Die Sommerpause ist Geschichte, am nächsten Wochenende geht es für die Formel 1 in Belgien auf dem legendären Kurs von Spa-Francorchamps weiter. Auf dem Papier sieht das wie die perfekte Strecke für Ferrari aus, deren Fahrer Sebastian Vettel und Charles Leclerc sich 2019 nach wie vor auf der Suche nach dem ersten Sieg befinden.

Denn die Strecke in Spa hat eine Reputation als Highspeed-Tempel, und Ferraris 2019er-Auto eine Reputation als Highspeed-Auto. Wer aber 2019 aufgepasst hat, der weiß genau: Die Konkurrenz, allen voran Mercedes, schläft nie. Und von einem sicheren Ferrari-Sieg will ganz klar keiner sprechen.

Ferrari vorsichtig: Sollten in Spa stark sein

"Wir sollten dort also besser aufgestellt sein", meinte Ferraris Teamchef Mattia Binotto zuletzt vor der Sommerpause, als er auf Spa und auf den Italien-GP von Monza in der Folgewoche vorausblickte. Die Ziel-Ausgabe für Vettel und Leclerc ist klar: In den letzten paar Rennen muss ein Sieg her. Aber Binotto ist vorsichtig, haben beide Fahrer doch schon mehrere Chancen mit Defekten, Fahrfehlern und dergleichen verschenkt: "Nichts ist garantiert. Ich glaube, unsere Gegner sind alle sehr stark."

Und in Spa zählt schließlich mehr als nur Leistung und Höchstgeschwindigkeit. Der Mittelsektor ist technisch anspruchsvoll, und hier braucht das Auto sehr wohl noch Abtrieb. Aufgrund der schnellen Sektoren eins und drei bringen die Teams besonders abtriebsarme Aero-Pakete, müssen aber trotzdem wegen des Mittelsektors wieder einen Setup-Kompromiss finden, der nicht zu viel aerodynamischen Grip opfert.

Wichtig für Ferrari ist nur: Ihr von vornherein abtriebsarmes Grundkonzept sollte in Spa, anders als in vorangegangenen Rennen, kein Nachteil sein. Im Gegenzug kann dessen Effizienz hier sogar ein Vorteil sein. Doch besonders Mercedes mit ihrem gut abgerundeten Gesamt-Paket dürfen sich zumindest reale Chancen ausrechnen.

Alex Albon vor herausforderndem Red-Bull-Debüt

Bei Red Bull gestaltet sich die Mission Spa deutlich schwieriger. Auch mit besser werdendem Honda-Motor fehlt es nach wie vor auf die Konkurrenz bei Ferrari und Mercedes, in Spa kostet das nur noch mehr. Für Max Verstappen geht es daher eher darum, den fehlerfrei zu bleiben und das Wochenende über den Anschluss zu halten. Um ganz vorne mitzumischen, wird er aber wohl Hilfe von der Konkurrenz brauchen.

Bei Red Bull liegt der Fokus an diesem Wochenende viel mehr auf die Fahrerpaarung. Alex Albon feiert in nur seinem 13. Formel-1-Rennen sein Debüt im Hauptteam und ersetzt Pierre Gasly. Das Ziel von Red Bull ist klar: Sie wollen herausfinden, was Albon, der bis jetzt eine grundsolide erste Saison fährt, eigentlich so kann. "Es ist ein großer Schritt, ein großer Unterschied", sagt Albon. "Wir wissen, was das Auto kann. Wir haben gesehen, was Max damit macht."

Alex Albon sitzt jetzt im Red Bull, Foto: LAT Images
Alex Albon sitzt jetzt im Red Bull, Foto: LAT Images

Einfach wird er es nicht haben. Albons Formel-1-Erfahrung beschränkt sich auf die Testfahrten und die zwölf Rennen der Saison 2019. Den Red Bull RB15 ist er nur im Simulator gefahren, in Spa war er noch nie im Formel-1-Auto unterwegs. Und das bei einer Strecke, die sehr schwer zu meistern ist. Die Situation ist kaum vergleichbar mit Max Verstappens Sensations-Debüt 2016, das mit einem Sieg endete. Der hatte damals schon ein ganzes Jahr bei Toro Rosso hinter sich.

Das McLaren-Mittelfeld: Bleiben Sainz und Norris vorne?

Nur ein Team kann im Mittelfeld 2019 konstant abliefern: McLaren. In Spa stehen sie jedoch vor einer neuen Herausforderung. Mit Alfa Romeo, Racing Point und Haas lauern hinter ihnen Autos, die mit stärkeren Ferrari- und Mercedes-Motoren ausgestattet sind. Besonders Racing Point präsentiert sich auf Strecken wie Spa meist sehr gut. Prognosen für das Mittelfeld zu treffen gestaltet sich letzten Endes dann also doch wieder schwierig.

