Nach einer zweijährigen Zwangspause wegen restriktiver Bestimmungen der australischen Behörden im Kampf gegen das Coronavirus kehrt die Formel 1 am kommenden Wochenende zurück nach Melbourne. Beim von vielen Seiten lang ersehnten Comeback des Australien-GP erwartet nicht nur den Albert Park Circuit eine völlig andere F1 - mit Max Verstappen statt Lewis Hamilton als Weltmeister und revolutionär neuen Autos -, sondern auch die Formel 1 ein völlig neuer Albert Park.

Nachdem der 2020 noch traditionell als Saisonstart vorgesehene Grand Prix wegen eines größeren Corona-Ausbruchs im McLaren-Lager noch am bereits gestarteten Wochenende der Pandemie zum Opfer fiel, sollte Melbourne 2021 zunächst seinen Weg zurück in den Kalender finden. Diesmal nicht als Saisonstart, sondern mit einem späten Termin erst im Herbst. Das verschaffte dem Promoter, der Australian Grand Prix Corporation, gleich doppelt Zeit: Für eine mögliche Entspannung der pandemischen Lage und Einreisebestimmungen einerseits, für einen bereits Anfang 2021 für das Comeback angekündigten Großumbau der Strecke andererseits.

Formel 1 gibt Melbourne-Comeback: Alle Strecken-Änderungen

Wegen der weiter grassierenden Pandemie kam es einem tatsächlichen Comeback Ende 2021 nie, die erneute Absage nutzte der Veranstalter dafür, um den Umbau des seit seines Formel-1-Debüts 1996 im Kalender befindlichen Straßenkurses nun mit geringerem Termindruck perfektionieren zu können. Doch wie und warum hat sich der Albert Park Circuit überhaupt verändert? Motorsport-Magazin.com fasst alle Änderungen an insgesamt sieben Kurven und weiteren Stellen zusammen.

Wegfall der Clark-Schikane: Die mit Abstand größte von gleich mehreren umfassenden Änderungen ist die vollständige Entfernung der Rechts-Links-Kombination vor der von Palmen gesäumten Gegengerade im zweiten Sektor. Diese Vollgaspassage, eigentlich eine sehr lang gezogene Kurve, wird durch den Wegfall der ehemaligen Kurven neun und zehn nun noch länger. Von Kurve sieben über acht bis hin zur neuen Kurve neun (vormals elf), dem Eingang in die weiter bestehende ultraschnelle Schikane nach dem langen Vollgasabschnitt, stehen die Fahrer ab sofort durchgängig auf dem Pinsel. Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 330 Stundenkilometern sollen am Ende dieser Highspeed-Passage möglich sein.

Die Clark-Schikane gibt es nicht mehr, Foto: LAT Images
Die Clark-Schikane gibt es nicht mehr, Foto: LAT Images

Formel 1 Australien: Vier DRS-Zonen im Albert Park!

Vierte DRS-Zone: Diese Schätzung kommt auch dank einer an dieser Stelle neuen DRS-Zone zustande, der bereits vierten (!) im Albert Park. Erst 2018 hatte die Formel 1 der wenig überholfreundlichen Strecke eine dritte DRS-Zone verpasst, im direkten Anschluss an die schnelle Links-Rechts-Kombination (damals Kurven 11/12, heute 9/10) nach der Gegengerade. Eine Überholmöglichkeit bot diese weniger, sondern diente mehr dem Zweck, den Abstand zum Vordermann vor den letzten vier Kurven zu verkürzen, um dann auf der nächsten DRS-Zone auf der Start-Ziel-Geraden angreifen zu können - mit mäßigem Erfolg. Nun scheinen Windschattenschlachten schon zuvor programmiert.

