Eigentlich wollte Renault mit Daniel Ricciardo für die Formel-1-Zukunft planen. Diese Idee ist zerstört, Ricciardo springt nach nur zwei Jahren ab und geht zu McLaren. Er hinterlässt kurz vor dem Regelments-Wechsel von 2022 eine große Lücke bei den Franzosen, die mittelfristig eigentlich endlich wieder an der Spitze mitfahren wollten, und mit dem erwiesenen Rennsieger Ricciardo den richtigen Mann dafür zu haben glaubten.

Jetzt stehen sie lediglich mit dem frisch von Mercedes abgeworbenen Esteban Ocon da, der bis einschließlich 2021 unter Vertrag steht. Die realistischen Optionen für das zweite Cockpit scheinen aktuell dünn besäht, besonders wenn Renault auf der Suche nach einem erfahrenen Top-Piloten sein sollte. Prompt machen die ersten Gerüchte die Runde, Fernando Alonsos Name kommt ins Spiel. Motorsport-Magazin.com gibt einen Überblick über den Fahrermarkt.

Kann Renault Fernando Alonsos Comeback einfädeln?

Zuerst einmal Fernando Alonso. Die Gerüchte verbreiteten sich nach Ricciardos Abgang am Donnerstag wie ein Lauffeuer. Team und Fahrer haben eine gemeinsame Geschichte, sie gewannen - allerdings unter anderem Management - 2005 und 2006 die WM. Alonso und Renault selbst gossen auf den sozialen Medien noch Öl ins Feuer. Aber wie realistisch ist ein Alonso-Comeback tatsächlich?

Alonsos Weggefährte Flavio Briatore hat Renault und die Formel 1 mittlerweile verlassen, Foto: Sutton
Alonsos Weggefährte Flavio Briatore hat Renault und die Formel 1 mittlerweile verlassen, Foto: Sutton

Für Alonso gibt es in der Formel 1 noch zwei große Themen. Zum einen will er ein siegfähiges Auto, zum anderen einen Versuch in einem neuen 2022er-Auto. Ersteres wird er 2021 bei Renault kaum finden. Aufgrund der Krise werden die 2020er-Chassis eingefroren und für ein weiteres Jahr verwendet, und Renaults R.S.20 sieht nicht nach einem Siegerauto aus. Wäre es eines, wäre auch Ricciardo kaum gegangen.

Renaults einzige Hoffnung bleibt also, Alonso davon zu überzeugen, dass sie ihm 2022 ein siegfähiges Auto bieten können. Ob der Spanier sich aber nur auf Basis solcher Versprechungen durch ein Mittelfeld-Jahr 2021 quält, ist anzuzweifeln. Genauso der Erfolg von Versprechen: Zwar hat Renault über den Winter neues Führungspersonal für die Chassis- und Aero-Abteilung geholt, doch ihre jüngste Vergangenheit, und Ricciardos Abgang, sprechen nicht für sie. Und da bei der Aero-Entwicklung für 2022 bis Januar 2021 eine Sperrfrist herrscht, wird man in diesem Jahr nicht viel herzeigen können.

Alonso selbst kommentierte bei einem Gespräch auf dem Instagram-Kanal der 24 Stunden von Le Mans Anfang Mai noch: "Ich weiß mehr oder weniger, was ich nächstes Jahr machen werden. Ich hoffe, dass bald alle Bescheid wissen. Mehr kann ich aber momentan leider noch nicht sagen."

Kann Renault Sebastian Vettel überzeugen?

Nach dem Ferrari-Abgang befindet mit Sebastian Vettel noch ein Mehrfach-Weltmeister ohne Team auf dem Fahrermarkt für 2021. Vettel wäre auch deutlich jünger als Alonso, der Spanier hat immerhin schon 38 Jahre auf dem Buckel und saß seit 2019 in keinem aktuellen F1-Auto mehr.

Formel 1: Wer sind die Gewinner & Verlierer des Vettel-Bebens? (18:57 Min.)

Vettel käme frisch von Ferrari, Gerüchten aus Italien zufolge hätte Renault ihm bereits ein Angebot gemacht. Aber ähnlich wie bei Alonso stellt sich bei ihm die Frage, ob die Franzosen ihn überzeugen können, sich ein Jahr mit dem Mittelfeld herumzuschlagen, nur um 2022 vielleicht ein Top-Auto zu bekommen. Ausschließen wollte Teamchef Cyril Abiteboul Vettel übrigens zu Jahresbeginn nicht, als er im französischen TV darauf angesprochen wurde - allerdings wäre ihm ein Nachwuchs-Pilot lieber.

Holt Renault Nico Hülkenberg zurück?

Will Renault eine absolut sichere Variante wählen, dann wäre da natürlich ein alter Bekannter. Nico Hülkenberg fuhr von 2017 bis 2019 für das Team und spielte 2018 eine wesentliche Rolle dabei, sie zum viertbesten Team des Jahres zu machen. Im Vorjahr wurde sein Vertrag nicht verlängert, dem Franzosen Esteban Ocon wurde der Vorzug gegeben.

