Steht George Russell vor dem Formel-1-Aus bei Williams nach der Saison 2020? Vor dem Portugal GP gingen erstmals Gerüchte um, wonach der Mercedes-Junior nach dem Besitzerwechsel des britischen Traditionsteams trotz Vertrags bis 2021 nicht mehr fest im Sattel sitzen soll. Zu verlockend seien die Aussichten, den plötzlich verfügbar gewordenen Sergio Perez samt dessen potenter Sponsoren zu Williams zu locken.

Während Russell selbst sich am Donnerstag in Portimao entspannt gab, nur auf seinen gültigen Kontrakt mit dem Team verwies, verweigerte Interimsteamchef Simon Roberts am Freitag ein klares Bekenntnis zu dem Briten. Weder wollte Roberts Russell oder Latifi explizit bestätigen noch eine Verpflichtung Perez’ ausschließen. Egal, was er sage, er würde die Gerüchte damit nur noch mehr befeuern, so die Argumentation.

Wolff: Will Williams nach vorne, sollten sie Russell behalten

Dieses ausgebliebene Dementi fachte das Gerüchtefeuer allerdings erst recht an. Dementsprechend blieb das Thema das gesamte Wochenende über aktuell. „Am Ende ist es Williams’ Entscheidung“, sagte Russells ‚Ziehvater’, Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff in Portimao. Kontakt zu Williams habe er nach Aufkommen der Gerüchte zwar unmittelbar aufgekommen, so Wolff. Mercedes habe allerdings keinerlei Einfluss auf die Entscheidung seines Motorenkunden im Hinblick auf seinen Junioren.

Einzig einen Rat könne er geben. „Wir wissen doch alle um Georges’ Fähigkeiten“, sagte Wolff. „Er ist ein kommender Star und noch ungeschlagen von seinen Teamkollegen in der Formel 1 [Qualifying-Duell]. Manchmal liefert er Highlights in einem Auto, das gerade nicht konkurrenzfähig ist, er ist eine großartige Anlage dieses Teams. [...] Die neuen Besitzer wollen das Team nach vorne bringen. Das geht nur mit guten Fahrern. An ihrer Stelle würde ich Russell behalten.“

Russell fragt bei neuen Bossen nach: Keine Ahnung von Gerüchten

Die finanziellen Belange bei Williams könne er allerdings nicht einschätzen, so der einst selbst in Grove investierte Wolff. „Es ist voll und ganz Sache der neuen Besitzer und Simon, zu entscheiden, was sie in Zukunft machen wollen“, sagte Wolff. Der Österreicher gibt sich allerdings optimistisch. „Ich denke nicht, dass es schlecht aussieht“, sagte Wolff. Auf die Gerüchte gibt der Wiener offensichtlich nicht gerade viel. „Es gibt viele Theorien, ob er bleibt oder nicht und es gibt viele Fahrer, gute Jungs, da draußen, die auch etwas Budget bringen“, verwies Wolff recht deutlich auf Perez.

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Auch Russell selbst hält nur wenig von den Gerüchten. Nach seinen ersten Äußerungen am Donnerstag glaubt der Brite den Spekulationen einige Tage später nun noch weniger. Wie vor dem Wochenende angekündigt, hat sich der Youngster inzwischen nämlich mit den neuen Besitzern von Dorilton Capital getroffen, um das Thema anzusprechen. „Sie haben gesagt, dass sie keine Ahnung haben, woher diese Gerüchte gekommen sind“, berichtete Russell am Sonntag nach einem Gespräch mit dem in Portimao anwesenden Vorstandschef Matthew Savage.

Russell glaubt: Perez-Lager will Druck auf Red Bull machen

Der Brite hat sich nun selbst eine Theorie zurechtgelegt - zum Ursprung der Gerüchte. „Ich denke, dass all diese Spekulation vielleicht vom Perez-Lager genährt wurden. Die versuchen, Druck auf andere Teams auszuüben, potenziell wegen eines Red-Bull-Cockpits. Das ist meine Sicht darauf“, sagte Russell. Bei Red Bull wird gegenwärtig mitunter Perez als Nachfolger des 2020 schwachen Alexander Albon gehandelt. Allerdings nicht ohne Konkurrenz - auch der Name Nico Hülkenberg fällt immer wieder.

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Sollte Russells Theorie zutreffen, funktioniert der Plan allerdings nicht gerade gut. Red Bull sieht sich klar am längeren Hebel. „Ich denke, dass all diese Fahrer Red Bull Priorität gegenüber allen anderen Cockpits einräumen. Deshalb gehe ich davon aus, dass sie darauf warten wie die Entscheidung ausfällt“, sagte Teamchef Christian Horner.

Wolff: Mercedes auch beim Motorenkunden ohne Handhabe

Russell gibt sich spätestens nach dem Gespräch mit Savage jedenfalls vollständig überzeugt: „Ich habe einen Vertrag, ich muss mir um nichts Sorgen machen und bin einfach nur hier, um mich auf meinen Job zu konzentrieren.“ Das funktionierte offenbar gut. „Seine Herangehensweise uns seine Einstellung haben sich nicht verändert“, berichtete Williams’ Leiter für Fahrzeugperformance, Dave Robson. „Er ist der gleiche wie immer und hat seinen Job so gut wie immer verrichtet, vielleicht sogar noch besser.“

Noch dazu habe Toto Wolff versichert, ihm den Rücken freizuhalten, so Russell. Das bestätigte der Mercedes-Motorsportchef. Auch ohne konkrete Handhabe bei Williams. Die gebe es nämlich auch Motoren-seitig nicht, so Wolff. „Am Tag, an dem sie ihn feuern, werde ich die Preise [für die Belieferung mit Power Units] um 300 Prozent erhöhen“, scherzte Wolff. „Leider kann ich das nicht, denn wir haben einen Fünfjahresvertrag. Diese Dinge laufen unabhängig. Es gibt Verträge, die sind gültig und wir respektieren sie. So machen wir das bei Mercedes.“ Subtext: Bitte macht es auch bei Williams so.

Wolff verspricht Russell Mega-Programm für den Worst Case

Für den Fall, dass Williams sich letztlich wider Wolffs Erwarten doch gegen Russell entscheiden sollte, versprach der Österreicher seinem Junior vollen Einsatz für ein Notfall-Programm. „Sollte George durch das System rutschen und so zu unserer Truppe stoßen, hätten wir einen sensationellen Ersatzfahrer“, sagte Wolff. „Ich würde ihm ein Mega-Test-Programm auferlegen und bestmöglich darauf vorbereiten, 2022 zu explodieren!“