Neue Streckenführung, neue Autos, neuer Asphalt. Bei der Rückkehr der Formel 1 nach Australien ist fast gar nichts mehr so, wie es das beim letzten GP in Melbourne 2019 war. Die Location im Albert Park ist noch dieselbe wie seit 1996.

Australien GP 2022: Wie gut kann man Überholen?

Seitdem hat sich an der Strecke einiges getan. Insgesamt sieben Kurven wurden überarbeitet und zu den bestehenden drei DRS-Passagen wurde eine weitere Zone hinzugefügt. Außerdem wurde die gesamte Streckenlänge von 5,278 Kilometern mit einer neuen Asphaltschicht überzogen. In Kombination mit der neuen Fahrzeug-Generation deutet also alles darauf hin, dass der bislang überholfeindliche Straßenkurs in Südaustralien mehr Positionswechsel zulassen wird.

Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff zeigt sich überzeugt davon, dass die adaptierte Streckenführung ihren Zweck erfüllen wird. "Wir freuen uns auf das neue Streckenlayout, das mehr Überholmöglichkeiten und höhere Geschwindigkeiten verspricht", so Wolff. Dem stimmen auch die Fahrer zu. Die beiden Red-Bull-Piloten betonten im Vorfeld des GPs, dass sie von mehr Überholvorgängen als in der Vergangenheit ausgehen.

Red Bull gegen Ferrari?

Die ersten beiden Rennen der F1-Saison 2022 wurden von einem Duell zwischen Ferrari und Red Bull geprägt, oder besser gesagt von einem Zweikampf zwischen Max Verstappen und Charles Leclerc. RB-Teamchef Christian Horner dämpfte nach zwei hart umkämpften Grands Prix die Erwartungen auf einen das ganze Jahr anhaltenden Zweikampf etwas. "Wir haben nur noch 21 Rennen zu fahren", scherzte er. In dieser Zeit könne noch viel passieren, was Entwicklung angeht.

Dennoch ist davon auszugehen, dass das Duell Ferrari gegen Red Bull auch das Bild auf dem Albert Park Circuit prägen wird. Die meisten Teams verzichten auf große Updates. Nur mit kleineren Anpassungen ist zu rechnen. Mehr Upgrades sind für den folgenden GP in Imola zu erwarten. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto bestätigte das von Seiten der Scuderia: "Wir erwarten keine signifikante Entwicklung für das Rennen in Melbourne, aber sobald wir etwas bringen können, werden wir das tun".

Auch Red Bull deutete an, dass man erst nach dem Australien-Wochenende weitere große Entwicklungen vornehmen werde. Für den GP der Emilia Romagna soll bereits ein umfassendes Upgrade-Paket in der Pipeline sein, infolgedessen der RB18 abspeckt. Von einer Gewichtsreduktion von bis zu acht Kilo ist die Rede. Der RB18 war mit einem deutlichen Übergewicht in die Saison gegangen.

Kann Mercedes zurückschlagen?

Bei Mercedes besteht nach dem schlechtesten Saisonstart seit 2013 Handlungsbedarf. Das Weltmeister-Team ist nach zwei Rennen immer noch mit der Fehlersuche beschäftigt. Der Bouncing-Effekt hat sich als größter Faktor bemerkbar gemacht, der die Balance des W13 einschränkt. "Unsere Strecken-Performance entspricht nicht unseren Erwartungen", wiederholte Teamchef Toto Wolff nach Saudi Arabien.

"Es wird keine magische Lösung für das nächste Rennwochenende geben", sagte Wolff. Das Team aus Brackley plane aber im Laufe der nächsten Grands Prix Schritt für Schritt mit Entwicklungen auf Ferrari und Red Bull aufholen zu können. Mercedes will dabei keine Zeit verlieren. Bereits in Australien soll diese Upgrade-Welle beginnen, um die Bouncing-Probleme in den Griff zu bekommen. Nach Informationen von "Auto Motor und Sport" plant Mercedes mit einem neuen Heckflügel und einer neuen Beam-Wing-Version.

Porpoising könnte auch in Australien zu einem Faktor werden. Aufgrund der neuen Streckenführung liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit bei 250 km/h und es gibt mehrere schnelle Kurven. Mercedes muss also wohl wieder Kompromisse bei der Fahrzeug-Abstimmung eingehen, um das Bouncing in den Griff zu bekommen.

Im Mittelfeld ist die Hackordnung nur schwer einzuschätzen. In Saudi Arabien hatte Alpine auf eine Runde die Nase vorne, im Rennen hatte das französische Team hingegen mit Alfa Romeo zu kämpfen. Haas auf der anderen Seite konnte aufgrund des Unfalls von Mick Schumacher und des Erfahrungsrückstandes von Kevin Magnussen sein Potenzial nicht ausreizen. Am Ende könnte auch in Australien einmal mehr die Entscheidung über die Zuverlässigkeit fallen. Praktisch alle Mittelfeld-Teams erlitten im bisherigen Saisonverlauf Technik-Defekte.

Erste Aston-Punkte bei Vettel-Comeback?

Vom Mittelfeld ist Aston Martin derzeit weit entfernt. Nach zwei Rennen steht bei dem Team von Sebastian Vettel immer noch der Nuller. Wie hoch stehen die Chancen, dass das Team bei der Rückkehr des Heppenheimers anschreibt? Der Aston Martin-Pilot baut darauf, dass die neue Streckenführung für mehr Chaos sorgt und so die Chancen auf die ersten Punkte der britischen Nobelmarke in dieser Saison erhöht.

"Ich hoffe, dass wir ein paar Schritte nach vorne machen können, denn es sollte ein aufregendes und unvorhersehbares Rennen werden", prognostizierte er vor seinem Premieren-Start in dieser Saison, nachdem er die ersten beiden Rennen des Jahres aufgrund einer Corona-Infektion verpasst hatte.

Pirelli mit aggressiver Reifenwahl

Ein entscheidender Faktor könnten an diesem Wochenende die Reifen werden. Pirelli überspringt nämlich in Australien den C4-Reifen und setzt die Mischungen C2, C3 und C5 ein. Der Soft-Pneus ist somit der auserkorene Qualifying-Reifen, ob er im Rennen viel Einsatzzeit erhalten wird, ist also fraglich.

In der Vergangenheit war Melbourne eine klassische 1-Stopp-Strecke. Eine Verbreiterung der Boxengasse, in der dieses Jahr das Speed-Limit auf 80 km/h angehoben wurde, sowie ein rauerer Asphalt sollen diesem Effekt entgegenwirken und zu mehr Reifenwechsel führen. Pirelli geht dennoch nur von einem geringen Reifenverschleiß aus.

Gleichzeitig sprechen die angekündigten hohen Temperaturen für eine stärkere Beanspruchung der Pneus. Der Sonntag wird wohl erst Aufschluss darüber liefern, ob die 1-Stopp-Strategie auch 2022 in Australien das Mittel der Wahl ist.