Sechs Rennen vor dem Ende der Formel-1-Saison 2020 nimmt die Gerüchteküche in Sachen Fahrermarkt noch einmal richtig Fahrt auf. Plötzlich geht es um mehr als nur ein paar Rest-Sitze bei Haas und Alfa Romeo.

Stattdessen ist das zweite Red-Bull-Cockpit noch frei - und obendrauf könnte es weiter hinten im Feld zu großen Umbrüchen kommen. Mick Schumachers Alfa-Platz ist keine erledigte Sache, und selbst die vertraglich fix gesetzten Esteban Ocon und George Russell sind plötzlich nicht mehr ganz so sicher.

Wer bekommt 2021 den begehrten Red-Bull-Platz?

Für die großen Spieler auf dem F1-Fahrermarkt - Nico Hülkenberg und Sergio Perez - dreht sich alles um das zweite Red-Bull-Cockpit. Dort ist das Team zunehmend unsicher, wie es weitergehen soll. Alex Albon müsse sich weiter verbessern, heißt es offiziell noch immer.

Mick Schumacher: Formel 1 mit Alfa Romeo oder Haas?: (11:53 Min.)

Das Problem ist nur - reicht das, was Albon abliefert? Nach wie vor hat er nur ein Podium eingefahren. Fast jedes Rennen muss er nach einem schlechten Qualifying aus dem Mittelfeld starten. Red Bulls Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko klingt in seinen letzten Aussagen deutlich drängender. Man will einen Fahrer, der mit der klaren Nummer eins Max Verstappen zumindest mithalten kann. Der ihn gelegentlich pushen kann.

Hülkenberg und Perez sind dafür die Kandidaten. So offensichtlich, dass es selbst Marko nicht mehr vermeidet, ihren Namen in den Mund zu nehmen. Beide hatten bereits Kontakt mit dem Red-Bull-Management, wenngleich niemand öffentlich von Vertragsverhandlungen spricht. Beide bringen viel Erfahrung und Pace mit. Hülkenberg glaubt daran, dass er näher an Verstappen rankommen kann. Albon ist also angezählt.

Renault und AlphaTauri: Kommt ein Schock-Tausch?

Für Albon könnte es das gewesen sein, denn Red Bull spricht seit Monaten davon, dass sie für ihr zweites Team AlphaTauri Pierre Gasly als Teamleader aufbauen möchten. Nachwuchs-Pilot Yuki Tsunoda gilt auf dem zweiten Platz als gesetzt, dank einer starken ersten Formel-2-Saison braucht er nur mehr ausreichend Superlizenz-Punkte. Die lassen sich mit einem Freitags-Einsatz, der ihm bereits zugesprochen wurde (oder mit einer entsprechenden Meisterschafts-Platzierung), erzielen.

Also Gasly/Tsunoda? Dann kam in der letzten Woche ein Gerücht auf: Es soll Gespräche geben, wonach Gasly in das zweite Renault-Cockpit wechseln könnte. Dort müht sich Esteban Ocon damit ab, Anschluss an Daniel Ricciardo zu halten. Gegen Fernando Alonso wird er es nächstes Jahr nicht leichter haben.

Renault will davon nichts wissen. Ocon hat eigentlich einen Vertrag. Im Gasly-Lager klingt das vorsichtiger. "Es gab da ein paar Gerüchte, aber es liegt nicht an mir, diese Entscheidungen zu treffen", verzichtet Gasly am Donnerstag vor dem Portugal-GP auf ein Dementi. "Helmut und Red Bull entscheiden, was mit den Fahrern passiert. Die muss man fragen."

"Persönlich bin ich nicht in alle Diskussionen involviert, also kann ich nicht alles kommentieren", beschränkt Gasly seine Antwort darauf, auf andere Stellen zu verweisen. Ein Gasly-Abgang könnte die Rettung für Albon oder Daniil Kvyat sein - bleibt Gasly, sind sie wohl beide bei Red Bull raus.

Perez und das große Geld: Haas - oder Williams-Schock?

Sergio Perez sucht indessen anderswo Unterschlupf. Seit dem Abschuss bei Racing Point. "Ich habe noch nirgends unterschrieben, deshalb halte ich die Gespräche privat. Es gibt nicht viele Teams da draußen, die in Frage kommen. Und sehr wenige, die ein gutes Projekt haben, das für mich interessant ist."

Haas war schon immer eine logische Option. Mit dem nun fixen Doppel-Aus der bisherigen Stammfahrer Romain Grosjean und Kevin Magnussen ist dort die Tür weit offen. Erst recht, da Teamchef Günther Steiner eindeutig nach "Geld und Talent" sucht. Perez hat beides - mexikanische Sponsoren-Millionen, und jahrelange Mittelfeld-Erfahrung.

