Williams-Pilot Nicholas Latifi macht in der Formel-1-Saison 2022 weiterhin mit Crashs, anstatt guter Leistungen, auf sich aufmerksam. Das kratzt natürlich gehörig am Selbstbewusstsein. Und genau das soll laut Williams-Teamchef Jost Capito auch der Grund an Latifis schlechter Leistung sein. Fehlt es dem Kanadier nach seinen zahlreichen Unfällen schlichtweg an mentaler Stärke? Der F1-Pilot selbst gibt zu, dass er sich im Auto unsicher fühlt.

"Natürlich ist das Selbstvertrauen ein Problem. Die Formel 1 ist auch eine Kopfsache", gibt der Williams-Chef zu. "Er [Latifi] wäre in der Lage, Rundenzeiten wie Alex [Albon] zu fahren, wenn er in der richtigen Verfassung ist. Aber wenn du ein paar Aussetzer hast, dann haderst du natürlich mit dem Selbstbewusstsein."

Nach nur vier Rennwochenenden war der Williams-Pilot bereits in drei Unfälle verwickelt. Besonders schlecht war Latifis Auftritt in Saudi-Arabien. Dort crashte der Kanadier sowohl im Qualifying als auch im Rennen und machte sich damit bei vielen Formel-1-Fans zur Lachnummer.

Latifi crashte in Saudi-Arabien zweimal, Foto: LAT Images
Latifi crashte in Saudi-Arabien zweimal, Foto: LAT Images

Beim darauffolgenden Grand Prix in Australien löste Latifi erneut im Qualifying eine rote Flagge aus. Dieses Mal gab es einen Kontakt mit Lance Stroll, der in einem kuriosen Crash endete. Für den Vorfall trug der Aston-Martin-Pilot den Großteil der Verantwortung. Den Titel Unfall-Pilot trägt jedoch Latifi, auch dank seiner beiden vorherigen Saisons.

Latifi: Mangelndes Vertrauen in Williams-Bolide gefährlich

In Imola überstand Latifi das Wochenende, trotz schwieriger Wetterverhältnisse, ohne einen einzigen Ausfall. Trotzdem fühlte sich der Kanadier unsicher. "Mir fehlt einfach das Vertrauen ins Auto. Schon seit Saudi-Arabien habe ich kein gutes Gefühl", verrät Latifi. Dieses fehlende Vertrauen wirke sich auch negativ auf seine Rennen aus. So war der Kanadier beim Grand Prix in Imola übervorsichtig beim Wechsel auf die Trockenreifen.

"Ich wollte nicht als erster auf die Slicks wechseln, sondern erst abwarten, ob sie bei den anderen Fahrern funktionieren", so Latifi. Die fehlende Risikobereitschaft habe dann natürlich viel Zeit gekostet. "Wir hätten aber ohnehin nicht um Punkte gekämpft. Ob ich auf P11, P13 oder P18 bin, macht für uns derzeit keinen Unterschied", erklärt der Williams-Pilot.

Generell sei das mangelnde Vertrauen in den FW 44 jedoch ein Risiko: "Wenn du deinem Auto nicht vertraust, kann das gefährlich werden. Ich meine das nicht bezüglich der Sicherheit, sondern dass du eher Unfälle baust oder dich nicht traust, an das Limit zu gehen", so Latifi. Bei ihm beginne die Unsicherheit, sobald er sich nicht mehr mit Vollgas auf der Geraden befinde.

Latifi hat im Williams-Teamduell bereits Aufholbedarf

Seit seinem Formel-1-Debüt im Jahr 2020 wird Latifi von seinen Teamkollegen in den Schatten gestellt. Im Duell gegen George Russell war stets klar, wer von den beiden Fahrern die Oberhand hat. Nur zweimal in zwei vollen Saisons konnte der Kanadier Russell im Qualifying schlagen. Auch Alexander Albon, der in Australien überraschend einen Punkt für Williams holen konnte, liegt performancetechnisch klar vor Latifi.

So sieht das Williams-Duell nach vier Rennen aus, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
So sieht das Williams-Duell nach vier Rennen aus, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com

"Alex fühlt sich derzeit einfach wohler im Auto. Wir wissen, dass das Auto noch zu wenig Downforce hat und wir haben auch Probleme mit der Balance, aber Alex geht damit einfach besser um. Dieses Level muss ich auch erreichen", sagt Latifi.

Seit Saudi-Arabien habe er jedoch das Gefühl, dass er keinen Fortschritt mache. Das Problem liege nicht an seinem Fahrstil, sondern lediglich am fehlenden Vertrauen ins Auto. Der Kanadier schließt daher nicht aus, dass der Bolide in Zukunft mehr an ihn angepasst werden könnte, indem der FW 44 mehr Spielraum für Fehler zulässt.

Capito: WM-Entscheidung in Abu Dhabi setzte Latifi schwer zu

Nicholas Latifi löste beim letzten Rennen der Formel-1-Saison 2021 die berühmtberüchtigte Safety-Car-Phase aus, die Max Verstappen zum WM-Titel verhalf. Viele verärgerte Fans gaben daher dem Williams-Pilot die Schuld an Lewis Hamiltons verpassten Sieg, und fluteten die Social Media Accounts von Latifi mit Hasskommentaren.

"Was ihm [Latifi] am meisten getroffen hat, waren die Kommentare und Drohungen, die er auf den sozialen Medien bekommen hat", verrät Capito. "Wir haben ihm geholfen damit klarzukommen. Natürlich setzt das dem Selbstvertrauen zu, aber wir arbeiten daran, sein Selbstbewusstsein zu steigern. Ich denke, Nicholas ist auf einem gutem Weg."