1. - S wie Start der neuen Ära

Ehe wir auf den Start des Rennens in Bahrain blicken, müssen wir den Start in die neue Ära der Formel 1 würdigen. 2022 ist der größte Regelumbruch seit 1982 - damals wurde zum Saisonende der sogenannte "Ground Effect", das Erzeugen von Abtrieb mittels Tunnels im Unterboden, verboten. 2022 kehrt dieser Ground Effect nach 685 Rennen wieder zurück.

Das bedeutet, dass die neuen Formel-1-Autos anders aussehen, anders zu fahren sind - aber vor allem besseres Racing liefern sollen, da nun nicht mehr so viel von den Flügeln und anderen aerodynamischen Aufbauten abhängt. Die Fahrer äußerten sich nach den ersten Tests schon vorsichtig positiv.

Wie genau ein Rennen mit dieser Regel-Revolution aussehen wird, das weiß noch keiner. Bahrain wird die ersten Antworten geben, aber eines steht fest: Das Kräfteverhältnis ist durcheinandergewürfelt worden. Da nichts aus den Vorjahren übernommen werden konnte, begannen alle Teams mit einem leeren Blatt Papier. Das Feld ist voll von einzigartigen Design-Lösungen, sichtbar etwa bei den Seitenkästen. Noch kann niemand so genau sagen, wer es langfristig am besten und wer am schlechtesten erwischt hat.

2. - S wie Startaufstellung

Erste Aufschlüsse gab das Qualifying am Samstag, in dem sich Ferrari und Red Bull nun endgültig die Favoritenrolle krallten. Charles Leclerc, der begnadete Qualifier, zog Verstappen im finalen Q3-Run ab und sicherte sich mit 0,123 Sekunden Vorsprung die Pole. Hinter den beiden Superstarts folgen mit Carlos Sainz und Sergio Perez ihre Teamkollegen, alle vier innerhalb von vier Zehntelsekunden.

Während Ferrari nach zwei Jahren Dürre endlich wieder legitim an der Spitze auftaucht, hat Mercedes den Rückwärtsgang eingelegt. Lewis Hamilton rettete mit P5, was zu retten war, aber nach vorne dürfte für die amtierenden Konstrukteurs-Weltmeister nichts gehen. Zu groß sind die Handling-Probleme mit dem aggressivem neuen Auto-Design, welches erst vor einer Woche bei den abschließenden Testfahrten in seiner Finalfassung debütierte. Vielleicht zu spät, gestand das Team.

Hamilton orientiert sich eher nach hinten - sein Ex-Teamkollege Valtteri Bottas führt ein dicht gedrängtes Mittelfeld an, vor dem Haas von Rückkehrer Kevin Magnussen, dem Alpine von Fernando Alonso, dem zweiten Mercedes von George Russell und dem AlphaTauri von Pierre Gasly.

3. - S wie Start (des Rennens)

Nun also zum eigentlichen Start - der viel Spannung verspricht. 352 Meter weit ist der Weg zum ersten Bremspunkt, und bislang hat noch niemand die neuen Autos unter Rennbedingungen und vor allem im engen Pulk bewegt.

Ferrari ist in bester Position. Leclerc und Sainz stehen hintereinander. Sainz gilt außerdem als einer der besten Starter im Feld, darauf wies am Samstag gleich auch schon Max Verstappen hin. Genauso hat die Mercedes-Fraktion schon mehrmals unterstrichen, dass man vielleicht bereit ist, ein bisschen mehr Risiko einzugehen - mit dem Wissen, dass man kein Auto hat, mit dem man nach Pace um den Sieg kämpfen kann.

Außerdem wird der Start 2022 um einen neuen Faktor reicher: Die alte Q2-Reifenregel ist weg. Jedem Fahrer steht es nun frei, den Startreifen zu wählen. Wer setzt auf Soft, um besser von der Linie zu kommen? Wer setzt auf Medium, um länger fahren zu können?

4. - S wie Strategie

Das leitet nahtlos über zur Renn-Strategie, denn auch hier spielt die Reifenwahl beim Start eine kritische Rolle. Der Soft könnte, bei allem Start-Vorteil, auf dem reifenmordendem Bahrain-Asphalt zur Falle werden. Reifenhersteller Pirelli will eine Einstopp-Strategie nicht ausschließen, rechnet aber eigentlich eher mit zwei Stopps. Als schnellste Strategie wird Soft-Soft-Medium eingestuft.

