Zhou Guanyus Horror-Unfall in Silverstone sorgte neben Erleichterung und Dankbarkeit über die Einführung des Halos auch für Sicherheitsbedenken. Wie konnte es passieren, dass der Überrollbügel des Alfa Romeos komplett wegbrach? Und warum landete Zhou zwischen dem Fangzaun und der Reifenmauer? GPDA-Präsident Alex Wurz fordert Antworten von ganz oben.

Wurz mit Rüge für den FIA-Boss über Social Media

"Lieber Herr Präsident, bitte sehen Sie in Ihrem Mail-Posteingang nach, wir haben (mehr) Arbeit zu tun", war die Twitter-Botschaft von Alex Wurz, gerichtet an FIA-Präsidenten Mohammed bin Sulayem. Wurz, der seit 2014 Präsident der Fahrervereinigung ist, verlangt von der FIA, noch mehr in Richtung Sicherheit der Fahrer zu machen.

Formel 1: Unfälle zeigen Sicherheitslücken auf

Bei der Startkollision schlitterte Guanyu Zhou kopfüber über das Kiesbett, bevor er aufstieg und über den Reifenstapel flog. Der Überrollbügel war danach völlig zerstört. Das letzte Mal passierte das 1999, als Pedro Diniz sich beim Europäischen Grand Prix überschlug. Ursache damals? Eine Berührung mit Alex Wurz.

Als Reaktion auf Diniz' Unfall wurden neue Sicherheitsvorkehrungen eingeführt. Darunter strengere Crashtests und stärkere Kräfte, die der Überrollbügel aushalten muss. Zugleich wurde der notwendige Raum zwischen Fahrerhelm und Front- bzw. Rücküberschlagbügel von 50mm auf 70mm angehoben. Die vordere Überrollstruktur befand sich damals direkt vor dem Lenkrad, bis sie 2018 vom Halo ersetzt wurde.

Das Team aus Hinwil benutzt ein etwas anderes Design bei der Überrollstruktur. Alfa Romeo setzt auf ein zentrales Element in der Mitte, mit Lufteinlässen links und rechts davon. Alle anderen Teams benutzen eine zweiseitige Struktur, die an ein vierseitiges Hufeisen erinnert. Grund: Laut Sauber aerodynamische und gewichtsmäßige Vorteile, im Vergleich zum herkömmlichen Design. Alfa Romeo war eines der wenigen Teams, die sich schon zu Beginn der Saison im Bereich des Idealgewichtes bewegten.

Alfa Romeo: Slim-Fit Variante des Überrollbügels

Trotz der 'leichteren' Variante bestand der Überrollbügel des C42 alle notwendigen Sicherheitstests. Die Konstruktion muss Kräfte von 60 Kilonewton lateral, 70 Kilonewton longitudinal und 105 Kilonewton vertikal aushalten. Aber: Bei den Tests kann nicht jedes Szenario berücksichtigt werden und so passieren Fehler, wie in Silverstone.

Zhous Problem? Mehrere Kräfte aus verschiedenen Richtungen wirkten gleichzeitig auf den Bügel. Beim Aufprall stark vertikal und in Längsrichtung beim Rutschen durchs Kiesbett. Zuviel für den primären Überrollbügel. Zhous Rettung? Der sekundäre Überrollbügel - das Halo - rettete ihm mutmaßlich das Leben.

Auch beim zweiten Problem spielt der Überrollbügel eine Rolle: normalerweise verhindert er durch seine dreieckige Form ein kopfüber Entlangrutschen. Ohne flache Rutschfläche macht das Auto eine Fassrolle. Da der Bügel gebrochen war, schliff aber die Strecke das Karbon direkt hinter dem Helm des Chinesen ab. Zhous doppeltes Glück: 1. Er ist mit 1,76m nicht der größte Fahrer. 2. Das Karbon-Gehäuse wurde nicht so weit abgeschliffen, dass der Benzintank frei lag. Bei über 100kg Benzin im Gepäck wäre das zur riesigen Explosionsgefahr geworden.

Halo als Formel-1-Superheld

Bei seiner Einführung 2018 stark kritisiert, präsentiert sich das Halo seitdem immer wieder als bedeutende Sicherheitsstruktur. Alfa-Romeo-Teamchef Frederic Vasseur meinte nach dem Unfall: "Zhou geht es gut, dank dem Halo und den Sicherheitsvorkehrungen." Auch letzte Skeptiker wie Red Bull Motorsportberater Dr. Helmut Marko können die erhöhte Sicherheit des 'sowas von hässlichen' Bügels nicht mehr leugnen. “Ohne Halo hätte Zhou das auf keinen Fall überlebt."

Ein schwerer Unfall dieser Art hat eine automatische Untersuchung der FIA zur Folge. Ohne Anordnung des Präsidenten Mohammed bin Sulayem. Die Sinnhaftigkeit einer Investigation steht aber außer Frage: das einzig Positive an einer so heftigen Kollision wie der in Silverstone ist, dass man daraus lernen (muss).