Bei den Testfahrten kann man es niemandem recht machen: Liefert man eine erste Rangliste und eine Analyse, kommen die Kritiker und erinnern an die beschränkte Aussagekraft der Testfahrten - vor allem in Testwoche eins. Bringt man die Rangliste nicht, beschweren sich die anderen, die trotzdem alle Daten wollen.

Deshalb erinnern wir auch an dieser Stelle vor der ersten Test-Analyse daran: Es sind nur Testfahrten und es war nur die erste Woche. Trotzdem liefert euch Motorsport-Magazin.com Zahlen und Hintergründe zur ersten Woche des Formel-1-Wintertests 2019.

Im Gegensatz zum Vorjahr gibt es immerhin Daten. 2018 hatte den Teams das Wetter einen gehörigen Strich durch die Rechnung gemacht. In der ersten Testwoche schneite es sogar. 2019 zeigte sich jeden Tag die katalonische Sonne und sorgte für Temperaturen etwas unter 20 Grad. Allerdings war es morgens eiskalt, sodass nicht alle acht Teststunden perfekt genutzt werden konnten.

Formel 1 2019: Bilanz der 1. Testwoche in Barcelona (06:41 Min.)

Formel-1-Test Barcelona: Bedingungen bedingt repräsentativ

Die schnellsten Zeiten wurden deshalb kurz vor der Mittagspause und in der Nachmittagssession gesetzt. Ganz repräsentativ waren die Bedingungen trotzdem nicht, weil die Temperaturen an den meisten Rennwochenenden dennoch höher sind. Zudem sorgte der etwas gealterte Asphalt mit einer höheren Rauheit für verstärktes Graining.

Auf Rennsimulationen soll aber ohnehin noch nicht eingegangen werden. Die liefern wir wie gewohnt nach der zweiten Testwoche, wenn möglichst viele Fahrer ihre 66-Runden-Distanzen abgespult haben.

Die Teams durften sich die Reifenmischungen für den Test wie immer selbst aussuchen. Entsprechend wurden die Bestzeiten auf unterschiedlichen Mischungen gefahren. Nico Hülkenberg fuhr die absolute Testbestzeit am Donnerstag auf der weichsten C5-Mischung, dem Pendant zum letztjährigen Hypersoft.

Pirelli verrät Deltas zwischen den Reifen

Ferrari hingegen zog die weichsten Reifen für Performance-Runs noch gar nicht auf. Dabei beließ es die Scuderia bei den C3-Reifen, der mit dem Soft-Reifen des Vorjahres vergleichbar ist. Pirelli lieferte am Testende die Delta-Zeiten zwischen den einzelnen Mischungen. Diese Werte sind sehr spezifisch und gelten nur für diese Strecke bei diesen Bedingungen.

ReifenDelta in Sekunden
C1 zu C20,8 bis 1,0
C2 zu C30,7
C3 zu C40,6
C4 zu C50,6

Weil es deutlich zu kalt für den C1-Reifen war, funktionierte er fast gar nicht. Er war rund eine Sekunde langsamer als der C2-Reifen. Der wiederum war rund 0,7 Sekunden langsamer als die C3-Mischung. Die Stufen zwischen C3 und C4 und zwischen C4 und C5 betrugen jeweils noch einmal 0,6 Sekunden.

Um die Zeiten einigermaßen miteinander vergleichen zu können, haben wir alle Tagesbestzeiten mit den entsprechenden Faktoren umgerechnet. Als Basis dienten die Zeiten, die auf der C4-Mischung gefahren wurden. Der C4 entspricht etwa dem Supersoft aus 2018 - der auch am Rennwochenende in Barcelona zum Einsatz kam.

Formel 1 Test Barcelona: Bereinigte Rundenzeiten-Tabelle

FahrerTeamZeitReifenKorr. ZeitRückstand
Charles Leclerc Ferrari 1:18,046C3 1:17,446
Sebastian Vettel Ferrari 1:18,161C3 1:17,5610:00,115
Antonio Giovinazzi Alfa Romeo 1:18,511C3 1:17,9110:00,465
Romain Grosjean Haas 1:18,563C3 1:17,9630:00,517
Lewis Hamilton Mercedes 1:17,977C4 1:17,9770:00,531
Nico Hulkenberg Renault 1:17,393C5 1:17,9930:00,547
Kevin Magnussen Haas 1:18,720C3 1:18,1200:00,674
Daniel Ricciardo Renault 1:18,164C4 1:18,1640:00,718
Pierre Gasly Red Bull 1:18,780C3 1:18,1800:00,734
Max Verstappen Red Bull 1:18,787C3 1:18,1870:00,741
Alexander Albon Toro Rosso 1:17,637C5 1:18,2370:00,791
Daniil Kvyat Toro Rosso 1:17,704C5 1:18,3040:00,858
Kimi Raikkonen Alfa Romeo 1:17,762C5 1:18,3620:00,916
Lance Stroll Racing Point 1:19,664C2 1:18,3640:00,918
Lando Norris McLaren 1:18,431C4 1:18,4310:00,985
Valtteri Bottas Mercedes 1:17,857C5 1:18,4570:01,011
Carlos Sainz McLaren 1:18,558C4 1:18,5580:01,112
Pietro Fittipaldi Haas 1:19,249C4 1:19,2490:01,803
Sergio Perez Racing Point 1:19,944C3 1:19,3440:01,898
Robert Kubica Williams 1:21,542C2 1:20,2420:02,796
George Russell Williams 1:20,997C3 1:20,3970:02,951

Die korrigierte Bestzeit der ersten Testwoche geht damit an Charles Leclerc. Von der Zeit von 1:18,046 Minuten, die Leclerc auf den C3-Reifen fuhr, werden sechs Zehntelsekunden abgezogen. So ergibt sich eine Bestzeit von 1:17,446 Minuten. Sebastian Vettel war nur eine Zehntelsekunde langsamer.