Mit Interesse zu beobachten sind aber jedenfalls Haas und Renault. Erstere brauchen dringend einen Durchbruch, um im Mittelfeld den Anschluss zu halten. Die Zeit für Experimente ist in Spa vorbei, ab jetzt fahren Grosjean und Magnussen wieder mit dem gleichen Auto. Ob Haas es auch endlich verstanden hat, die 2019er-Reifen im Arbeitsfenster zu halten?

Bei Renault braucht es ebenfalls eine Wende. "Wir wissen, dass die Saison hinter unseren Erwartungen zurückblieb", mahnt Nico Hülkenberg wiederholt. "Jetzt liegt es an uns, uns für den Rest des Jahres zurückzuarbeiten." Er und Daniel Ricciardo hatten wiederholt Probleme damit, ein stabiles Basis-Setup für den Renault zu finden. Letzte Hoffnung: Updates in den letzten Rennen sollen das Projekt wieder auf Kurs bringen.

Zumindest eine Anmerkung wert ist Williams. George Russell schaffte es in Ungarn zuletzt fast aus eigener Kraft in Q2. Es wird in Spa daher nicht schaden, hin und wieder ein Auge auf das untere Ende der Zeitentabelle zu werfen, um herauszufinden, ob sie sich tatsächlich auf dem richtigen Weg befinden.

Die Strecke in Spa: Legendär

Der Kurs von Spa-Francorchamps gehört zu den Klassikern im Kalender. Zwar haben Highspeed-Mutkurven wie der Eau Rouge-Raidillon-Komplex in der modernen Formel 1 mit ihrer Unmenge an Grip etwas an Charme eingebüßt, aber trotzdem ist die Achterbahnfahrt durch die Ardennen sehr anspruchsvoll, und viele Fahrer im Feld nennen den Circuit de Spa-Francorchamps ihre Lieblings-Strecke.

In den Sektoren eins und zwei zählt Leistung und Höchstgeschwindigkeit. Allen Abtrieb darf man aber trotzdem nicht abbauen, denn die mittelschnellen Kurven im Mittelsektor - bergab durch Bruxelles, Pouhon, durch die Fagnes-Schikane, Campus und hin zu Stavelot - verlangen nach guter Bodenhaftung. Fazit: Es ist schwierig, hier den perfekten Kompromiss zu finden.

Das Wetter in Spa: Immer unberechenbar

Auch das Wetter ist in Spa berühmt. Eine Prognose zu treffen ist notorisch schwierig. Momentan beschwört sie keinen Regen. Stattdessen wird von einem heißen Samstag an der 30-Grad-Marke und einem kühlen Sonntag unter 20 Grad gesprochen. Die Regenwahrscheinlichkeit kommt nie über 30 Prozent hinaus. Aber der nächste Wetter-Umschwung lauert hier manchmal nur hinter dem nächsten Hügel.

Der Zeitplan der Formel 1 in Spa: Wie gewohnt

Deutlich berechenbarer ist der Zeitplan für das Spa-Wochenende der Formel 1. Wie jedes Europarennen wird um 15:00 Uhr ins Qualifying und um 15:10 Uhr ins Rennen gestartet. RTL, Sky, ORF und SRF fallen ebenfalls nicht groß aus dem Rahmen. Alle Details finden sich im unten verlinkten Zeitplan.

Die Reifen in Spa: Mercedes konservativ

Pirelli bringt wie meistens in der Saison 2019 härtesten drei Reifenoptionen an die Strecke, denn Spa stellt mit den langgezogenen Kurven eine hohe Herausforderung an die Reifen dar. Mercedes gibt sich obendrauf noch konservativ, beide Fahrer haben nur acht Sätze Soft dabei. Bei Ferrari und Red Bull haben alle Fahrer zehn Sätze Soft. Einig ist man sich nur beim Hard: Hier haben bis auf Robert Kubica alle nur einen Satz zur Verfügung.

Das Fahrerkarussell in Spa

Zum Abschluss noch der Hinweis: 2020 kommt immer näher, und die Formel 1 wartet noch auf einige Fahrerverträge. Die große Frage: Bleibt Valtteri Bottas bei Mercedes, oder muss er Esteban Ocon platzmachen? Sobald diese Entscheidung getroffen ist, sollte sich das Transfer-Karussell beruhigen. Dass die Antworten am Spa-Wochenende kommen, ist gut möglich.