Ferrari ist zurück im Kampf um die Spitze in der Formel 1. Sogar noch mehr: Nach zwei Saisonrennen bekleidet die Scuderia derzeit in gleich beiden WM-Wertungen die absolute Spitzenposition. Sowohl in Bahrain als auch Saudi-Arabien kämpften Charles Leclerc und Carlos Sainz auf Augenhöhe mit Red Bull. Für die Ferrari-Fahrer ist diese Konstante auf zwei unterschiedlichen Strecken der finale Beweis, tatsächlich zurück zu sein, nicht nur von einem einzelnen Layout profitiert zu haben.

In Australien gehen Leclerc und Sainz daher von einer Fortsetzung des engen Duells mit Red Bull aus - warnen jedoch von einem möglichen Vorteil für Max Verstappen und Sergio Perez durch den großen Umbau des Albert Park Circuits beim Formel-1-Comeback in Melbourne nach zwei Jahren Corona-Pause. Noch dazu warnt die Scuderia vor dem langfristigen Entwicklungsrennen im weiteren Saisonverlauf.

Formel 1 Australien: Leclerc fürchtet Red-Bull-Vorteil durch Umbau

"Die neue Strecke sieht gut aus, schneller. Aber mit unserem Auto hätte ich es vielleicht präferiert, auf dem alten Layout zu fahren", kommentiert Leclerc den 2022 deutlich schneller gewordenen Albert Park. Die Clark-Schikane im zweiten Sektor wurde vollständig entfernt, fünf weitere Kurven ummodelliert, sodass sie durch nun weiter geöffnete Scheitelpunkte zum Teil dramatisch schneller werden sollen. Von einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 250 km/h ist die Rede. Gerade, weil im zweiten Sektor nun eine extrem lange Vollgaspassage entstanden ist.

Genau die fürchtet Ferrari nach den Eindrücken von Jeddah. Hier hatte Red Bull den Roten in Sachen Topspeed etwas voraus. "Red Bull sieht auf den Geraden sehr stark aus, wir könnten da also vielleicht etwas mehr zu kämpfen haben", fürchtet Leclerc. "Aber wenn wir ein gutes Wochenende hinbekommen, haben wir noch immer die Chance auf ein ziemlich gutes Ergebnis."

Ferrari in Melbourne: Topspeed im Fokus

Schon in Saudi-Arabien hatte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto anerkannt, Red Bull habe dort offensichtlich den besseren Kompromiss zwischen Topspeed und Abtrieb gefunden. In Australien will sich Ferrari deshalb vor allem darauf fokussieren. "Wir versuchen uns hier darauf zu konzentrieren, den Topspeed zu verbessern, um da im rennen mehr auf Augenhöhe mit ihnen kämpfen zu können, denn da sahen sie in Jeddah sehr stark aus", sagt Sainz.

Ansonsten habe der F1-75 ihm stets ein sehr gutes Gefühl gegeben. "Wir hatten eine gute Balance im Auto und auch eine gute Zuverlässigkeit. Wir müssen jetzt einfach ruhig bleiben und schauen, wie wir dieses Auto verbessern können", fordert Sainz. Genau dabei entscheide sich, ob Ferrari 2022 wirklich um den Titel kämpfen könne, so der Spanier. Denn Stand jetzt sei Ferrari zwar durchaus an der Spitze, müsse das allerdings erst einmal im Entwicklungsrennen konservieren.

Carlos Sainz überzeugt: Ferrari final zurück an der Spitze

"Es waren jetzt zwei Beispiele und diese beiden zu haben, ist sehr ermutigend", kommentiert Sainz das ähnliche Kräfteverhältnis in Bahrain und Saudi-Arabien. "Da der Kampf mit Red Bull da wieder innerhalb einer Zehntel war, ist es sehr wahrscheinlich, dass es so bleibt, bis einer von uns ein größeres Upgrade bringt. Denn die beiden Strecken waren in Sachen Charakteristik nicht gleich. In Jeddah war der Asphalt ganz anderes, es gab andere Bodenwellen und eine ganz andere Art von Kurven - trotzdem waren wir wieder innerhalb einer Zehntel. So wird es wohl bleiben, bis einer etwas Neues bringt. Was sie hier machen, weiß ich nicht. Ob sie etwas bringen oder nicht."

Tatsächlich ist das der Fall. Zumindest kleinere Änderungen an den Endplatten der Frontflügel des RB18 hat Red Bull Down Under im Gepäck. Ferrari hält mit einem überarbeiteten Diffusor dagegen, um Stabilität und Abtrieb am Heck zu verbessern. Mercedes bringt nach Gerüchten um einen neuen Heckflügel nun doch keine neuen Teile. Größere Verschiebungen sind deshalb eher nicht zu erwarten, schon gar nicht nach hinten. "Es ist ziemlich klar, dass wir in den ersten Rennen einen kleinen Vorsprung auf das restliche Feld hatten", erinnert Sainz.

Entwicklungsrennen: Hält Ferrari diesmal mit?

Insbesondere im weiteren Saisonverlauf rechnet der Spanier allerdings nach wie vor auch mit Mercedes. Ferrari müsse erst einmal wieder neu beweisen, ein Auto auch gut entwickeln zu können. Daran scheiterten 2017 und 2018 die letzten WM-Kämpfe der Scuderia mit Sebastian Vettel gegen Mercedes. Zuletzt befand sich Ferrari längst nicht einmal mehr im WM-Kampf. "Wir haben ein tolles Auto, aber diese Teams waren die letzten Jahre im Titelkampf, die wissen was zu tun ist. Deshalb sagen wir auch weiterhin, dass Red Bull und Mercedes die Favoriten sind", erklärt Sainz. "Und in den Jahren davor kam Ferrari bei der Entwicklung nicht mit. Deshalb müssen wir sehr vorsichtig sein."

Großes Vertrauen setzt Sainz dennoch in sein Team. "Ich habe immer daran geglaubt, dass Ferrari die richtigen Leute und das richtige Mindset hat, um da zu sein, wo wir jetzt sind", betont Sainz. Einzig das neue Technische Reglement habe es dringend gebraucht, um zurückzukehren. "Wir haben ein weißes Blatt Papier gebraucht, weil Mercedes und Red Bull mit den vorherigen Regeln einen sehr großen Vorsprung vor dem restlichen Feld hatten. Das war ohne Reset sehr schwierig zurückzuholen. Diesen Reset haben wir sehr gut genutzt, jetzt ist es unser Job, da oben zu bleiben", sagt der WM-Zweite.

Leistbar sei das, so Sainz. "Wir sind zuversichtlich, dass wir unser auch Auto entwickeln können. Wir haben im Windkanal schon Teile, die besser sind als die, die wir jetzt an der Strecke haben. Aber das haben alle Teams ...", sagt der Spanier. Daher müsse Ferrari erst einmal beweisen, einen möglichen Erfahrungsrückstand in Sachen Entwicklungsrennen wirklich aufholen zu können. "Aber wir haben tolle Leute und sind vorbereitet", versichert Sainz.