Haas stellte am Freitag als erstes Team sein Auto für die Formel-1-Saison 2022 vor. Ein echtes war es natürlich nicht - die Testfahrten beginnen erst in drei Wochen. Hätte man jetzt schon ein fertiges Auto, würde man Zeit, Geld und damit schließlich Performance verschenken. Je später die Fahrzeugteile in Produktion gehen, desto besser, weil länger entwickelt werden kann.

Als Mick Schumacher am vergangenen Wochenende beim Team war, existierte gerade so viel vom Fahrzeug, dass der Sitz angepasst werden konnte - nicht mehr. Haas verschickte deshalb Computer-generierte Fotos aus dem CAD-Modell, sogenannte Renderings. Solche Bilder sind immer mit Vorsicht zu genießen. Teile, die dort zu sehen sind, müssen nicht hergestellt werden. Technik-Direktor Simone Resta und Teamchef Günther Steiner gaben beide offen zu, dass es sich beim gezeigten Modell noch nicht um die letzte Ausbaustufe handelt.

Das Problem ist in diesem Fall, dass das neue Reglement sehr restriktiv ist. Am prinzipiellen Konzept wird es keine großen Unterschiede zwischen dem von der Formel 1 vorgestellten Modell und den fertig entwickelten Boliden der zehn Teams geben. Unterschiede wird es zwischen den Autos schon geben, nur eben im Detail. Und genau diesen Details darf man auf Renderings nicht glauben, respektive kann man sie gar nicht erkennen.

Bargeboards verboten, Venturi-Kanäle erlaubt

Nach dem Verbot der Bargeboards verschiebt sich die Spielwiese der Ingenieure 2022 weiter nach hinten. Die Einlässe der Venturi-Kanäle sind beim neuen Reglement besonders interessant. Hier sind auch durchaus schon deutliche Unterschiede zum Formel-1-Modell zu erkennen, aber eben noch nicht allzu viele Details.

Der Einlass der Venturi-Kanäle ist 2022 eine Spielwiese der Ingenieure, Foto: Haas F1
Der Einlass der Venturi-Kanäle ist 2022 eine Spielwiese der Ingenieure, Foto: Haas F1

Gleiches gilt für die Oberseite des Unterbodens. Die Ränder werden ein spannender Entwicklungsbereich. Schürzen wie in der ersten Ära der Wingcars sind verboten. Die Teams versuchen die Kanäle anders zu versiegeln. Dafür braucht es gezielte Turbulenzen vom Unterboden.

Nun genug der schlechten Nachrichten vom Haas-Launch. Es sind nämlich durchaus interessante Dinge am VF-22-Rendering zu erkennen, beginnend bei der Nase. Die zieht sich weit nach unten, ist aber nicht so plattgedrückt wie am Formel-1-Modell. Aber Vorsicht: Hier gibt es sogar unterschiedliche F1-Modelle. Am gebauten F1-Modell ist die Nase plattgedrückt, auf Renderings gibt es auch eine ästhetischere Version.

Die Formel 1 war sich beim Frontflügel selbst nicht so sicher: Hier schwebt das untere Element, Foto: F1
Die Formel 1 war sich beim Frontflügel selbst nicht so sicher: Hier schwebt das untere Element, Foto: F1
Bei dieser Variante sind alle Elemente direkt mit der Nase verbunden, Foto: LAT Images
Bei dieser Variante sind alle Elemente direkt mit der Nase verbunden, Foto: LAT Images

Die beiden F1-Modelle unterscheiden sich auch in ihrer Frontflügel-Befestigung. Einmal waren alle vier Elemente direkt mit der Nase verbunden, einmal nur die oberen drei. Am Haas münden nur die oberen drei Flügel-Elemente in der Nase, das unterste Element spannt sich hingegen vor der Nase über die gesamte Fahrzeugbreite.

An der Vorderachse gibt es die 18-Zöller von Pirelli, Radkappen und kleine Kotflügel zu sehen. Nichts davon ist spannend, es handelt sich um Standard-Teile. Die Radaufhängung selbst ist interessanter: Der Haas VF-22 verfügt über Pushrods, also Druckstreben.

Die Räder sind standardisiert, Foto: Haas F1
Die Räder sind standardisiert, Foto: Haas F1

Damit fuhren zuletzt alle Teams, doch der eine oder andere Experte erwartet durch das Reglement auch wieder Pullrod-Lösungen. Haas hingegen setzt - zumindest beim gezeigten Modell - auf Pushrods. Das könnte auch ein Hinweis auf Ferrari sein. Haas ist Großkunde in Maranello. Alles, was das Reglement erlaubt, kauft der Rennstall bei Ferrari. Ein Vorjahresprodukt kann Haas 2022 nicht kaufen.

