Die Formel 1 ist voller Ironie. Trotz sportlicher Erfolge zog Sergio Perez in der Silly Season gegen Racing-Point-Teamkollege Lance Stroll den Kürzeren und muss 2021 für Sebastian Vettel Platz machen. Wenige Wochen später könnte sich das Blatt für den Mexikaner wenden. Nun soll er es sein, der droht, Williams-Teamleader George Russell mit seinem Geld aus dem Cockpit zu verdrängen. Das Aus für den Mercedes-Junior wäre für den Sport ein herber Verlust. Doch ausgerechnet Russells Förderer Toto Wolff bricht eine Lanze für Paydriver.

"Nennt mir nur einen Fahrer, der diese Saison nicht verdient hier ist", so der Österreicher, der offenbar anders als viele Experten und Zuschauer empfindet. Schaut man auf die nackten Zahlen, drängt sich sofort ein Beispiel auf, dass Wolff die Antwort auf seine Frage gibt. Der Tausch von Perez statt Stroll gegen Vettel beim zukünftigen Aston-Martin-Team ist kein Entschluss, welcher der Definition einer Leistungsgesellschaft entspricht.

An 30 gemeinsamen Rennwochenenden unterlag Stroll im Qualifying 25 Mal. Nach Punkten geht der Vergleich mit 126:78 auch relativ deutlich zugunsten von Perez aus. Trotzdem stand bei den Verhandlungen mit Vettel im Hause Racing Point nie eine Entlassung Strolls zur Debatte. Logisch, schließlich handelt es sich bei ihm um den Sohn von Teambesitzer Lawrence Stroll.

Toto Wolff bekräftigt Leistungsgesellschaft Formel 1

"Ich bin da unvoreingenommen, denn ich bin auch der Meinung, dass jemand verdient hier sein sollte", so Wolff, der Strolls Kritiker nicht versteht und auf die Karriere-Highlights des 22-jährigen Kanadiers verweist: "Er hat die italienische Formel 4 und die Formel 3 Europameisterschaft gewonnen, und er war zweimal auf dem Podium und hat sich im Regen in Monza in der ersten Reihe qualifiziert."

Dass Stroll in der Formel 1 das eine oder andere Resultat auf der Habenseite hat, steht außer Frage. Doch in der Regel hat der teaminterne Vergleich mit dem Teamkollegen bei der Bewertung der fahrerischen Leistung das meiste Gewicht. Seit seiner Ankunft in der Formel 1 ließ Stroll erst einen Stallgefährten hinter sich. 2018 bezwang er Rookie Sergey Sirotkin nach Punkten, unterlag dabei jedoch im Qualifying-Duell.

Gegen Perez setzte er sich bisher nicht durch und selbst Nico Hülkenberg war bei einem seiner beiden Auftritte als Edelreservist der schnellere Mann. Argumente für den Verbleib Strolls lassen sich in der Leistungsgesellschaft der Formel 1 basierend auf den Ergebnissen schwer finden. Racing Point lässt mit Perez den schnelleren Fahrer über die Klinge springen. Kaum vorstellbar, dass Mercedes und Red Bull dasselbe mit Lewis Hamilton und Max Verstappen machen würden.

Wolff bricht Lanze für Stroll: Kann nichts für seinen Vater

Wolff ist dennoch der Überzeugung, dass Stroll seinen Platz im Grid zu Recht innehat. "Ich denke nicht, dass jemand sagen kann, dass er unverdient hier ist, nur weil sein Vater ein Milliardär ist. Ich glaube, dass er eigentlich sogar unter diesem Stigma leidet, und das ist einfach nicht richtig", verteidigt er den 72-fachen Grand-Prix-Teilnehmer und attestiert diesem sogar ein besonders starkes Durchsetzungsvermögen.