Neues Profil für Kurve 11: Mit einem weiteren größeren Umbau an der Strecke verfolgt der Promoter zusätzlich eine andere Philosophie als 2018/19. Bereits in der neuen Kurve elf (vormals 13) selbst - also nach den gleich zwei vorherigen DRS-Zonen sollen Angriffe möglich sein. Dabei verlässt man sich nicht nur auf den aufklappbaren Flügel, sondern auch auf ein gänzlich neues Profil für die zuvor zügige Rechtskurve. Dafür wurde die Kurve zunächst auf der rechten Seite um 3,5 Meter erweitert, um mehr Raum für Überholmanöver zu schaffen. Den größten Effekt verspricht man sich jedoch von einem gleichzeitig begradigten Kurveneingang, der in einer 90-Grad-Kurve und damit einem härteren Bremspunkt als nun vielleicht beste Überstelle des gesamten Kurses resultiert. Zusätzlich wurde die zuvor leicht nach außen abfallende Kurve (negatives Banking) um einige Grad überhöht, um mit dem jetzt positiven Banking unterschiedliche Rennlinien zu ermöglichen.

In Kurve elf wird der Bremspunkt durch den Umbau härter, Foto: LAT Images
In Kurve elf wird der Bremspunkt durch den Umbau härter, Foto: LAT Images
Formel 1 Australien: Vierte DRS-Zone & Monster-Gerade (04:35 Min.)

Albert Park: Weitere Scheitelpunkte & Bankings

Kurven 1, 3 und 11 mit positivem Banking: Wie in der neuen Kurve elf bekommen auch die erste und dritte Kurve der Strecke eine leichte Überhöhung verpasst, um unterschiedliche Ideallinien zu ermöglichen. Dies geschah - wie sämtliche Umbauten - auch nach Konsultation mehrerer Formel-1-Piloten wie Lokalmatador Daniel Ricciardo. "Wir durften unsere Gedanken und unseren Input beisteuern", sagt der McLaren-Pilot. "Wir waren nicht alle derselben Meinung, aber die Absicht ist, den Sonntag besser zu machen. Und das hatte ich im Sinn als ich meinen Input gegeben habe."

Kurven 1, 3, 6, 11 und 13 verbreitert: Wie in der bereits angesprochenen neuen Kurve elf wurden zahlreiche andere Kurven erweitert. In den Kurven eins und drei geschieht das zusätzlich zur neuen Überhöhung. Die bislang enge erste Kurve wird dabei auf der rechten Seite um 2,5 Meter breiter und soll so ihre Anmutung als Nadelöhr verlieren. So sollen es leichter fallen, nebeneinander durch die Kurve zu fahren. Die vorletzte Kurve (13) wird auf der linken Seite um 3,5 Meter breiter. So soll sich der Vordermann nicht länger spielerisch verteidigen können.

Die enge erste Kurve wurde entschärft, Foto: LAT Images
Die enge erste Kurve wurde entschärft, Foto: LAT Images
Die vorletzte Kurve bietet innen nun mehr Platz, um das Verteidigen zu erschweren, Foto: LAT Images
Die vorletzte Kurve bietet innen nun mehr Platz, um das Verteidigen zu erschweren, Foto: LAT Images

Besonders viel Raum wurde im Albert Park jedoch in den Kurven drei und sechs ergänzt. In erstem Fall wird die engere Rechtskurve innen um vier Meter breiter, im zweiten Fall wird die bislang eher unangenehme Kurve sechs sogar um 7,5 Meter geöffnet. In dieser Passage soll die Geschwindigkeit damit um 70 km/h auf 219 Stundenkilometer steigen. "Es wird großartig, das neue Layout selbst auszuprobieren, vor allem die schwungvolle Rechtskurve, die schnell aussieht", kommentiert Ricciardo das Ende des Stop&Go-Charakters an dieser Stelle.

Formel 1 Australien: Die neuen Kurven im Albert Park (05:00 Min.)

