Gewitterstimmung zwischen Yuki Tsunoda und Lance Stroll nach dem Großen Preis von Brasilien 2021 der Formel 1. Nach drei Runden war der Japaner mit einem extrem späten Ausbremsversuch ins Senna-S in den Aston Martin des Kanadiers gekracht. Dabei riss sich Tsunoda selbst den Frontflügel ab, fing sich eine Zeitstrafe von zehn Sekunden ein und ruinierte so sein eigenes Rennen, während Stroll 40 Runden später wegen Spätfolgen der Unfallschäden vorzeitig aufgeben musste. Anders als die Stewards sieht Unfallverursacher Tsunoda den Fall allerdings längst nicht so klar.

Den Anfang nahm das Übel mit Tsunodas Reifenwahl. Als einziger Fahrer startete der Japaner auf weichen Reifen - und wollte zu Rennbeginn den besseren Grip des Soft-Klebers nutzen, um sich in eine maximal gute Position zu bringen. Nach drei Runden übertrieb es der Japaner im Duell mit Stroll allerdings deutlich. Vor dem Senna-S bremste Tsunoda extrem spät und wollte sich so links innen an Stroll vorbeidrücken. Doch der lenkte ein - es knallte.

Stewards verdonnern Tsunoda für "optimistisches Manöver"

Nach Ansicht der Stewards ein klarer Fall. "Tsunoda verursachte eine Kollision mit Auto 18 (STR)", schrieben die F1-Richter in ihrem Urteil. "Auto 22 [Tsunoda] war auf der vorderen Geraden im Windschatten von Auto 18 und war innen in Kurve eins nennenswert schneller", heißt es weiter in der Urteilsbegründung. "Dennoch hat er zu spät gebremst und ist mit diesem optimistischen Manöver mit Auto 18 kollidiert. Die Stewards sehen ihn vollständig schuldig." Dafür setzte nicht nur eine Zeitstrafe von zehn Sekunden, sondern auch zwei Strafpunkte auf die Superlizenz. Dort steht der Japaner nun bei sechs Zählern. Ab dem zwölften erfolgt eine Rennsperre.

Für Tsunoda liegt die Sache jedoch längst nicht so klar - weder die Schuldfrage noch das Urteil. "Ich bin heute ziemlich frustriert", sagt Tsunoda. "Wir haben mit den Reifen eine gute Wahl getroffen, aber leider hat die Kollision mit Stroll mein Rennen komplett zerstört. Ja, es war ein riskantes Manöver. Aber er hat einfach gar nicht in seinen Rückspiegel geschaut", schimpft der F1-Rookie. "Auf keinen Fall! Er hat einfach seine normale Linie genommen."

Tsunoda: Zehn-Sekunden-Strafe ist lächerlich

Deshalb sei es überhaupt erst zu seinem Verbremser gekommen, verteidigt sich Tsunoda. "Ich hatte zunächst gar kein Lock-up. Erst, als ich realisiert habe, dass er überhaupt nicht geschaut hat", erklärt der Japaner. "Das war schade. Denn dieses Manöver war in Ordnung." Deshalb verstehe er auch das Strafmaß nicht - oder überhaupt die Strafe. "Zehn Sekunden Strafe sind da absolut ... fünf Sekunden wären für mich schon hart gewesen, aber zehn Sekunden sind für mich echt lächerlich", schimpft Tsunoda in Richtung Stewards-Büro.

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Zu holen war für den Japaner nach der Szene nichts mehr. "Er hat signifikanten Schaden erlitten und das hat seine Rennpace sehr beeinflusst", sagt Guillaume Dezoteux, Chef für Fahrzeugperformance bei AlphaTauri. Hinzu kam eine Grunde mit völlig kaputtem Flügel und die Strafe - mehr als P15 war so nicht mehr möglich.

Stroll kritisiert Tsunoda: Verzweiflungstat

Noch weniger sprang für Stroll heraus. In Runde 48 musste der Kanadier seinen Aston Martin abstellen. Schon unmittelbar nach dem Unfall war der AMR21 lädiert, erst in Runde 30 verabschiedeten sich dann noch weitere Teile seines Boliden, die sich auf Start-Ziel verteilten und so eine virtuelle Safety Car Phase auslöste, die wiederum ausgerechnet Teamkollege Sebastian Vettel strategisch alles andere als in die Karten spielte und den Deutschen wohl eine Ankunft in den Punkterängen kostete.

Der größere Ärger herrscht allerdings bei Stroll. "Du bist nicht derjenige, der sich entschuldigen muss", funkte Stroll bereits an seinen Renningenieur als der ihn informierte, leider aufgeben zu müssen. "Der verdammte Tsunoda war meilenweit hinten! [...] Er ist auf Soft gestartet und hat ein gutes Auto. Er wollte einfach unbedingt in den ersten Runden Positionen gewinnen, danach wäre er ja eh eingegangen. [...] Sorry für meinen Frust, aber ich bin einfach angepisst wegen Tsunoda!"

Aston Martin Teamchef: Tsunoda rücksichtslos & ungeschickt

Auch mit weniger Adrenalin als im Cockpit ist der Ärger des Kanadiers nicht verflogen. "Sein Manöver war super verzweifelt. Er war einfach zu weit weg. Keine Ahnung, was er da gemacht hat. Das war verzweifelt. Einfach viel zu optimistisch", berichtet Stroll nach dem Rennen in einem ziemlich ähnlichen Wortlaut wie die Stewards in ihrem Urteil. "Der Kontakt hat mein Auto beschädigt", berichtet Stroll. "Es wurde einfach immer schlimmer. Es fing mit 25 Punkten [verlorenen Abtriebs] an, dann waren es 45. Es flogen einfach immer mehr Teile vom Auto ab und es ging nur nach hinten ...", schildert Stroll seinen Knock-out.

Otmar Szafnauer schäumt ebenfalls vor Wut. "Tsunoda hat sein Auto in Kurve eins rücksichtslos in die Innenseite von Lance' geschleudert und eine Kollision verursacht, für deren Ungeschicklichkeit er zurecht eine Zehn-Sekunden-Strafe erhalten hat", lässt sich der Teamchef in der Presseaussendung Aston Martins zitieren. "Danach hat Lance sein bestes gegeben, aber sein Auto wurde von Tsunoda so übel beschädigt, dass wir ihn letztlich aus dem Rennen nehmen mussten."