"Er kann nichts dafür, dass sein Vater auf seine eigene Weise erfolgreich ist. Es ist sogar noch beeindruckender, dass ein Junge aus diesem Umfeld sich für eine der härtesten Sportarten auf der Welt entscheidet. Da gibt es für mich ehrlich gesagt gar keine Diskussion", erklärt Wolff. Und was für Stroll gilt, lässt sich natürlich auch auf dessen Landsmann Nicholas Latifi übertragen.

Der Rookie liegt bei Williams im Qualifying-Duell mit 0:12 gegen Russell zurück und ist damit genauso auf verlorenem Posten wie im Vorjahr Robert Kubica. Der große Unterschied: der Pole kam nach einer schweren Verletzung und acht Jahren Pause in den Sport zurück, während Latifi nach einer ausgedehnten Juniorkarriere aufstieg.

Paydriver für Wolff deutlich stärker als vor zehn Jahren

Fünf Siege in vier Jahren Formel 2 klingen nicht nach einer Offenbarung, doch für den Mercedes-Teamchef ist der Platz in der Königsklasse auch mit diesen Bilanzen mehr als gerechtfertigt. "Es ist seine erste Saison und es ist nicht wie vor zehn Jahren. An die Typen, die in die Formel 1 gekommen sind ohne in den Nachwuchsserien ein einziges Rennen gewonnen zu haben, kann ich mich nicht einmal erinnern", so Wolff.

Mit der Ankunft neuer, finanziell chronisch klammer Teams wie Virgin Racing, Lotus und HRT fanden in der Tat auch vermehrt Paydriver den Weg in die F1. 2010 waren das Sakon Yamamoto, Karun Chandhok, Bruno Senna, Vitali Petrov und Lucas di Grassi. Sie debütierten allesamt mit Geld im Rücken, hatten entgegen der Aussagen Wolffs in den Nachwuchsserien allerdings auch Einzelerfolge nachzuweisen - genau wie Latifi.

Durch das Aus der kurzweiligen Hinterbänkler-Teams ist die Anzahl an Paydrivern in den vergangenen Jahren wieder zurückgegangen. Hauptsächlich Williams setzte in Zeiten der Krise weiterhin auf dieses Modell. Für 2020 scheint sich Haas nach zwei Jahren am Ende des Feldes allerdings in dieselbe Richtung zu orientieren, um die Kassen zu füllen.

Hat die Formel 1 ein Pay-Driver-Problem?: (18:10 Min.)

Mazepin vor Haas-Deal? Nächster Paydriver drängt in die F1

In der Gerüchteküche wird ein Name heiß gehandelt. Nikita Mazepin, Sohn des 7,1 Milliarden US-Dollar schweren russischen Geschäftsmannes Dmitry Mazepin, soll Spekulationen zufolge neben Formel-2-Leader Mick Schumacher im US-amerikanischen Team in der F1 debütieren. Der 21-Jährige testete zwischen 2016 und 2018 mehrfach für Force India und war im vergangenen Jahr in Budapest sogar als Young Driver für Mercedes unterwegs.

Ähnlich wie Stroll vor seinem Debüt mit Williams, absolvierte Mazepin bereits private Testfahrten mit älteren Formel-1-Boliden vom Weltmeisterteam, um sich auf eine Zukunft in der höchsten Kategorie des Sports vorzubereiten. "Ich denke, Nikita war in dieser Formel-2-Saison konstant an der Spitze unterwegs. Er hat ein paar Rennen gewonnen", lobt Wolff.

Tatsächlich gewann Mazepin in der laufenden F2-Saison zwei Rennen, nachdem er die Meisterschaft 2019 bei seinem ersten Auftritt als 18. beendet hatte. Sein größter sportlicher Erfolg war der Vizetitel in der GP3-Saison 2018. Wolff fürchtet nicht, dass der Sport durch Paydriver dieser Art an Qualität einbüßt.

"Ich denke, wir sind in der bestmöglichen Situation. Wir hatten vor fünf oder sechs Jahren viel mehr Fahrer, die nur fuhren weil sie bezahlt haben. Ich will zwar keine Namen nennen, aber ihr wisst sicher von wem ich rede", sagt der 48-Jährige abschließend.