Plötzlich ging es auch auf dem oft zähen Fahrermarkt der Formel 1 ganz schnell: Am Mittwoch vor dem Italien-GP verkündete Williams die Verpflichtung von Alexander Albon für die Formel-1-Saison 2022 als Nachfolger des erst tags zuvor durch Mercedes bestätigten George Russell. Dabei hatte es noch am vorherigen Wochenende in Zandvoort große Diskussionen um einen möglichen Wechsel des aktuellen Ersatz- und Simulatorfahrers von Red Bull Racing zu Williams gegeben.

Hintergrund waren große Bedenken seitens Mercedes. Toto Wolff erklärte, er gönne Albon sehr wohl ein Cockpit in der Formel 1, knüpfte dies bei einem eigenen Motorenkunden wie Williams allerdings an klare Bedingungen. Albon müsse vollständig aus dem Red-Bull-Programm ausscheiden, forderte der Mercedes-Motorsportchef.

Mercedes forderte vollständige Freistellung Albons

"Wir müssen sicherstellen, dass unsere IP nicht 1:1 woanders landet", erklärte Wolff noch am Samstagabend in Holland. Sonst fürchte Mercedes eine Weitergabe geistigen Eigentums an den aktuell schärfsten Konkurrenten Red Bull, nach dem Honda-Aus künftig immerhin sogar selbst Motorenbauer in der F1. Wolffs Pendant bei der Konkurrenz, Christian Horner, bezeichnete diese Forderung als etwas ungewöhnlich.

Trotz dieser Meinungsverschiedenheit ging es plötzlich ganz schnell. Nur vier Tage nach der Debatte bestätigte Williams Albon. Möglich war das, weil Red Bull den Briten thailändischer Herkunft tatsächlich zu einem 'Free Agent' machte. "Wir haben Alex freigegeben, um 2022 ein Williams-Fahrer zu werden, aber behalten eine Verbindung zu ihm, die künftige Optionen einschließt", hieß es in einem Statement des Teams.

Red Bull hält Kontakt zu Albon: Horner erklärt Option

Das klang nicht ganz nach der von Wolff geforderten vollständigen Freigabe. Die künftigen Optionen beziehen sich allerdings einzig und allein auf alles ab 2023, versicherte Horner. "Das heißt im Grunde nur, dass wir eine gute Beziehung zu Alex haben, er eine Verbindung mit Red Bull behält und wir eine Option auf seine Dienste haben, sollten wir sie 2023 benötigen", erklärte der Brite via F1.com. Die Freigabe für 2022 sei vollständig. Horner: "Sein Vertrag wäre Ende nächsten Jahres sowieso ausgelaufen. Diesen Prozess haben wir nur beschleunigt und uns einfach künftige Optionen gesichert."

Williams-Teamchef Jost Capito bestätigte das in Monza. "Alex ist 2022 zu 100 Prozent ein Williams-Fahrer. Das hat viele Bedenken ausgeräumt", sagte der Siegerländer und lobte eine gute und verständnisvolle Zusammenarbeit mit Wolff. Capito: "Wenn ein Fahrer von einem Team freigegeben wird, was er wurde, muss akzeptiert werden, dass er zu einem anderen Team gehen kann. Und ich denke, dass Toto das auch so sieht. Da er von seinem Red-Bull-Vertrag freigegeben wurde, ist er kein Red-Bull-Fahrer mehr, sondern zu 100 Prozent ein Williams-Fahrer."

Wolff: Williams soll frei entscheiden, Vertraulichkeit aber wichtig

Damit zeigte sich Wolff voll und ganz zufrieden. Einmischen können und wollen habe sich Mercedes bei Williams ohnehin nicht. "Wir haben immer die Autorität eines Teams respektiert, seine Fahrer zu wählen. Ich war bei Williams und hätte nicht gewollt, dass sich jemand in unsere Fahrerentscheidung einmischt. Und genauso haben wir auch keine vertraglichen Rechte, die wir hätten nutzen können oder wollen, weil ich es nicht für richtig halte, sich da einzumischen", sagte Wolff.