Nico Hülkenberg war 2019 noch bei Renault, Foto: LAT Images
Nico Hülkenberg war 2019 noch bei Renault, Foto: LAT Images

Seitdem wurde es still um Hülkenberg. Weder in der Formel 1 noch sonst wo hat er aktuell einen Job, doch in gelegentlichen Interviews lässt er immer wieder durchblicken, dass er zu einem Comeback beim richtigen Angebot bereit ist und sogar darauf hofft. Bei ihm muss es auch kein Siegerauto sein, ein Top-10-Auto wäre für ihn schon eine attraktive Option.

Für beide Seiten wäre es also eine Sicherheits-Option. Hülkenberg würde sein Top-10-Auto bekommen, und Renault einen bereits bekannten Fahrer, der im Vorjahr bewies, dass er nur marginal langsamer ist als Daniel Ricciardo. Nur stellt sich die Frage: Wollen beide nach der Trennung wieder zusammenfinden?

Was kann Renaults Junior-Kader?

Wenn man Renaults Teamchef Cyril Abiteboul glauben darf, sind F1-Veteranen aber gar nicht die bevorzugte Option für das zweite Cockpit neben Esteban Ocon. Abiteboul suggerierte zuletzt, dass man im Falle eines Abganges von Daniel Ricciardo lieber intern befördern möchte. Schließlich investiert Renault viel Zeit und Geld in einen sechs Fahrer starken Junior-Kader. Zwei davon stehen 2020 in der Formel 2 am Start und sind dadurch Kandidaten für eine F1-Beförderung.

Der 20-jährige Chinese Guanyu Zhou geht in seine zweite F2-Saison, ihn übernahm Renault nach einer mäßigen Formel-3-Saison 2018 von Ferrari. Zhou kann auf Unterstützung aus China bauen, und im Vorjahr krönte er sich auch zum besten Neueinsteiger der Formel 2 und war eine Fixgröße in den Top-10. Mit seinen soliden Leistungen und einem über das Jahr hinweg besser werdenden Verständnis der Pirelli-Reifen sicherte er sich auch den Platz als Renaults Testfahrer.

Guanyu Zhou krönte sich 2019 zum F2-Rookie des Jahres, Foto: Formel 2
Guanyu Zhou krönte sich 2019 zum F2-Rookie des Jahres, Foto: Formel 2

Mehr konnte er aber nicht bieten - fünf dritte Plätze und Meisterschafts-Rang sieben in einem der schwächeren F2-Felder der letzten Jahre sind keine klare Empfehlung. Außerdem fehlen Zhou noch Punkte auf eine Superlizenz. Konkret muss er 2020 in einem stärkeren Feld mindestens Vierter werden, um in der Formel 1 starten zu dürfen.

Der 18-jährige Däne Christian Lundgaard ist Option zwei, und das Gegenteil. Lundgaard zeigte 2019 in der Formel 3 zwar Pace, doch es fehlte die Konstanz. Trotzdem, ein Sieg und ein sechster Platz in der Meisterschaft brachten ihm eine Beförderung in die Formel 2 ein, dort wird er für das Meister-Team ART starten. Lundgaards F1-Chance wird stark davon abhängen, ob er sich sofort als fixe Größe an der Spitze etablieren kann.

Christian Lundgaard gewann 2019 ein Formel-3-Rennen, Foto: LAT Images
Christian Lundgaard gewann 2019 ein Formel-3-Rennen, Foto: LAT Images

Eine großartige Junior-Auswahl hat Renault also in Wahrheit nicht. Anthoine Hubert war der Star des Programmes gewesen, doch der GP3-Meister und zweifache F2-Rennsieger verunfallte 2019 in Spa tödlich. Andere Optionen hat man nicht - der dritterfahrenste Junior-Pilot Max Fewtrell verlor im Vorjahr in der Formel 3 schon gegen Lundgaard und scheint jetzt in der Formel 3 festzustecken.

Alternativen aus der Formel 1?

Zusätzlich zu den genannten Fahrern gibt es natürlich eine lange Liste an F1-Fahrern, deren Verträge Ende 2020 auslaufen. Lewis Hamilton kann wohl ausgeschlossen werden, Valtteri Bottas wäre noch erwähnenswert. Gerüchte über Andock-Versuche von Sebastian Vettel bei Mercedes machen die Runde, dann wäre Bottas raus - und Renault für ihn ein naheliegender Zufluchtsort. Renault wiederum wüsste bei Bottas, was Sache ist, und hätte einen erfahrenen Fahrer für eine Zeit des Wandels an Bord. Diese Möglichkeit hängt aber stark von Mercedes' Interesse an Vettel ab. Dass sie Nachwuchs-Talent George Russell vor 2022 befördern gilt als unwahrscheinlich.

Frei wären zum Jahresende auch Red Bulls Nachwuchs-Piloten Pierre Gasly und Daniil Kvyat. Mit Carlos Sainz versuchte es Renault 2018 schon einmal mit einem ehemaligen Red-Bull-Junior, doch Gasly und Kvyat sind beide bereits an einem Top-Cockpit gescheitert. Hier wäre Renault wohl besser beraten, Esteban Ocon und einen ihrer Junioren zu behalten.

Theoretisch wären auch die Haas-Piloten Romain Grosjean und Kevin Magnussen verfügbar, scheinen aber unwahrscheinliche Optionen zu sein. Beide haben an verschiedenen Punkten ihrer Karriere bereits bei Renault Station gemacht, für sie dürfte das Kapitel abgeschlossen sein.