Zeigt der Haas schon Ferrari-Elemente?

Generell ist die Zusammenarbeit zwischen Ferrari und Haas interessant. Vor den regelbedingten Budget-Kürzungen unterhielt Haas bereits ein Büro im Ferrari-Windkanal von Maranello, den man mitbenutzt. Wegen der Budgetobergrenze musste sich Ferrari aber im Vorjahr verkleinern. Als Folge wechselten zwischen 30 und 35 Ingenieure zu Haas. Sie arbeiten jetzt in einem zweiten gesonderten Standort in Maranello.

Technik-Chef Simone Resta arbeitet fast zwei Jahrzehnte für Ferrari, ehe er über den Umweg Alfa-Sauber 2021 zu Haas gelangte. Die neugewonnene Nähe hat aber vom Reglement auferlegte Grenzen. Teile- und Wissenstransfer darf es nur in klar definierten Fällen geben. Die Aerodynamik ist tabu.

Die Seitenkasteneinlässe fallen minimalistisch aus, Foto: Haas F1
Die Seitenkasteneinlässe fallen minimalistisch aus, Foto: Haas F1
Beim Formel-1-Modell sind die Seitenkasteneinlässe riesig, Foto: LAT Images
Beim Formel-1-Modell sind die Seitenkasteneinlässe riesig, Foto: LAT Images

Der interessanteste Bereich am gezeigten Haas-Modell befindet sich zwischen Vorder- und Hinterachse: Die Seitenkästen. Hier sind gravierende Unterschiede zu Formel-1-Modell zu erkennen. Gewiss logisch, denn beim F1-Konzept musste auch keine Power Unit integriert werden. Es handelte sich nur um ein Showcar.

Die Öffnungen der Seitenkästen am Haas sind jetzt aber minimalistisch klein. Interessant, dass dabei die Airbox nicht wuchs. Hinter den Öffnungen gehen die Seitenkästen zunächst jedoch voluminös auseinander. Das fällt vor allem im Vergleich mit dem Vorjahresboliden auf. Die Seitenkästen sind vorne viel breiter.

Dafür ziehen sie sich dahinter enger zusammen und fallen vor allem sehr schnell und sehr steil ab. Somit ergibt sich eine regelrechte Rampe nach unten in Richtung Unterbodenoberseite. Das konnte man bei vielen Teams schon in den letzten Jahren erkennen. 2022 könnte das Konzept noch entscheidender werden, weil es nicht nur darum geht, den Diffusor von den Hinterrädern abzudichten. Die Luft wird auch benötigt, um die Venturi-Kanäle von oben zu versiegeln.

An der Unterbodenkante sind noch mehr Details zu erwarten, Foto: Haas F1
An der Unterbodenkante sind noch mehr Details zu erwarten, Foto: Haas F1

Die Seitenkästen sind 2022 ein spannender Bereich, in dem sich viel ändern wird. Die obere seitliche Crashstruktur muss bei vielen Teams Reglement-bedingt nach oben wandern. Die Öffnung spannt sich nun darunter und nicht mehr darüber auf. Zudem öffnen sich vor dem Seitenkasteneinlass die Venturi-Kanäle.

Heckflügel, Beamwing und Diffusor sehen dem F1-Modell zum Verwechseln ähnlich. Auch nach extremer Aufhellung sind hier keine interessanten Details zu erkennen. Es ist fraglich, ob man hier nicht mehr zeigen will, ob man zu einer sehr ähnlichen Lösung gekommen ist oder ob das Reglement nicht viel mehr Freiraum lässt.

Gewichtsprobleme in der Formel1

Ein entscheidendes Detail wird keine einzige Fahrzeugpräsentation ans Licht bringen: Das Gewicht. 795 Kilogramm sind Pflicht. Doch die 43 zusätzlichen Kilogramm im Vergleich zum Vorjahr sind mehr Aufgabe als Pflicht. Größere Räder und höhere Sicherheitsvorschriften machen den Ingenieuren das Leben schwer. "Das ist sehr schwer, das Gewicht zu erreichen", so Resta.

Fazit: "Der Teufel liegt im Detail", fasste Simone Resta die Sache passend zusammen. Die Performance werden sich die Ingenieure 2022 wohl über Details holen, nicht über komplette Fahrzeugkonzepte. Von diesen Details war am VF-22 noch wenig zu sehen. Die Renderings geben aber einen ersten Eindruck, der das F1-Modell bestätigt. Ganz anders sind nur die Seitenkästen.

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