Stefano Domenicali ist zurück in der Formel 1. Der ehemalige Teamchef der Scuderia Ferrari, zuletzt CEO beim Sportwagenhersteller Lamborghini, bekleidet seit 2021 den hochrangigsten Posten der gesamten Königsklasse und übernahm von Chase Carey als Geschäftsführer der Formel 1.

Eine Funktion, die unzählige Aufgaben und eine große Verantwortung mit sich bringt. Nicht nur kurzfristig, etwa in Sachen Kalender-Management in einem weiteren Jahr mit COVID-19, sondern auch mittel- bis langfristig. Kurzum geht es um nicht weniger als die Verantwortung für die Zukunft der Formel 1. Diese liegt nun in den Händen des Italieners.

Formel 1 nach Honda-Ausstieg: Neue Hersteller in Sicht?

Auf diverse Facetten dieser Zukunft ging Domenicali kürzlich in seinem Antrittsinterview als F1-Boss mit den britischen Kollegen von Sky Sports F1 ein. Dabei äußerte sich der 55-Jährige zu Themen wie der Rennkalender-Planung, der sozialen Verantwortung der Formel 1 rund um die im vergangenen Jahr groß aufgekommen Themen Diversität und Anti-Rassismus-Kampf (Stichwort ‚We Race as One’), aber auch zu den Grundpfeilern des Sports selbst - Fahrer, Teams und (Motoren-) Hersteller.

Vor allem um Letztere warb Domenicali in dem Interview regelrecht. Mit Mercedes, Ferrari, Renault und Honda ist die Formel 1 hier derzeit zumindest ordentlich aufgestellt. Noch. Mit Honda verabschiedet sich mit Jahresende ein Viertel dieser Riege. Als Grund gab Honda bei der Ankündigung seines Ausstiegs den Umbruch in der Automobilindustrie an. „Wir konzentrieren unsere Stärken darauf, auf einem neuen Gebiet Innovationen zu schaffen, nämlich klimaneutrale Power Units und Energie sowie das Erreichen von Klimaneutralität", erklärte Konzernlenker Takahiro Hachigo.

F1-Boss umwirbt Hersteller: Formel 1 Schaufenster für Hybride

Genau das kann nach Ansicht Domenicalis in der Formel 1 allerdings besonders gut funktionieren. Der Italiener, damals noch ohne offizielle Funktion in der Formel 1, dürfte sich also gewundert haben, als er im Oktober 2020 diese Erklärung aus Japan vernahm.

Für Domenicali steht nämlich fest: Die Königsklasse ist der ideale Ort, um die Vorzüge der Hybrid-Technologie zur Schau zu stellen. Hybride hätten trotz voranschreitender Elektrifizierung nicht nur eine Berechtigung, sondern seien mindestens genauso relevant, wenn nicht relevanter. „Ich denke, dass die Formel 1 eine großartige Zukunft vor sich hat, um zu demonstrieren, dass es in der Automobilwelt nicht nur um Elektrifizierung geht. Ich denke, dass die Hybridisierung ein großartiger Weg ist und eine große Zukunft haben wird“, sagte Domenicali.

Formel-1-Motoren 2026: Einfacher, günstiger, nachhaltiger

Tatsächlich wurde der zur Saison 2014 vollzogene Wechsel von V8-Motoren auf die aktuellen V6-Hybrid-Power-Units abseits von Motorsport-Puristen weitgehend begrüßt und gilt technologisch noch immer als die richtige Marschroute. Stichwort Relevanz für die Serie.

Die enormen Kosten und die unfassbar komplexe Architektur der Power Units hingegen sorgen bis heute für Kritik. Beides verhindert einen Einstieg neuer Hersteller. Das soll spätestens mit der gegenwärtig noch für 2026 geplanten neuen Generation von Motoren in der Formel 1 angegangen werden. Einfacher, günstiger und nachhaltiger lautet die Devise. Ein schon in den kommenden Jahren höherer Anteil von Bio-Sprit ist da nur ein Beispiel.

Domenicali: Nachhaltigkeit geht auch ohne Elektromotoren

Genau diese Kombination mache die Formel 1 für Automobilhersteller dann interessant, wirbt Domenicali. „Das muss die Formel 1 nutzen, um sicherzustellen, dass die Hersteller investieren, damit sie zeigen können, dass es einen Weg gibt, auch auf andere Weise [also nicht mit rein elektrischen Antrieben] nachhaltig zu sein“, sagte der Italiener. „Darauf möchte ich in Zukunft in den Fokus der Teams und Hersteller lenken.“

Den wohl größten Fehler bei der Einführung der gegenwärtigen Power Units vor sieben Jahren will Domenicali dabei unbedingt vermeiden. Es müsse zwar um Spitzentechnologie gehen - aber nicht zu jedem Preis. „Der Fehler, der in der Vergangenheit begangen wurde, hatte damit zu tun, dass nur die Technologie oben auf der Prioritätenliste stand, nicht die Kosten“, sagte Domenicali. Deshalb wolle er darauf ein großes Augenmerk legen.

Formel 1: Kosten & Serienrelevanz im Fokus

„Wir müssen sicherstellen, dass die Hybrid-Technologie, die genutzt werden wird, für Straßenautos relevant ist, aber auch auf einer ganz anderen Investment- und Kosten-Grundlage aufbaut“, sagte der neue Formel-1-Chef. „Es ist nicht möglich, dass eine Power Unit in der Formel 1 so viel kosten kann, wie sie heute kostet. Ich denke, dass es da großen Spielraum gibt.“

Bei alldem will Domenicali nun alle Teams und interessierte Hersteller - schon involvierte, aber auch (noch) unbeteiligte - mit ins Boot nehmen, um so gemeinsam den Formel-1-Motor der Zukunft zu antizipieren und an einem Strang zu ziehen „Ich bin sicher, dass wir das schaffen können“, sagte Domenicali. Denn auch, wenn die Ziele längst definiert sind, so fischt die F1 bei der Umsetzung noch im Trüben.

Die Suche nach einer gemeinsamen Linie

Wie sehr es noch an einer klaren gemeinsamen Vision fehlt, zeigte jüngst erst eine Aussage des neuen Renault-CEOs Luca de Meo. Hybrid als langfristige Zukunft? Der Italiener, wie Landsmann Domenicali erst seit 2021 frisch im Amt, widersprach in einem nahezu zeitgleichen Interview mit der französischen Automobilzeitschrift Auto Hebdo fast vollständig. „Ich stehe nicht an der Spitze des Projekts, aber ich glaube, dass die F1 im Jahr 2024 oder 2025 mehr in Richtung Elektrifizierung gehen wird“, sagte de Meo.

Der Renault-Lenker erhofft sich dank der größeren Reichweite der Formel 1 so eine bessere Werbeplattform für E-Mobilität als selbst in der Formel E möglich wäre. "Ich denke, die Formel 1 muss sich entwickeln und mit den Anforderungen mitgehen, welche mit der Umweltbelastung durch die Automobilindustrie in Verbindung stehen“, sagte de Meo.

Das muss allerdings nicht zwangsläufig kompromisslose Elektrifizierung bedeuten, steckt in Hybrid-Technik noch immer Potenzial in Sachen Nachhaltigkeit in Form von Effizienz und verbesserter CO2-Neutralität.