Pierre Gasly erhielt von Red Bull kurz nach dem Rennen in Budapest den Laufpass und sitzt ab Spa-Francorchamps wieder im Toro Ross. Im Vorfeld des Grand Prix von Belgien äußerte sich der Franzose erstmals zu den Geschehnissen in der Sommerpause, mit denen er so nicht gerechnet hatte. Nach Ungarn war er noch fest von einem Verbleib bei Red Bull ausgegangen. Wenige Tage später klingelte das Telefon.

"Es war natürlich ein Schock und eine Enttäuschung. Denn es war nicht das, was mir zuvor nach Budapest gesagt wurde", so der 23-Jährige. Die Nachricht, dass ihn Alexander Albon ab Spa-Francorchamps ersetzen würde, erhielt er erst am Tag der Bekanntgabe durch Red Bull: "Ich habe an dem Morgen herausgefunden, dass es so entschieden wurde."

Überbringer der Nachricht war wie bei Red Bull üblich Berater Dr. Helmut Marko, der Gasly am Morgen des 12. August anrief. "8:42 Uhr", so Gasly, dem sich der Anblick seines Smartphones in diesem Moment offenbar ins Gedächtnis eingebrannt hat. Was genau sich seit dem Rennsonntag in Budapest geändert hatte, konnte er sich nicht erklären.

Gasly weiter überzeugt: Zweite Saisonhälfte wäre besser gewesen

"Ob ich es verstehe oder nicht, wird es nicht ändern", sagt er gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Ich habe nicht viel Zeit damit verbracht, darüber nachzudenken." In Ungarn war er noch voller Zuversicht, für Red Bull im Kampf gegen Ferrari nach der Sommerpause die nötigen Punkte holen zu können.

Dass das Team den Glauben daran nicht hatte, hält er für einen ausschlaggebenden Punkt. "Natürlich ist es ihr Ziel, Ferrari in der Konstrukteurswertung zu schlagen", sagt er. "Aber ich denke, da waren einige Dinge. Aber das soll lieber intern bleiben und nicht hier ausdiskutiert werden."

Er ist nach wie vor davon überzeugt, dass er dem Job in der zweiten Saisonhälfte gewachsen gewesen wäre. "Insgesamt waren wir bei vielen Dingen auf dem richtigen Weg, auch wenn wir noch ein paar Probleme hatten. Aber ich hätte mich sicherlich besser angestellt. Doch jetzt macht es keinen Sinn, das zu diskutieren - und ich will auch nicht wirklich darüber reden, denn es ist vorbei."

Formel 1 2019: 5 Brennpunkte vor dem Belgien GP (10:11 Min.)

Gasly will nach vorne schauen

Für Gasly, der innerhalb von zwei Jahren die Achterbahnfahrt von Toro Rosso zu Red Bull und zurück unternahm, zählt in diesem Moment nur der Blick nach vorne: "Das ist jetzt Vergangenheit. Ich muss mich auf die Gegenwart und die Zukunft konzentrieren und die Dinge, die ich jetzt mit Toro Rosso ändern kann. Das Einzige, worauf ich mich jetzt fokussieren muss, ist, in diesen neun Rennen mit dem Team mein Bestes zu zeigen."

Wie so eine Rehabilitation aussehen kann, machte sein neuer Teamkollege Daniil Kvyat vor. Der Russe wurde Anfang 2016 bei Red Bull gegen Max Verstappen ausgetauscht. Nach der Degradierung scheiterte er bei Toro Rosso, bekam nach einem Jahr Auszeit als Simulatorfahrer bei Ferrari diese Saison erneut eine Chance und zeigt seitdem wieder konstant gute Leistungen.

Keine Tipps von Kvyat: Jeder Fall individuell

Tipps kann er Gasly trotzdem nicht unbedingt geben. "Ich denke, jede Situation ist individuell", so der Russe auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. "Und ich weiß auch nicht, wie es mit seiner Gefühlslage und so weiter aussieht." Er könnte sich aber vorstellen, dass Gasly die Rückkehr zu Toro Rosso leichter fällt als ihm.

"Ich war zu der Zeit bereits anderthalb Jahre bei Red Bull gewesen, da war es nicht einfach, zurückzukommen. Er war nur ein halbes Jahr dort, und ist mit dem Auto und dem Team wahrscheinlich noch vertraut", glaubt Kvyat. "Und vielleicht braucht er gar keine Tipps von mir. Vielleicht hatte er vorher ein Auto, das ihm nicht lag. Möglicherweise hat er jetzt eins das ihm passt, steigt ein und alles ist in Ordnung. Er muss sich einfach nur auf seinen Job konzentrieren."

Kvyat: Bei Red Bull ist immer alles offen

Dieser Job könnte ihn, wie auch Kvyat möglicherweise, wieder zurück zu Red Bull führen. "Ich denke nicht darüber nach. Aber das ist es, was sie gesagt haben", so Gasly hinsichtlich einer Rückkehr ins A-Team. "Bei Red Bull ist eine Sache klar: alles ist offen", sagt Kvyat. "Wann immer jemand nicht performt, bedeutet das Druck. Besonders wenn im Juniorteam jemand gut fährt. Und das wird sich auch nicht ändern."

Allein sein Beispiel zeigt, was bei Red Bull alles passieren kann: "Ich bin 2019 zurückgekommen und dachte mir, ich kann nicht zu gierig sein, denn ich habe es gerade mal zurück in die F1 geschafft. Aber nach ein paar Monaten wurde ich von den Medien schon ins A-Team zurückgeschrieben. Hier passieren die Dinge sehr schnell."

Gasly will sein Können zeigen

Unter Umständen kämpfen Kvyat und Gasly für den restlichen Verlauf der Saison für dasselbe Ziel: Albon ersetzen, sofern dieser bei Red Bull keinen Fuß auf die Erde bekommt. "Es ist wichtig, seine Sache so gut wie möglich zu machen, in jedem Rennen. Schritt für Schritt. Mein Job ändert sich nicht. Ich hatte ein fantastisches Jahr bis hierhin und das stand auch nie in Frage. Wichtig ist, dass du deinen eigenen Job gut machst. Der Rest ergibt sich", so Kvyat.

Doch während Kvyat mental auf einem Hoch unterwegs ist und ein mögliches Red-Bull-Comeback ins Auge fassen kann, befindet sich Gasly nach diesem Rückschlag an einem ganz anderen Punkt. "Ich bin ein sehr ehrgeiziger Typ und ich will wirklich in Bestform sein und mein Bestes zeigen", sagt er. "Ich habe jetzt neun Rennen, um das mit Toro Rosso zu machen. Das ist es, wo ich all meine Energie und meinen Fokus hineinstecke."