Melbourne: Breitere Boxengasse und neuer Asphalt für mehr Boxenstopps

Neue Boxengasse: Noch dazu wurde - sogar als erste Maßnahme - die enge Boxengasse der Strecke um zwei Meter verbreitert. Dafür musste ein kleiner Grünstreifen vollständig weichen. Der Umbau erlaubt nun eine Erhöhung des Tempolimits in der Boxengasse auf die regulären 80 km/h statt der in Melbourne bislang stets reduzierten 60 km/h. Der resultierende geringere Zeitverlust in der Boxengasse soll die Teams zu mehr Zwei-Stopp-Strategien animieren. Bislang war der Australien-GP in der Regel ein klassisches Ein-Stopp-Rennen- auch wegen der nur spärlich ausgeprägte Chancen für Überholmanöver.

Neuer Asphalt: Nach dem Umbau der Boxengasse folgte in Melbourne als zweiter Schritt die beschriebene Neugestaltung verschiedener Kurven. Zum krönenden Abschluss wurde die Strecke vollständig neu asphaltiert. Ende Januar meldete der Veranstalter daraufhin den erfolgreichen Vollzug aller Maßnahmen. Auch die Neuasphaltierung soll durch eine rauere Mischung zu mehr Verschleiß und damit mehr Boxenstopps führen. Pirelli stuft den Abrieb der Reifen im Albert Park mit einer Zwei auf einer fünfstufigen Skala allerdings noch immer als eher gering ein - gerade zu Beginn des Wochenendes auf noch "grüner" Strecke mit frischer Asphaltdecke. "Das bedeutet, dass die Strecke zu Beginn wahrscheinlich nur sehr wenig Grip bieten wird, wobei im Laufe des Wochenendes eine starke Entwicklung zu erwarten ist", sagt Pirellis F1-Chef Mario Isola.

Fällig war die erste Neuasphaltierung seit Erbauung 1995 allerdings ohnehin. Da die Strecke vollständig auf sonst öffentlichen Straßen liegt waren über die Jahre zumindest einige holprige Bodenwellen entstanden.

Onboard-Video: Eine Runde im neuen Albert Park (01:04 Min.)

Fazit

Insgesamt zielen sämtliche Umbaumaßnahmen darauf, das Racing auf dem Albert Park Circuit deutlich zu verbessern. Überholmanöver waren in Melbourne schon immer Mangelware, nun soll nicht nur die neue Boliden-Generation helfen, dichteres Folgen zu ermöglichen, sondern auch die Strecke selbst ihren Anteil leisten. "Wenn 2022 alles verspricht, was es hält, wir den Autos vor uns besser folgen und Kämpfen können, wird eine Rennstrecke wie der Albert Park Circuit mit seinen Änderungen ein tolles Spektakel sein", sagt Ricciardo. Damit möglichst viele Fans in den Genuss davon kommen, hat der Promoter außerdem zusätzliche Tribünen installiert. Der Albert Park soll nun rund 140.000 Fans fassen - für Samstag und Sonntag sind die Tickets bereits vergriffen.

Als Begleiteffekt der Änderungen sollen die Rundenzeiten auf der nun nur noch 14 statt 16 Kurven umfassenden Strecke um bis zu fünf Sekunden schneller werden. Zuletzt fuhr Lewis Hamilton 2019 in 1:20.486 Minuten und mit einem Schnitt von 237 km/h mit neuem Streckenrekord auf Pole Position. Nun soll die Durchschnittsgeschwindigkeit auf der jetzt 25 Meter kürzeren Strecke (5,278 km statt 5,303 km) im Qualifying-Trimm auf etwa 250 km/h steigen. Im Rennen könnte damit auch der bereits 18 Jahre alte Rundenrekord von Michael Schumacher (1:24.125 Minuten) fallen - sofern man das angesichts des umfangreichen Umbaus überhaupt noch als Maßstab heranziehen möchte.

Formel 1 Australien: Die Verwandlung des Albert Park - Teil 1 (06:31 Min.)