Formal steht die mittelfristige Besetzung der Formel 1 fest. Anfang Oktober 2020 segnete der Motorsportweltrat der FIA das neue Concorde Agreement zwischen dem Regelhüter, dem kommerziellem Rechteinhaber und den F1-Teams ab. Dieses regelt die politischen Machtverhältnisse und kommerziellen Rahmenbedingungen, allen voran die Preisgeldverteilung, in der Königsklasse.

Nach langem Hin und Her waren die zehn aktuellen Formel-1-Ställe zuvor im August auf einen Nenner gekommen und verpflichteten sich bis 2025 der neuen Verfassung. Das garantiert allerdings mitnichten, dass die genaue Zusammensetzung und Anzahl der Formel-1-Teams bis einschließlich dieser Saison ident bleiben wird. Noch immer sind Rückzieher möglich, genauso Neueinstiege.

Formel-1-Einstieg kostet 200 Millionen Dollar Gebühr

Partiell trat erstgenannter Fall nur kurz nach der Concorde-Unterschrift aller Teams bereits ein - zumindest in Form des seitens Honda, Motorenlieferant Red Bulls und AlphaTauris, angekündigten Ausstiegs nach 2021.

Neue Formel-1-Teams haben es unterdessen schwerer. Das Concorde Agreement sieht eine sogenannte ‚Anti-Verwässerungs-Gebühr’ vor. Diese besagt, dass Neueinsteiger sage und schreibe 200 Millionen US-Dollar auf den Tisch legen müssen, wollen sie in der Formel 1 starten. Dieser Betrag ist weit größer als ein Jahresbudget. Immerhin greift ab 2021, Jahr eins des künftig weiter sinkenden ‚Cost Cap’, eine Budgetobergrenze in Höhe von 145 Millionen US-Dollar.

'Anti-Verwässerungs-Gebühr' sichert aktuelle F1-Teams ab

Den Sinn und Zweck dieser durchaus gewaltigen Hürde legt das Wort ‚Verwässerung’ bereits nahe. Sie soll den bestehenden zehn Formel-1-Teams finanzielle Sicherheit garantieren. Hintergrund: In neuen Concorde Agreement ist eine gerechtere Preisgeldverteilung inkludiert. Das Geld wird nicht länger nur an jene Teams ausgeschüttet, die innerhalb der letzten drei Jahre mindestens zweimal in die Top-10 der Konstrukteurswertung gelangten, sondern fair, also zu gleichen Anteilen an alle, unabhängig von sportlichem Abschneiden.

Der Preisgeld-Kuchen wird also schlicht und einfach gezehntelt. Steigt nun jedoch ein elftes Team ein, würde derselbe Kuchen in elf Stücke geteilt. Jedes Stück wäre kleiner, jedes Team erhielte weniger Geld. Um das auszugleichen, gäbe es zwei Möglichkeiten. Entweder der kommerzielle Rechteinhaber backt einen größeren Kuchen oder der Neueinsteiger muss für eine gewisse Entschädigung aufkommen. Weil Ersteres den Gewinn des kommerziellen Rechteinhabers schmälert, fiel die Wahl auf die ‚Anti-Verwässerungs-Gebühr’.

Neuer Formel-1-Chef Domenicali stellt Gebühr-Verzicht in Aussicht

Diese schreckt vor allem kleinere mögliche Interessenten ab. Allerdings nicht alle. Neben einem großen Interesse diverser Automobilhersteller an der Zukunft der Formel 1, wie es der neue Formel-l-CEO Stefano Domenicali kürzlich formulierte, habe die F1-Führung auch andere Anfragen für Teams oder von Organisationen erhalten, die ausloten würden, ob es eine Möglichkeit gebe, in die Formel 1 zu investieren - trotz aktuell noch vorherrschender Ungewissheit wegen der Corona-Pandemie und der Gebühr.

Das umfasst komplette Neueinsteiger sowie Beteiligungen an aktuellen Teams, wie nun neue Wortmeldungen schon alter Bekannter offenbarten. Diese reagierten insbesondere auf eine Aussage Domenicalis zur Anti-Verwässerungs-Gebühr. In einer Runde mit ausgewählten Medien sagte der italienische Formel-1-Chef, ein Verzicht auf diese Gebühr könne theoretisch Anwendung finden. „In Fällen, die dann ohne dieses Geld näher diskutiert werden können“, sagt Domenicali. Generell steht der neue CEO jedoch klar hinter dieser noch unter seinem Vorgänger Chase Carey realisierten Regelung.

