Auf Zhou Guanyus Erleichterung nach seinem Horror-Unfall in Silverstone folgte Enttäuschung über die vergebene Chance einer guten Platzierung. Zhou über sein Verhalten während des Unfalls, die Angst eines Feuerausbruches, während er kopfüber im Auto hing und seine Anliegen an die FIA.

Zhou: Nur mehr Passagier in seinem Alfa Romeo

Infolge einer Kollision von Pierre Gasly und George Russell berührte letzterer Zhou Guanyu am Hinterrad und stellte damit seine Welt auf den Kopf. "Als Erstes nach dem Überschlag habe ich meine Hände vom Lenkrad weggenommen", analysiert Zhou sein Verhalten während des Unfalles. "Als ich kopfüber über die Strecke rutschte, habe ich mich bereits auf eine schwere Kollision eingestellt." Der Alfa-Romeo-Fahrer versuchte sich währenddessen, in eine möglichst geschützte und sichere Position zu bringen. „Dann habe ich nur mehr auf den letzten harten Einschlag gewartet.“

Nach seinem Unfall wurde Zhou Guanyu genau zwischen Reifenstapel und Fangzaun eingeklemmt, Foto: LAT Images
Nach seinem Unfall wurde Zhou Guanyu genau zwischen Reifenstapel und Fangzaun eingeklemmt, Foto: LAT Images

Beim Rutschen über Strecke und Kies war Zhou nach gebrochenem Überrollbügel voll auf das von ihm zuvor unterschätze Halo angewiesen. „Jetzt vertraue ich dem Halo mehr!“, so der Alfa-Romeo-Pilot. Sicher deswegen hätte er sich während seines Unfalles trotzdem nicht gefühlt. Weiterer Unfallteilnehmer: Zhous Helm hatte bis auf einen kaputten Heckspoiler und Kratzer oben den Zwischenfall auch gut überlebt. „Die Farbe ist sogar noch erkennbar!“

Zhou: ‚Weiß nicht, wie ich überlebt habe‘

“Als ich schlussendlich gestoppt bin, hatte ich komplett die Orientierung verloren. Ich hing ja kopfüber!“, berichtet Zhou Guanyu weiter. Beim Start des Rennens sei er geradewegs in Kurve eins gefahren. „Plötzlich hatte ich einen massiven Zusammenstoß. Ich wusste nicht, was passiert war oder wer mich getroffen hatte."

Aufgrund der verlorenen Orientierung wusste Zhou Guanyu zuerst auch nicht, dass er zwischen dem Fangzaun und der Reifenmauer hing. Der Chinese war davon ausgegangen, innerhalb der Streckenbegrenzung gewesen zu sein. "Ich weiß nicht, wie ich überlebt habe. Ich denke nicht, dass mir ein größerer Unfall wie dieser passieren hätte können." Derselben Meinung war auch Sauber-CEO Frédéric Vasseur.

Drohte Brandgefahr im Alfa Romeo?

Besonders besorgniserregend für Zhou: Er spürte eine kalte Flüssigkeit im Auto. "Zuerst wusste ich nicht, ob es von mir oder dem Auto kommt!" Sicherheitshalber schaltete er den Motor ab, um die Gefahr eines Feuers zu verringern. Die anschließende Wartezeit auf die Marshalls, die ihn aus dem Auto befreiten, fühlten sich laut Zhou wie eine Ewigkeit an. Von selbst hätte er es nicht herausgeschafft.

"Der erste Aufprall war viel härter als die Sicherheitstests, das war ein Problem. Der Überrollbügel ist gleich weggebrochen", berichtet Zhou. Auch als ein Problem sieht der 23-Jährige die Distanz zwischen Fangzaun und Reifenstapel. "Entweder müssen sie den Abstand vergrößern oder ihn ganz weglassen. So wie ich landete, das war die am schlimmsten mögliche Position!" Von der FIA-Untersuchung erwarte er sich Aufschlüsse darüber.

Körperliche und mentale Genesung für Familie Zhou

"Gut, dass gleich noch ein Rennen ist! Jetzt Sommerpause wäre schlimm, dann müsste ich die ganze Zeit an den Unfall denken", freut sich Zhou schon wieder im Cockpit seines C42 zu sitzen. "Gleich am Abend des Unfalls habe ich meine Ingenieure gefragt, ob mein Sitz in Ordnung ist!" Zhou überstand den Unfall unverletzt, ausgenommen von ein paar Prellungen. Schlimmer traf es da seine Familie: "Meine Mama hat sich große Sorgen gemacht!" Auch sein Vater hätte beim Zusehen fast einen Herzinfarkt bekommen.

Die mentale Aufarbeitung des Unfalls hatte sich Zhou Guanyu zudem gleich am Sonntagabend eine Wiederholung des gesamten Rennens angesehen. Frustrierend war für ihn, nach einem guten Qualifying keine Punkte mit nach Hinwil nehmen zu können. "Und natürlich war das ganze Auto zerstört." Ebenfalls frustrierend, wenn auch nicht ganz so viel: "Auf der Heimfahrt vom Krankenhaus bin ich dann auch noch ewig im Stau gestanden."

Zhou: Vorfreude auf Österreich und ein 'richtiges' Sprintrennen

Den Mercedes-Piloten George Russell, der gleich aus seinem Mercedes gesprungen war, um nach Zhou zu sehen, hätte er übrigens nicht bemerkt. "Aber es zeigt den großen Respekt, den wir Fahrer untereinander haben!"

Jetzt freue er sich auf Spielberg. Auch auf das Sprintrennen? "Im letzten Sprint hatte ich einen Unfall. Aber jetzt freue mich, die Strecke sollte auch zum Überholen besser sein als Imola." Einschätzung der Performance des Alfa Romeos? "Unser Auto sollte gut sein." Entwarnung auch für den Sitz des Chinesen: Der sollte auch (wieder) gut und bereit für den Red Bull Ring sein.