Fernando Alonso erneuerte beim Großen Preis der USA 2021 seine jüngst geäußerte Kritik an der FIA für in seinen Augen inkonsequente Entscheidungen und eine Ungleichbehandlung verschiedener Fahrer. Bereits vor dem Türkei-GP hatte der Spanier unterstellt, die Regelhüter würden britische Fahrer bevorteilen. Aufhänger waren das unbestrafte Überfahren der weißen Linie am Boxeneingang durch Lando Norris zuvor in Russland und Alonsos dortiges Abkürzen der ersten Kurve. Das wurde in den Augen des Spaniers sehr viel mehr aufgebauscht als ähnliche Vorfälle beim Österreich-GP.

Gleich mehrere Szenen in Austin lieferten Alonso nun Futter für eine neue Schelte, an den meisten war der Spanier sogar selbst beteiligt. Erst hatte Kimi Räikkönen den Spanier in Kurve eins über die Außenbahn überholt und geriet dabei mit allen vier Rädern neben die Strecke. Seinen Platz durfte der Finne allerdings behalten. Anders als Alonso, der einige Runden später Antonio Giovinazzi überholte, indem er die Auslaufzone von Kurve 12 nutzte. Anders als Giovinazzi, der analog Alonso kassierte. Anders als Carlos Sainz, der direkt nach dem Start Lando Norris neben der Strecke überholte.

Alonso kritisiert: Regeln sind zufällig und inkonstant

Sie alle mussten ihre Position zurückgeben, nur Räikkönen nicht. "Die Regeln sind ein bisschen Zufallsprinzip", kritisierte Alonso deshalb nach dem Rennen. "Das mit Kimi fühlte sich seltsam an", ergänzte der Spanier vielsagend. "Wenn du abseits der Strecke Vollgas fährst, dann musst du den Platz zurückgeben. Aber Kimi hat nichts getan. Da dachte ich, das sei inkonstant."

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Schon während des Rennens hatte Alpine in sarkastischem Ton mit eingestimmt. "Michael, nur um zu bestätigen - wir können abseits der Strecke überholen", funkte Teammanager Alan Permane aufgebracht an FIA-Rennleiter Masi. Nein, natürlich nicht, beteuerte der Australier. "Aber Räikkönen darf es", hallte es hörbar vorwurfsvoll-verstimmt zurück.

Fernando Alonso mit Fußball-Vergleichen

Alonso lief derweil nach dem Rennen immer weiter zu Hochform auf. Neue und klarere Regeln brauche es nicht, so Alonso. "Nein, ich denke nicht, dass wir irgendetwas brauchen. Die Regel ist sehr klar. Wir müssen die Regeln nur anwenden. Wenn du den Fußball ansiehst, dann ist es ein Elfmeter, wenn du den Ball im Strafraum mit der Hand spielst. Eine Regelklarstellung ist also nicht nötig", betonte Alonso.

Das war eine deutliche Kritik an der FIA. Für Alonso werden die Regeln nicht immer befolgt. "Du musst nur die Entscheidung treffen und sagen, dass das eine Strafe ist. Denn wenn nicht, wird im Strafraum jeder den Ball mit der Hand spielen. Wir brauchen keine Modifikation. Wir müssen einfach die Regeln anwenden, wenn es geschieht", sagte der Asturier.

Alonso prangert an: Ich werde schärfer beobachtet

Warum das nicht geschieht? Für Alonso spielt - einmal mehr - die Charakterfrage eine Rolle. Sich selbst fühlt Alonso ganz besonders beobachtet, andere weniger. Wie in Russland Lando Norris als Brite, wie in den USA Kimi Räikkönen. "Es hängt davon ab, wer es macht", sagte Alonso. "In Sotschi habe ich Kurve eins verpasst und Donnerstag in der Türkei war das ein heißes Thema. Und hier - ohne dass Leute rausgedrückt wurden - waren drei Autos in Kurve eins draußen, es war ihre eigene Entscheidung. Also schauen wir mal, ob es in Mexiko ein heißes Thema sein wird oder ob einfach alles in Ordnung ist, weil Fernando keine Manöver außerhalb der Strecke gemacht hat", giftete der Alpine-Fahrer.

Doch was sagt überhaupt die FIA zu derlei Anschuldigungen? Von der Unterstellung einer Ungleichbehandlung ist man in der Rennleitung natürlich alles andere als begeistert. "Ich denke, es ist lustig, wie die Vorfälle geschehen", sagte Masi in Austin zum jüngst häufig im Fokus stehenden Alonso. "Aber ich behandle alle und jeden Vorfall gleich und habe einen Blick auf jedermann, egal wer da beteiligt ist", versicherte der Rennleiter.

FIA versichert Gleichbehandlung, versteht Alonso-Frust

In der betreffenden Szene in Austin zeigt Masi sogar Verständnis für Alonso. "Ich kann seinen Frust verstehen. Ich habe seinen Frust nicht gehört, aber ich kann ihn verstehen. Der Call, was ihn und Kimi in Kurve eins anging, war sicherlich grenzwertig", gesteht der Australier und verspricht: "Das ist etwas, worüber wir mit ihnen beim nächsten Fahrermeeting mit allen Fahrern diskutieren werden."

Kommt Alonso zumindest hier zu seinem Verlangen, dass eine Szene zu seinem Nachteil "heiß" diskutiert wird? Ja und nein. Masi nennt für sein Interesse, das Thema in Mexiko nochmals aufzubringen noch einen anderen Grund. Nämlich die Erklärung, warum Räikkönen in Austin seinen Platz behalten durfte und nicht bestraft wurde. "Die Geschichte hat zwei Seiten", sagte Masi. "Da ist natürlich das Überholmanöver - und da ist der Blick auf das Abdrängen von der Strecke. Und dann natürlich das folgende Element des Überholvorgangs. Deshalb werden wir das beim nächsten Meeting besprechen."

Rennleiter erklärt 'grenzwertige' Szene: Alonso hat auch abgedrängt

Heißt im Klartext: Die FIA ließ Räikkönen davonkommen, weil er alles andere als freiwillig neben die Strecke fuhr, sondern von Alonso erst dorthin gedrängt wurde. Somit sei der Spanier selbst mitverantwortlich gewesen. Genau deshalb sprach Masi auch von einer grenzwertigen Entscheidung. "Da triffst du den Nagel auf den Kopf, deshalb war es ein grenzwertiger Call", sagte Masi auf Nachfrage. "Es gab natürlich die zwei Elemente, die angesehen wurden und es wurde bestimmt, dass es auf dieser Basis zu der Entscheidung kommt: 'Lasst es einfach wie es ist.' Aber natürlich wird das ohne Zweifel beim nächsten Fahrermeeting besprochen."

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Dass Alonso mit seinem auffälligen, nur kurz darauffolgenden Verbremser und dem illegalen Überholmanöver gegen Giovinazzi seinen Punkt habe beweisen wollen, glaubt Masi nicht. "Nein, überhaupt nicht", sagte der Australier. "Ich habe Fernandos Funk nicht gehört, aber er ist natürlich von der Strecke runter und ich habe dem Team dann empfohlen, die Position zurückzugeben, was auch passiert ist." Auch Alonso gab an, er habe nichts beweisen wollen.