Einzig eine IP-Klausel wollte Wolff unbedingt in Albons Vertrag wissen. "Uns war wichtig, dass es sehr strenge und klare IP-Vertraulichkeitsklauseln gibt, wenn sich dem Team ein Fahrer eines anderen Power-Unit-Herstellers anschließt", sagte Wolff. Damit setzte man sich offensichtlich durch. Absolut zufrieden sei er mit der gefundenen Lösung, so Wolff. "Er ist für die nächsten zwölf Monate ein Williams-Fahrer. Er hat während dieser Zeit keine Verbindung zu Red Bull", sagte Wolff.

Jost Capito: Gute Kontakte zu Mercedes und Red Bull

Hilfreich sei dabei eine immer großartige Harmonie zwischen Mercedes und seinem langjährigen Kunden Williams gewesen. "Sie wissen genau, worum es uns geht und was wichtig ist, zu beschützen", sagte Wolff. Hinzu kam - neben Albon-Werbung durch Vorgänger und Kumpel George Russell - die Mercedes-Red-Bull-Schnittstelle Capito. Mit beiden Parteien stand der Williams-Teamchef in seiner Zeit bei Volkswagen Motorsport in Verbindung. Red Bull trat als Großsponsor für VW in der Rallye-WM auf, mit Mercedes arbeitete man als Motorenlieferanten in der Formel-3-Europameisterschaft zusammen.

Albon selbst will noch nicht einmal wissen, worum es bei den Klauseln geht. "Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung", sagte der Brite. "Darüber wurde noch nicht gesprochen. Wir müssen noch abwarten, um zu sehen, welche das sind."

Alex Albon zu Williams: Am Ende gibt es nur Gewinner

Unter dem Strich steht somit niemand als großer Verlierer da. Red Bull hat einen weiteren seiner Fahrer (erneut) in der Formel 1 untergebracht und sich mittelfristig zumindest noch eine Option auf dessen Dienste einbehalten. Mercedes ist mit seiner Forderung einer Freistellung bedient worden. Williams erhält einen würdigen Nachfolger für George Russell. Und nicht zuletzt ist Alex Albon zurück in der Formel 1 statt sich nach Alternativen wie IndyCar oder weiter DTM umsehen zu müssen.

Das freut auch Wolff. "Er verdient es, in der Formel 1 zu sein. Er ist ein toller Kerl. Ich freue mich für ihn, dass er in diesem Auto ist. Er hat keinen Platz bei AlphaTauri oder Red Bull bekommen, aber jetzt ist er bei Williams und bleibt hoffentlich lange Zeit dort", sagte Wolff. Dass Albon das Zeug dazu hat, bescheinigt ihm Ex-Kollege Max Verstappen. "Er weiß, dass er den Speed hat. Ich denke, dass wir das alle wissen. Er hat es seit seiner Zeit im Kart gezeigt", sagte der Niederländer.

Albon bei Williams: Vielleicht mit Red-Bull-Helm, das war's

Unter hohem Druck bei Red Bull vermochte Albon das in seiner ersten F1-Karriere an der Seite Verstappens nicht ganz nachzuweisen - wie schon Pierre Gasly. Doch der blühte bei AlphaTauri wieder auf. Dasselbe traut Verstappen nun auch Albon bei Williams zu. "Es ist vielleicht gut, in einem Umfeld mit weniger Druck zurückzukehren", sagte Verstappen. "Ich bin sicher, dass er es gut machen wird. Natürlich musst du dich erst an das Auto gewöhnen, aber das müssen wir wegen der neuen Regeln sowieso alle. Aber er wird's gut machen."

Langfristig hofft Albon unterdessen auf eine zweite Chance bei Red Bull. "Es wäre ja dumm, nicht zu denken, dass Red Bull ein Team ist, zu dem ich vielleicht zurückkommen kann", sagte Albon. "Aber gerade denke ich nicht wirklich so langfristig." Seine Verbindung zu Red Bull könnte sich dennoch auch bei Williams zeigen. Albon: "Das läuft noch. Aber das wahrscheinlichste ist, dass mein Helm noch immer Red Bull gebrandet sein könnte. Aber das ist es dann vielleicht auch."