Domenicali-Aussage ruft alte Bekannte auf den Plan

Dennoch: Einen Spalt weit öffnete Domenicali die Tür - und rief damit sofort vor allem zwei Anwärter auf den Plan, von denen man erstmals 2019 gehört hatte. Panthera und MIM. Um beide war es durch die abschreckende Gebühr und das wegen der Corona-Pandemie ohnehin auf 2022 verschobene neue Reglement zuletzt weitgehend still geworden.

„Wir begrüßen Stefanos Anmerkungen, aber wir müssen verstehen, unter welchen Umständen auf diese Gebühr verzichtet werden könnte“, sagte nun Benjamin Durand, Mitbegründer des europäisch-asiatischen Panthera-Projekts, unseren britischen Kollegen von RaceFans.net. Aktuell sieht sich Panthera eigentlich andere Optionen wie Investitionen in bestehende Teams an. Ein Wegfall der 200-Millionen-Hürde könnte daran etwas ändern, so Durand.

Formel 1: Monaco F1 Racing Team wagt zweiten Vorstoß

Am Montagabend zog MIM, dahinter verbirgt sich das monegassische Unternehmen Monaco Increase Management, das mitunter Rennfahrer wie Pascal Wehrlein und Alex Palou managt, nach. „Wir glauben, dass die aktuellen Aussagen des neuen F1-CEO Stefano Domenicali, die nahelegen, dass auf die 200 Millionen Einstiegsgebühr für neue Teams verzichtet werden könnte, einen Schritt in die richtige Richtung darstellen“, erklärte Gründer und CEO Salvatore Gandolfo in einem schriftlichen Statement des Unternehmens.

2019 war das Projekt recht forsch an die Öffentlichkeit gegangen, hatte bereits von sehr konkreten Plänen für 2021 samt möglichen Fahrern (Wehrlein, Palou) und Gesprächen mit der Formel-1-Führung berichtet, welche diese nur wenig später gleich dementierte. MIM beharrt allerdings bis heute darauf.

MIM hofft auf Domenicali: Sind bereit für Bewerbung

Gandolfo: „Das Monaco F1 Racing Team Project war das erste, das die Möglichkeit eines Einstiegs schon 2019 mit der F1-Führung aktiv besprochen hat, um eine dementsprechende Struktur aufzubauen, da wir das Potenzial der neuen technischen Regularien gesehen haben, die zunächst 2021 in Kraft treten sollten und wegen der Pandemie dann verschoben wurden.“

Mit Domenicali an der Spitze und dessen jüngste Aussage zu einem möglichen Verzicht auf die Gebühr sieht MIM nun die Zeit für eine neuen Vorstoß gekommen. „Wir begrüßen die offene Einstellung von sowohl Stefano als auch der FIA und sind bereit, die nötigen Schritte zu unternehmen, um unsere Bewerbung zu finalisieren“, sagt Gandolfo, ebenfalls Geschäftsführer und Teilhaber des Formel-2-Rennstalls des kürzlich verstorbenen Adrian Campos.

MIM-Führungsriege & Domenicali: Ferrari-Geschichte verbindet?

Bei dem ersten Vorstoß im Jahr 2019 hieß es, über diese Verbindung wolle Campos gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Gandolfo einen zweiten Versuch unternehmen, ein eigenes Formel-1-Team an den Start zu bringen. Erstmals war Campos bei einem solchen Vorhaben 2010 auf den Plan getreten, aus finanziellen Gründen kam es jedoch nie zu einem F1-Einstieg des Spaniers.

Inzwischen soll es sich bei MIM sehr viel mehr um ein von Campos unabhängiges Projekt handeln. Ein Projekt, das außerdem nicht nur die Unterstützung des Automobilklubs von Monaco, Promoter des Großen Preises von Monaco, genießen soll, sondern auch von alten Verbindungen zu Domenicali profitieren könnte. So fungiert als Berater MIMs der ehemalige Ferrari-Teammanager Daniele Audetto während Alberto Antonini, einst Pressesprecher der Scuderia, nun bei MIM diesen Posten bekleidet. Man kennt sich.

Domenicali: Neue Formel-1-Teams kurzfristig unwahrscheinlich

Von einem schnellen Einstieg ist jedenfalls mitnichten auszugehen, egal ob nun MIM, Panthera oder selbst große Automobilhersteller. Das sei innerhalb der nächsten zwei oder drei Jahre unwahrscheinlich, so Domenicali. Gerade für die Hersteller ist ein zeitlicher Rahmen von vier bis fünf Jahren interessant - wenn 2025 oder 2026 einmal mehr neue Regularien, insbesondere mit Blick auf die Antriebsstränge, eingeführt werden.