Red Bull war in den Bahrain-Trainings die Messlatte, Foto: LAT Images
Red Bull war in den Bahrain-Trainings die Messlatte, Foto: LAT Images

Mit in die Strategie spielen einige neue Faktoren. Erstens sind die Reifen neu, gemeinsam mit dem Umstieg auf 18-Zoll-Felgen wurde auch hier massiv Hand angelegt. Die neuen Mischungen sollen sich besser dazu eignen, hinter einem Konkurrenten herzufahren. Zumindest so das vorsichtige Feedback der Fahrer. Man kann jetzt mehr pushen, während in den letzten Jahren der Reifen sofort zu überhitzen begann und einen zwang, sich entweder zurückfallen zu lassen oder zu stoppen. Wenn nun aber Überholen einfacher wird, dann öffnen sich neue Strategie-Optionen.

Nebenbei sei auch erwähnt, dass die neuen 18-Zoll-Felgen und die neuen Reifen für viel schwerere Räder sorgen. Das wird die Boxenstopps verlangsamen, und womöglich auch in der anfänglichen Umgewöhnungsphase für mehr Fehler sorgen.

5. - S wie Springböcke

Großes Thema seit den Testfahrten: Das Springen der Autos auf den Geraden. "Bouncing", "Porpoising", wie auch immer man es benennen möchte. Der Effekt entsteht bei hohen Geschwindigkeiten, wenn der durch die neuen Tunnel im Unterboden erzeugte Abtrieb so enorm wird, dass das Auto zu nah an den Boden kommt oder gar aufsitzt. Der instabile Luftfluss löst sich vom Unterboden, das Auto verliert Abtrieb und federt aus, der Luftfluss liegt sofort wieder an und saugt das Auto zurück auf den Asphalt. Es beginnt zu springen.

Manche Teams, allen voran Red Bull, haben das Problem mittlerweile unter Kontrolle. Mercedes auf der anderen Seite kämpft noch immer damit. Wird es besonders schlimm, so beginnt das Auto vor der Anbremszone immer und immer wieder aufzusetzen, was sowohl dem Fahrer als auch dem Material zuzusetzen beginnt. Man kann dieses Springen einfach mit dem Setup lösen, indem man das Auto höherlegt. Aber das kostet Performance.

Daher will jeder so tief wie möglich fahren, ohne dass der Effekt zu extrem auftritt. Gepaart mit der Tatsache, dass hier brandneue Autos zum Einsatz kommen, gibt es berechtigte Zweifel, ob das Material bei allen durchhält. Alfa Romeo und Haas hatten bei den ersten Testfahrten schon Probleme, auch in den Freitagstrainings hinterließ Mercedes zuletzt ein paar Unterbodenteile. Wer hier beim Setup zu hohes Risiko eingegangen ist, wird es wohl erst im Rennen mit vollen Tanks merken, wenn er es übertrieben hat.

6. - S wie Showdown

Wenn es dann in Bahrain heute ans Eingemachte geht, dann muss man aber auch zwei besondere Faktoren mit einbeziehen: Charles Leclerc und Max Verstappen. Die beiden Ausnahmekönner kennen sich schon aus Kart-Zeiten, und sind schon in Kart-Zeiten aneinandergeraten. Als sie 2019 zuletzt in vergleichbarem Material saßen, ging es zwischen ihnen in den wenigen Duellen, die sie gegeneinander führten, brutal zur Sache.

Verstappen und Leclerc trafen 2019 zuletzt in vergleichbarem Material aufeinander, Foto: LAT Images
Verstappen und Leclerc trafen 2019 zuletzt in vergleichbarem Material aufeinander, Foto: LAT Images

An Verstappens Fahrstil hat sich nichts geändert - überhaupt hat er inzwischen eine WM als Beweis dafür, dass es so funktioniert. Und Leclerc? Verstappen brachte ihn einst in Österreich mit einem Brechstangen-Manöver um seinen ersten F1-Sieg, was Leclerc zum Anlass nahm, um die Gangart sofort zu verschärfen und zu beweisen, dass auch er anders kann. Wenn diese beiden Vollblut-Rennfahrer heute aufeinandertreffen, kann es ein spektakuläres Feuerwerk geben.

7. - S wie Sieger

Wer gewinnt also? Es wird auf ein Duell zwischen Ferrari und Red Bull hinauslaufen, da sind sich alle einig. Nur wer? Leclerc ist hungrig auf einen weiteren Sieg, sein letzter war Monza 2019. Wie viel Risiko ist er bereit zu gehen? So viel wie in den unterlegenen Ferraris der letzten beiden Jahre ging? Oder blickt er jetzt schon mit einem Auge auf die Weltmeisterschaft? Sicher ist nur, dass auf der anderen Seite Verstappen nicht zurückstecken wird.

Und das erinnert daran: Es gibt auch noch Carlos Sainz und Sergio Perez. Beide sind mehr als fähig, besonders im Renn-Trimm an der Spitze mitzufahren, und ihre Teamkollegen gehörig unter Druck zu setzen. Und wer weiß - wenn es vorne rund geht, kann der alte Fuchs Lewis Hamilton vielleicht abstauben. Es ist angerichtet für die Formel-1-Saison 2022.