McLaren geht nach einem chaotischen Fahrermarkt-Sommer in der Formel 1 als großer Sieger im Streit um Oscar Piastri vom Platz. Das Contract Recognition Board der FIA, welches Vertragsstreitigkeiten schlichtet, gab McLaren einstimmig recht und wies die Gegen-Argumente von Piastris Noch-Arbeitgeber Alpine ab.

Am Abend stellten sich McLarens Motorsport-Chef Zak Brown und Teamchef Andreas Seidl für 20 Minuten im Zandvoort-Fahrerlager den Fragen. Auch der Kritik - hatte nicht erst letzte Woche Alpine, beziehungsweise der dortige Teamchef Otmar Szafnauer Piastris Integrität in Zweifel gestellt. McLaren verteidigt jetzt das eigene Vorgehen, und verteidigt den Neuzugang Piastri.

McLaren sieht kein Problem: Piastri hatte keinen Vertrag

"Für uns war es ehrlich gesagt ein sehr geradliniger Prozess", erklärt Andreas Seidl. "Du brauchst zwei Dinge, wenn du einen Fahrer in der Formel 1 beschäftigen willst. Das sind ein Vertrag und eine Meldung dessen beim Contract Recognition Board. Wir haben das im Juli eingereicht. Unser Plan war daher klar."

"Oscar und sein Management waren sehr transparent", bestätigt Zak Brown. "Basierend auf dem Wissen, und basierend auf dem, was wir unterschrieben hatten, waren wir sehr zuversichtlich, dass es so enden würde." Das Contract Recognition Board hielt in seiner Entscheidung fest, dass in Piastris hinterlegtem Alpine-Vertrag die Option, ihn für 2023 ins Einsatz-Cockpit zu befördern, von keiner der beiden Parteien unterschrieben worden war. Daher war es McLarens gutes Recht, ihn für 2023 unter Vertrag zu nehmen.

McLaren kritisiert Kritiker für unfaire Kommentare

Für alle Kritiker, die McLarens Umgang mit der Situation in den letzten Tagen und Wochen in Zweifel stellten, haben Brown und Seidl daher nur wenige, aber klare Worte übrig. "Wenn du einen Fahrer in deinem Stall hast, musst du einen Vertrag mit ihm haben", sagt Brown. "Das ist hier ein Wettbewerb, und alle Teams schauen sich immer um, weil sie die größten Talente haben wollen. Wer keinen Vertrag hat, der ist verwundbar."

"Ich war etwas überrascht von den Kommentaren von Leuten, die kein Detailwissen über die Situation hatten", ergänzt Seidl. "Manche dieser Kommentare waren unangemessen, unfair, und haben die Situation nicht respektiert."

McLaren stellt sich hinter Piastri: Ist loyal und integer

"Das ist auch wichtig zu erwähnen, um Oscar zu schützen", stellt Seidl klar. Auch das ist ein Ziel: Piastri zu verteidigen, der für seine vermeintliche Treulosigkeit gegenüber seinen langjährigen Förderern Alpine gegenüber kritisiert wurde. Immerhin bezahlte Alpine viel, um den Australier nicht nur durch die Nachwuchsserien zu bringen, sondern auch um ihn mit F1-Tests in alten Autos auf die Zukunft vorzubereiten.

"Er ist jung, ambitioniert und hat die richtige Menge an Selbstvertrauen, ist sich aber zugleich mit Demut der großen Herausforderung bewusst", sagt Seidl und schiebt nach: "Er ist sehr loyal und integer. Daher wollten wir ihn an Bord haben, und daher wollte er zu uns." Für McLaren ist der Fall klar: Wer keinen Vertrag hat, der ist auf dem freien Markt zu haben. Mitleid für die Konkurrenz fehlt da.

McLaren beharrt: Interaktion mit Ricciardo transparent

Mit der Entscheidung des Contract Recognition Board kam ein neuer Kritikpunkt auf: Piastri wurde von McLaren am 4. Juli verpflichtet. Das war sogar noch bevor Daniel Ricciardo nach zunehmenden Gerüchten in einem Statement bekannt gab, dass er beabsichtige, seinen Vertrag mit McLaren bis zum Ende von 2023 zu erfüllen.

McLaren will auf die Implikation, Ricciardo damit hintergangen zu haben, nicht weiter eingehen. "Wie wir letzte Woche schon sagten hatten Zak, Daniel und ich das ganze Jahr über einen offenen und transparenten Dialog" wiederholt Seidl das, was er schon bei der Vertragsauflösung von Ricciardo unterstrichen hatte. "Daher gibt es diesbezüglich kein Problem."

Mit Piastri fühlt sich McLaren nun bestens für die Zukunft aufgestellt. Dass man wieder Schiffbruch erleiden könnte, wie mit Ricciardo, glaubt Seidl nicht. Auch dass Piastri keine echte Formel-1-Erfahrung vorweisen kann, sieht Seidl entspannt: "Wir haben in der Vergangenheit mit Lando [Norris] gezeigt, dass wir ein gutes Team für einen Rookie sind, um seine F1-Karriere zu starten. Mit dem Team, das wir haben, fühle ich mich zuversichtlich, dass wir wissen, was ein junger Fahrer innerhalb und außerhalb des Autos braucht."