Ferrari vorne, Mercedes & Red Bull zurückhaltend

Hinter dem Ferrari-Duo tut sich schon eine kleine Lücke auf. Antonio Giovinazzi und Romain Grosjean fuhren korrigiert schon eine halbe Sekunde langsamer. Fast zeitgleich landet korrigiert auch Lewis Hamilton.

Doch Mercedes konzentrierte sich die ersten drei Tage ausschließlich auf Longruns, ging erst am Donnerstag erstmals ein wenig auf Zeitenjagd. Ähnliches gilt für Red Bull. Die Bullen fuhren die ersten beiden Tage mit Aero-Teilen, die nicht zur Streckencharakteristik passten. Erst am Mittwoch setzten sie erste schnelle Runden.

Ferrari-Favorit: Bestzeiten keine Showzeiten

Die Topteams waren allesamt noch nicht auf Performance-Runs. Auch Ferrari nicht - und das macht Ferrari zum Favoriten. Charles Leclerc fuhr seine Bestzeit zu Beginn eines Runs, in dem er 14 Runden drehte. Leer war das Auto also dabei auf keinen Fall.

Pierre Gasly fuhr einen ähnlich Stint, als er seine Bestzeit setzte. Auch Hamilton fuhr zumindest acht Runden. Das ist ebenfalls noch lange kein Qualifying-Run. Nico Hülkenberg hingegen fuhr seine Bestzeit in einem drei-Runden-Stint. Das erinnert schon eher an Qualifying.

Fragezeichen Motor-Einstellungen

Diese Faktoren werden in der Reifen-korrigierten Tabelle genauso wenig miteinbezogen wie Motor-Einstellungen - weil wir sie schlicht nicht kennen. Deshalb ist diese erste Rangliste mit Vorsicht zu genießen.

Die Fahrer-Aussagen bestätigen bei den Topteams das Bild. Sebastian Vettel und Charles Leclerc fühlten sich auf Anhieb pudelwohl in ihrem SF90. Lewis Hamilton und Valtteri Bottas hörten sich schon deutlich weniger euphorisch an. Von den Teams ist eine ähnliche Einschätzung zu hören: Ferrari liegt relativ deutlich vorne. Dahinter liegen wohl Mercedes und Red Bull recht eng zusammen.

Atemberaubende Zuverlässigkeit durch die Bank

Allerdings haben Mercedes und Red Bull bereits schon angekündigt, längst nicht mit der letzten Ausbaustufe gefahren zu sein. Beide haben wohl noch deutlich mehr im Köcher. Von Ferrari gibt es dazu noch keine Informationen - aber Maranello wird nicht schlafen.

Bei der Zuverlässigkeit hat Mercedes die Nase vorne. Die Silberpfeile drehten an den vier Tagen 610 Runden - das sind mehr als neun volle Renndistanzen. Ferrari umrundete den Circuit de Barcelona-Catalunya aber nur ein dutzend Mal weniger. Die Zuverlässigkeit war bei fast allen Teams atemberaubend.

Auch Honda standfest

Auch bei Honda gab es keinerlei Probleme. Trotzdem landete Red Bull mit 475 Runden nur im Mittelfeld. Von Zuverlässigkeitsproblemen kann aber nicht die Rede sein. Die hatten höchsten Haas und Racing Point. Haas verursachte an einem Tag gleich drei Rot-Phasen. Für alle Probleme waren Ferrari-Teile (Zündspule und Hydraulik) verantwortlich.

Bei Racing Point war man trotz der geringen Rundenzahl mit dem Test zufrieden, die Ingenieure konzentrierten sich offenbar auf das Sammeln von Aero-Daten. Große Technik-Probleme schien es nicht gegeben zu haben. Ganz im Gegensatz zu WillIams. Dort wurde das Auto erst mit Verzögerung fertig, George Russell und Robert Kubica hatten effektiv nur einen richtigen Testtag.

Vorsichtiges Fazit: Von den drei Topteams macht Ferrari klar den stärksten Eindruck. Dahinter ist es zwischen Red Bull und Mercedes eng. Im Mittelfeld ist es eng wie eh und je. Racing Point kann man noch kaum einschätzen, gleiches gilt für Williams.

In der Technik-Test-Analyse blickt Motorsport-Magazin.com am Samstag noch genauer auf die Frontflügel, die bei den Testfahrten für viel Aufsehen sorgten. Eine ausführliche Analyse mit Rennsimulationen, Topspeeds und Co. gibt es wie immer nach Testwoche zwei.

Formel 1 2019: Bilanz der 1. Testwoche in Barcelona (06:41 Min.)