Daniel Ricciardos Sieg beim Formel-1-Rennen in Monza war für den Australier in vielerlei Hinsicht ein besonderer Moment. Über drei Jahre musste er darauf warten, wieder ganz oben auf dem Treppchen zu stehen. Seit seinem Abschied von Red Bull stellte er sich diversen schwierigen Herausforderungen, die seine Karriere zuweilen gefährlich ausbremsten. Für McLaren zu gewinnen ist für den 32-Jährigen ein Meilenstein.

"Es tut mir leid, wenn ich jetzt etwas egozentrisch klinge, aber wenn ich an McLaren denke, dann denke ich an Senna. Das sind meine frühen Erinnerungen und wenn ich an die Pokale im McLaren Technology Centre denke, und daran jetzt selbst eine Trophäe mit meinem Namen dort zu haben, ist das verrückt", so Ricciardo, der sich in Italien als 20. Sieger für den britischen Traditionsrennstall in die Geschichtsbücher eintrug.

Für ihn war es der achte Sieg in der Formel 1 und das erste Mal, dass er nicht in den Farben Red Bulls ganz oben stand. Für die Österreicher hatte er 2014 in Kanada seinen ersten und drei Jahre später in Monaco auch seinen bis Monza letzten Triumph gefeiert. "Das bedeutet mir alles. Es hat immerhin dreieinhalb Jahre gedauert und ich wäre ein ziemlicher Trauerklos, wenn mein gesamtes Glück von Rennsiegen abhängen würde", erklärt er.

Über drei Jahre Achterbahn für Ricciardo

Doch der Strahlemann Daniel Ricciardo erlebte in den vergangenen Jahren eine Achterbahn, bei der ihm nicht immer zum Grinsen zumute war. "Seit Monaco 2018 ist sehr viel passiert. Wieder zurück zu sein ist einer dieser Momente, für den wir den Sport lieben. Dann sind es all die beschissenen Tage wieder wert. So einfach ist das", sagt er. Von bescheidenen Tagen hatte er in dieser Zeit einige.

Zunächst gab es die nicht ganz unproblematische Abnabelung von Red Bull. Bei seinen einstigen Förderern fühlte er sich an der Seite Max Verstappens nicht wertgeschätzt und setzte sich zu Renault ab. In Diensten der Franzosen schien er 2019 desillusioniert und unterschrieb schon vor dem Saisonstart 2020 bei McLaren. Mit der Türklinke in der Hand zeigte er im Renault daraufhin eine brillante Saison mit zwei Podestplätzen und Rang fünf in der Gesamtwertung.

Brown motivierte Ricciardo mit besonderer Belohnung

Mit dem Wechsel zu McLaren schien er zusammenzufinden, was zusammengehört. Das Team, das zwei Jahre in Folge als Best of the Rest hinter den Top-Teams abschnitt, sicherte sich den vielleicht besten Fahrer aus dem Mittelfeld. Zum Start ins neue Kapitel war es für McLaren-CEO Zak Brown deshalb wohl ein äußerst wahrscheinliches Szenario, als er Ricciardo als Belohnung für ein Podium eine spezielle Belohnung in Aussicht stellte.

Der US-Amerikaner versprach Ricciardo eine Ausfahrt in einem legendären Auto von Dale Earnhardt aus seiner privaten Sammlung. Die 2001 in Daytona verstorbene NASCAR-Legende ist Ricciardos Jugendheld, der ihn zur Startnummer 3 inspirierte, die er seit 2014 in der Formel 1 zur Schau stellt. "Ich denke mir, vielleicht schenkt er mir das Auto?", stellt Ricciardo nach Monza etwas höhere Ansprüche. "Es ging immer um ein Podium, und dass ich es dann fahren darf. Wir haben nie über einen Sieg gesprochen."

Dass Earnhardts 1984er Chevrolet Monte Carlo in seinen Besitz übergeht, wäre für ihn nur fair: "Er durfte aus meinem Schuh trinken, also gibt er mir vielleicht das Auto. Das ist ein guter Tausch", so Ricciardo mit dem von ihm gewohnt charmanten Humor. Dieser war ihm in den vergangenen Wochen schwer gefallen, denn bis Monza sah es nicht einmal danach aus, als würde er in den Genuss der Probefahrt mit dem legendären NASCAR kommen.

Besonders schwere Zeit nach McLaren-Wechsel

Mit dem Wechsel zu McLaren schien er sich keinen Gefallen getan zu haben. In der ersten Saisonhälfte 2021 hinkte er Teamkollege Lando Norris zumeist deutlich hinterher. Auch mit seiner üppigen Ausbeute aus Monza liegt er in der Tabelle noch 49 Punkte zurück. Der Sieg kam genau im richtigen Moment. "Es ist beruhigend. Ich glaube natürlich an mich, aber ich wurde dieses Jahr sehr gefordert", sagt er.

Zum dritten Mal nach seinem Frustjahr bei Red Bull und dem zähen Start mit Renault fand er sich bei McLaren in einer Situation wieder, die ihm sein Mojo raubte. Du kannst dich sehr leicht verlieren und im tiefsten Inneren hatte ich diese Momente der Frustration und ich habe den Kopf hängen lassen", erklärt Ricciardo. Doch er verließ sich in diesen Situationen stets auf seine innere Stärke.

"Ich bin nie an den Punkt gekommen, wo ich mich dem hingegeben habe. Klar, ich hatte dieses Jahr Tage, an denen ich es nicht geliebt habe. Aber ich hatte diese Tage eigentlich so ziemlich jedes Jahr", sagt er. "Dieses Jahr waren es wohl einfach mehr davon, aber ich hab diese Gefühle auch nie abgewiesen. Ich denke, sie sorgen dafür, dass du die guten Tage mehr schätzt und sie helfen, im Leben die Fragen in deinem Innersten zu beantworten, wie unbedingt du es willst und was es dir bedeutet."

Sieg entfacht Ricciardos Liebe zur Formel 1

Der Sieg in Monza erlöste ihn nach den Startschwierigkeiten von seinen Zweifeln und der Frustration: "Für einen Moment verlierst du die Liebe für den Sport, aber die Klarheit die du danach erlangst, lässt dich verstehen, wie sehr du ihn liebst und wie sehr du es willst. Ich denke, das war am Wochenende die größte Sache", erklärt er. "Dieser Sport ist schwierig, es gibt kein Schwarz oder Weiß. Manchmal kämpfst du damit, Antworten zu finden und ich denke, du musst einfach auf Kurs bleiben und dieser Route treu bleiben."

Dass er bald mit einem legendären Auto seines Idols fahren darf, ist für ihn die Krönung dieser unschätzbar wertvollen Erkenntnis: "Dale Earnhardt ist für mich ein großer Held und die Chance zu bekommen, hinter dem Steuer eines seiner Autos zu sitzen, ist verrückt. In dem Moment werde ich mich kneifen müssen. Das sind die zwei kleine Dinge, die ich sehr zu schätzen weiß und es sind surreale Momente, die mich ergreifen."