa braucht auch mehr Abtrieb. "Seit FP1 war das Auto in einem viel besseren Fenster als in Spa", meint Carlos Sainz. "Die Zeiten gingen leichter von der Hand." Doch selbst mit allen diesen Faktoren landete Verstappen am schnellsten Topspeed-Messpunkt nur knapp hinter dem besten Ferrari. Das sind keine guten Nachrichten für die Scuderia.

Red Bull setzt Ferrari im Longrun unter Druck

Für Verstappen ist eine gute Qualifying-Performance wichtig. Im Idealfall schlägt er Leclerc und startet vom sechsten Platz. Je näher er an Leclerc dran ist, desto größer sind seine Sieg-Chancen. Im Longrun war er auf dem Medium-Reifen der schnellste Fahrer, Sainz war drei Zehntel weg und auf einem Level mit Perez, der sich allerdings mit einem Verbremser das Reifen-Leben schwer machte.

Formel 1 Monza, 2. Training - Longruns auf Medium

P.FahrerZeitRundenReifenalter
1Verstappen1:25,8821123
2Sainz1:26,324620
3Perez1:26,381921
4Alonso1:26,6321423
5Hamilton1:26,848715
6Norris1:26,9931021
7Tsunoda1:27,1971627
8Latifi1:27,314515
9Magnussen1:27,492816
10Zhou1:27,525517
11Stroll1:27,751818

"Wir sind näher dran als erwartet", meint Sainz trotzdem. Red Bull fuhr in FP2 nur Medium. Ferrari und Mercedes splitteten, Leclerc fuhr nur Soft. Trotz einer Reihe an Ausritten und Fehlern sogar sehr gut. Er war selbst über die Distanz schneller als Hamilton, der beide Reifen fuhr und nach dem späten Wechsel auf Soft daher mit weniger Benzin unterwegs war.

Formel 1 Monza, 2. Training - Longruns auf Soft

P.FahrerZeitRundenReifenalter
1Leclerc1:25,763417
2Hamilton (spät)1:26,063410
3Norris (spät)1:26,09318
4Russell1:26,439713
5Gasly1:26,713617
6Stroll (spät)1:26,83029
7Bottas1:26,968615
8Ricciardo1:27,129813
9Zhou (spät)1:27,275413
10Vettel1:27,478616

Formel 1 Monza, 2. Training - Longruns auf Hard

P.FahrerZeitRundenReifenalter
1Bottas (neu)1:26,885611
2Ocon1:27,036922
3Ricciardo (spät)1:27,362213
4Albon1:27,645716

Mercedes dümpelte auch im Renntrimm im Nirgendwo. Hamiltons Medium-Zeiten waren gar auffällig schlecht, er rutsche ins Mittelfeld ab. Das Handling war nicht gut, das Auto setzte selbst im Longrun zu oft auf, und die Leistungs-Abgabe des Hybrid-Systems passte den Fahrern nicht. "Generell fehlt es uns an elektrischer Abgabe hier, ähnlich wie bei Red Bull", urteilt George Russell. "Ferrari scheint die Oberhand zu haben, das kann im Rennen schwierig werden."

Wer steht am Start zwischen Leclerc und Verstappen?

Das Mittelfeld spielt in Monza aufgrund der vielen Motor-Strafen eine wichtige Rolle. Wer steht zwischen Leclerc und dem bestraften Verstappen? Lando Norris meldete mit einer starken FP2-Runde erste Ansprüche an, er hatte sogar die Mercedes geschlagen. "Aber das war eine gute Runde, wie eine echte Quali-Runde", winkt der McLaren-Pilot ab. Die Longruns untermauern: Alpine ist wohl vierte Kraft, Norris für Fernando Alonso und Esteban Ocon höchstens im Qualifying eine Gefahr.

Unter dem Strich sind Russell, Norris, Alonso und Ocon die klaren Anwärter darauf, sich die Startplätze zwei bis fünf auszufahren. Für Russell ist nichts garantiert. Alpine könnte Mercedes auch im Rennen zumindest unter Druck setzen. Dass allen diesen Fahrern im Longrun relativ zur Spitze deutlich Zeit fehlt, sind gute Nachrichten für Verstappen. In Monza ist es auch mit langen Geraden und harten Bremszonen nämlich nicht ganz so einfach zu überholen, weil alle mit so wenig Abtrieb fahren, dass die durch den Windschatten hervorgerufene Topspeed-Differenz im Rennen nicht so groß ist.

Auch der DRS-Effekt ist reduziert, DRS-Züge sind immer eine Gefahr. Obendrauf ist der Reifenverschleiß gering, und auch der Pace-Unterschied zwischen den Reifenmischungen. Eine Einstopp ist so gut wie sicher, und laut Pirelli ist es selbst bei einem frühen Safety Car möglich, mit Hard durchzufahren.

Leclerc und Ferrari: Chance auf Monza-Sieg noch intakt

Wie schnell Verstappen also in der Anfangsphase des Rennens nach vorne kommt wird kritisch. Leclerc und Ferrari scheinen einen kleinen Nachteil über die Distanz zu haben, aber bislang wirkt er nicht zu groß. Rechnet man alle Faktoren zusammen, kann es für einen Leclerc-Sieg also reichen. Aber die Zahlen legen nahe, dass Verstappen wieder im schnellsten Auto sitzt. Mit starker Gegenwehr ist zu rechnen.