Haas hält sich aber weiter zurück, was Perez angeht. Es überrascht nicht, dass der sich daher anderswo auf die Suche macht. Auch hier kam es letzte Woche zu einer überraschenden Wendung. Verhandlungen mit Williams soll es geben. Obwohl dort George Russell und Nicholas Latifi einen Vertrag haben.

Beide wurden aber von den alten Williams-Eigentümern verpflichtet. Die neuen - Dorilton Capital - könnten sich eine Änderung vorstellen. Da Latifi Sponsor-Millionen mitbringt, soll Mercedes-Junior Russell auf der Abschussliste stehen. Er dazu: "Bisher habe ich mit den neuen Eigentümern noch nicht darüber gesprochen. Aber ich habe keine Sorgen. Sie werden dieses Wochenende vor Ort sein und ich bin mir sicher, dass wir alle Fragen klären werden." Wenn nicht, bliebe ihm wohl nur ein Testfahrer-Job bei Mercedes.

Und wen holt dann Haas?

Damit zurück zu Haas. Die haben am 22. Oktober beide Fahrer vor die Tür gesetzt. Ein Ferrari-Junior beim Ferrari-Kunden Haas gilt als wahrscheinlich, und würde das von Teamchef Steiner geforderte "Talent" mitbringen. Mick Schumacher drängt sich hier plötzlich ins Bild. Der Name ist sponsorentechnisch von großem Wert, und wäre damit auch ein Signal von Ferrari an Haas, dass ihre Partnerschaft wertgeschätzt wird. Nachdem Haas aktuell ein Kollateralschaden von Ferraris Motorenkrise ist. Und es steht ihnen natürlich frei, von Ferrari- auf Renault-Motoren zu wechseln.

Das große "Geld" soll nicht durch Sergio Perez kommen. Stattdessen kokettiert Haas öffentlich damit, zwei Rookies an Bord zu holen. Rookie Nummer zwei soll Nikita Mazepin sein, Sohn von Dimitry Mazepin, dem Miteigentümer des Chemie-Giganten Uralchem. Mazepin Jr. ist in seiner aktuell zweiten Formel-2-Saison außerdem sogar passabel unterwegs, nach zwei Siegen und drei zweiten Plätzen liegt er auf dem sechsten Meisterschaftsrang.

Alfa Romeo: Nun doch kein Mick Schumacher?

Das zuletzt schon fast sicher anmutende Alfa-Cockpit von Mick Schumacher wäre dann natürlich hinfällig. Dort hängt viel zuerst einmal davon ab, wie sich Altmeister Kimi Räikkönen entscheidet. Alfa ist bereit, weiterzumachen. Räikkönen erneuert in Portugal die Ansage, dass es Gespräche gab - aber keine Unterschriften.

Der zweite Sitz wird sicher von Ferrari befüllt werden. Wenn Schumacher bei Haas landet, könnte einer seiner beiden Ferrari-Academy-Kollegen Callum Ilott und Robert Shwartzman aufsteigen. Die Haas-und-Alfa-Entscheidung könnte hier durch die F2-Meisterschaft hinausgezögert werden. Der Grund: Ein Formel-2-Meister darf im Folgejahr dort nicht mehr antreten.

Ferraris Junior-Trio: Callum Ilott, Robert Shwartzman, Mick Schumacher, Foto: Ferrari
Ferraris Junior-Trio: Callum Ilott, Robert Shwartzman, Mick Schumacher, Foto: Ferrari

Mehrere Faktoren könnten also das Alfa-Lineup beeinflussen. Wenn Schumacher bei Haas gesetzt ist und Räikkönen weitermacht, kann sich Antonio Giovinazzi wohl nur Hoffnungen auf einen Verbleib machen, wenn Ilott und Shwartzman nicht die F2-Meisterschaft gewinnen. Ilott ist der wahrscheinlichere Kandidat, er fährt schon seine zweite F2-Saison und liegt außerdem weiter vorne. Geht Räikkönen in den Ruhestand, dürfte sich Giovinazzi wohl über einen Verbleib freuen.

Wann kommt der Mercedes-Abschluss?

Abwarten heißt es - der Vollständigkeit halber - weiterhin bei den WM-Führenden von Mercedes. Valtteri Bottas ist sicher, Lewis Hamilton hat noch immer keinen Vertrag. Dass er aber aufhört, ist mehr als unwahrscheinlich. Erst nachdem er auf dem Nürburgring Michael Schumachers Sieg-Rekord einstellte, betonte er, dass von ihm noch viel kommen würde.

Sein Teamchef Toto Wolff wird nicht müde, zu versichern: Es ist lediglich eine Frage der Zeit. Bis man endlich eine Gelegenheit findet, sich zu zweit in Monaco zusammenzusetzen und die Vertragsdetails zu fixieren. Dann steht der Attacke auf den WM-Rekord wohl nichts mehr im Weg.