Nichts da Geheimfavorit: Die von etlichen Experten im Fahrerlager für den Ungarn-GP hochgehandelte Scuderia Ferrari hat sich im Freitagstraining zum Formel-1-Rennen auf dem Hungaroring alles andere als zum Jäger von Mercedes und Red Bull gemausert. In der ersten Session am Mittag lieferten Carlos Sainz und Charles Leclerc mit den Rängen vier und sieben noch das im Ansatz erwartete Ergebnis, in der heißeren zweiten Sitzung stürzte das spanisch-monegassische Duo allerdings komplett aus den Top-10.

Damit schnitten Sainz und Leclerc auch schlechter ab, als selbst erwartet. Die Ferrari-Piloten hatten vor dem Wochenende die Vorschusslorbeeren externer Stimmen wie der größten Konkurrenz von McLaren oder warnenden Worten selbst von Mercedes relativiert. Ungarn sei mit Monaco nicht mehr gleichzusetzen, berichtete etwa der Spanier. Deshalb rechne er nicht mit erneuter Augenhöhe mit Mercedes und Red Bull. So sah es auch Leclerc. Zumindest von einer guten Chance, die klare erste Kraft im Mittelfeld sein zu können, gingen allerdings beide Fahrer aus.

Ferrari geht in Ungarns Hitze ein: Langsamer statt schneller

Im ersten Training war das zumindest für Sainz auch der Fall, auch vor Leclerc drängelten sich einzig Pierre Gasly und Fernando Alonso. Am Nachmittag rutschte Ferrari dann drastisch ab. Beide Alpine und beide Aston Martin waren schneller, noch dazu der McLaren von Lando Norris und erneut der AlphaTauri von Gasly - Mercedes und Red Bull ohnehin.

"Es war etwas seltsam. Im ersten Training waren wir noch recht happy damit, wie alles lief. Das zweite Training war dann etwas merkwürdig, denn das Auto fühlte sich gar nicht schlechter an", grübelt Sainz. "Die anderen haben es mit der sogar noch heißeren Strecke [zweitweise weit mehr als 60 statt weniger als 60 Grad Celsius wie im FP1] einfach geschafft, sich zu verbessern und bei uns ging es fast schon etwas nach hinten. Das müssen wir ansehen."

Carlos Sainz im zweiten Training drei Zehntel langsamer

Tatsächlich ging es für Sainz nicht nur in Sachen Position von P4 auf P12 zurück. Auch seine Rundenzeit im zweiten Training war mehr als drei Zehntel langsamer als noch in der ersten Session. Leclerc (P11) verlor nur vier Ränge und verbesserte seine Zeit zumindest um zwei Hundertstelsekunden. Allerdings war der Monegasse seinem Teamkollegen am Vormittag wegen Verkehrs auf seiner schnellen Runde auch drei Zehntel hinterhergefahren.

Für Sainz kam der Absturz nach seinen vorherigen Warnungen zumindest nicht völlig überraschend, wenngleich durchaus in dieser Ausprägung. "Leider wussten wir schon, dass wir ein paar Schwächen in unserem Paket haben, bevor wir hierherkamen. Dass es in gewissen Kurven nicht besonders gut sein würde. Heute hat sich das so bewiesen", sagt der 26-Jährige. "In Monaco wären wir im Training niemals Elfter oder Zehnter gewesen. Heute sind wir sofort aus den Top-10 gefallen, sobald etwas in die falsche Richtung ging. Auf so einer Strecke sind wir viel verwundbarer, das ist nicht Monaco."

Nach Red Bull Protest: Von FIA & Mercedes abgewatscht!: (09:16 Min.)

Ferrari setzt auf Wetterwechsel: Kühler kann helfen

Im Umkehrschluss heißt das allerdings auch: Geht es wieder etwas mehr in die richtige Richtung, kann Ferrari in Ungarn auch wieder glänzen. "Wir hoffen, dass wir etwas Pace zurückbekommen und zumindest wieder die Spitze des Mittelfelds sind", sagt Sainz. "Das wird nicht leicht, denn Alpine sieht sehr schnell aus, McLaren sieht schnell aus und der Aston Martin war auch sehr schnell. Es sieht nach einem engen Mittelfeld und einem spannenden Kampf um P3 aus."

Worauf Ferrari dabei am meisten setzt, sind die Bedingungen. Am Samstagmorgen soll es über dem Hungaroring regnen, dann bewölkter bleiben als am Freitag. Das sollte zu zumindest etwas kühleren Bedingungen führen als den Asphalttemperaturen des Freitagnachmittags im hohen 60-Grad-Celsius-Bereich. "Das kann alles gleich wieder durchmischen, es sollte helfen", sagt Sainz. "Es sollte allen helfen, denn die Temperaturen, die wir heute hatten, bringen Formel-1-Autos und diese Reifen ans Limit."

Charles Leclerc trotz P11 zufrieden: Gefühl ziemlich gut

Leclerc geht allerdings davon aus, dass Ferrari am meisten profitieren kann. "Wenn die Temperatur, ohne Regen, auch nur etwas fällt, wäre es perfekt für uns", sagt der Monegasse. Trotz der geänderten Bedingungen am Nachmittag und die größten Probleme bei Ferrari sei die Scuderia grundsätzlich nämlich gut aufgestellt, vermutet der Zweite des vergangenen Großbritannien-GP.

"Die Strecke hat sich etwas verändert, aber wir sind bis jetzt recht zufrieden damit, wie sich das Auto anfühlt. Natürlich werden wir unsere Performance erst im Qualifying sehen, aber jetzt fühlt es sich ziemlich gut an", berichtet Leclerc. "Wir haben noch immer zu arbeiten, um morgen alles bei 100 Prozent zu haben, aber wir sind auf einem guten Weg."

Hungaroring: Ferrari denkt wieder mehr ans Qualifying

Zumindest im Renntrimm sah Leclerc sich auch in der Hitze stark. "Wir müssen uns daran anpassen, aber wir haben heute einen guten Job damit gemacht. Auch im Renntrimm schienen wir ziemlich stark. Jetzt müssen wir noch hier und da etwas am Qualifying feilen und sobald wir das haben, wird alles gut sein", hofft der Ferrari-Pilot.

Gerade auf das Qualifying kommt es in Ungarn ganz besonders an. Überholen lässt sich auf dem Hungaroring bekanntlich alles andere als gut. Deshalb rückt nun auch Ferrari von seiner erst jüngst angeeigneten Strategie ab und fokussiert sich nicht mehr ganz so betont auf die Rennpace. Leclerc: "Wir konzentrieren uns hier etwas mehr auf den Samstag als bei anderen Rennen."