Silber oder Rot? Hamilton oder Rosberg? Oder am Ende doch gar Vettel oder Ricciardo? Die Wintertests der Formel 1 sind vorbei und hinterlassen jede Menge Fragen. Im Februar wird in der Formel 1 traditionell geblufft und taktiert. Große Teams wollen nicht zu früh ihre Karten aufdecken, während sich kleine Rennställe mit Glory Runs in das Rampenlicht potenzieller Geldgeber stellen wollen.
Motorsport-Magazin.com versucht den Nebel nach den Wintertests ein wenig zu lüften.
Die Bestzeiten
Dreimal Ferrari und Lotus, je zweimal Williams und Mercedes und jeweils eine Bestzeit für Red Bull und Sauber. So sieht die Zusammenfassung der zwölf Tagesbestzeiten der Wintertests aus. Bis auf Toro Rosso, das inferiore McLaren-Honda-Team und die Truppe von Force India, die erst an den letzten drei Tagen den aktuellen Boliden ausführen konnte, durfte jeder Rennstall mindestens einmal von der Spitze lachen.
Tag | Jerez | Barcelona I | Barcelona II | |||
1. Tag | Vettel | 1:22.620 | Maldonado | 1:25.011 | Massa | 1:23.500 |
2. Tag | Vettel | 1:20.984 | Ricciardo | 1:24.574 | Rosberg | 1:22.792 |
3. Tag | Nasr | 1:21.545 | Maldonado | 1:24.348 | Hamilton | 1:23.022 |
4. Tag | Räikkönen | 1:20.841 | Grosjean | 1:24.067 | Bottas | 1:23.063 |
Die Rollen waren dabei von Testfahrt zu Testfahrt klar, aber jedes Mal unterschiedlich verteilt. In Jerez schnappte sich an drei von vier Tagen ein Ferrari-Mann Platz eins, Räikkönens 1:20.481 am Schlusstag stellten die absolute Bestzeit der Jerez-Tests dar. Ferraris Power Unit durfte sich in Jerez sogar über einen weiteren Erfolg freuen, denn Felipe Nasrs Sauber, schnellster Wagen am dritten Tag, wird von einem Triebwerk aus Maranello befeuert.
In Barcelona I gab Lotus den Ton an und sicherte sich zweimal durch Maldonado eine Tagesbestzeit. 1:24.067 durch Grosjean am vierten Tag bedeuteten den Hattrick für Lotus und gleichzeitig die schnellste Einzelzeit der zweiten Testfahrten.
Barcelona II gehörte hingegen Mercedes. Je einmal setzten sich Nico Rosberg und Lewis Hamilton durch, wobei der Deutsche in 1:22.792 die einzige Rundenzeit von unter 1:23 Minuten während des insgesamt achttägigen Gastspiels am Circuit de Catalunya erzielte. Die beiden anderen Tagesbestzeiten teilten sich die Williams-Piloten Felipe Massa und Valtteri Bottas brüderlich.
Die Kilometer-Bilanz
Mercedes war nicht nur schnell, sondern auch fleißig. Kein Team spulte an den zwölf Testtagen mehr Kilometer ab als die Silberpfeil-Fraktion aus Brackley und Brixworth. Hamilton und Rosberg kamen gemeinsam auf 6.121 Kilometer. Damit hat Mercedes bereits die volle Renndistanz einer kompletten Saison mit einem Auto in der Datenaufzeichnung. Allerdings ließ Mercedes von Test zu Test nach. Fuhr man in Jerez mit 2.285 Kilometern noch die mit Abstand meisten, reichte es in Barcelona I mit 2.076 Kilometern nur noch knapp zu Platz eins. In Barcelona zwei belegte man mit 1.760 Kilometern nur mehr den fünften Platz unter allen Teams.
Sauber fehlen als zweitaktivstem Team in der Bilanz der insgesamt absolvierten Distanz über 400 Kilometer und damit mehr als eine GP-Distanz auf Mercedes. Ferrari landete mit 5.418 Kilometern hinter Toro Rosso (5.534) nur auf Rang vier, das ehemalige Weltmeisterteam von Red Bull gar nur auf Platz sechs. Klar abgeschlagen waren hingegen Force India, das den ersten Tests fernblieb und bei den zweiten nur mit dem alten Auto antrat. Der VJM08, der erst in Barcelona II zum Einsatz kam, hat also erst 1.699 Kilometer auf dem Tacho und damit sogar weniger als der MP4-30, die Koproduktion von McLaren und Honda.
Bei den Piloten war Nico Rosberg der eifrigste Arbeiter. Er testete an seinen acht Tagen im Auto über eine Distanz von 3.462 Kilometer und landete damit deutlich vor den beiden Rookies Felipe Nasr (2.975 km) und Max Verstappen (2.832). Weltmeister Lewis Hamilton meisterte 2.433 Kilometer, Sebastian Vettel 2.767. Von den Stammpiloten fuhr Fernando Alonso mit nur 535 die wenigsten Kilometer. Allerdings verpasste der Asturier nach seinem Crash in Barcelona I auch die letzten vier Testtage. Sein Teamkollege Jenson Button fuhr mit 1.032 Kilometern die zweitwenigsten aller Stammfahrer.
Laufleistung der Power Units
McLaren-Honda bildet in fast allen Kategorien der Wintertests das Schlusslicht. Vor allem im Bereich der Power Unit wird sichtbar, dass sich selbst einer der größten Automobilhersteller der Welt mit einem Einstieg in das diffizile Terrain Formel 1 schwer tut. An jedem einzelnen der zwölf Testtage lief die Honda Power Unit weniger als ein durchschnittliches Pendant von Mercedes, Ferrari oder Renault.
Nur an vier Tagen schafften es Honda-Motoren über 150 Kilometer und nur am zweiten Tag von Barcelona II reichte es für eine volle GP-Distanz von knapp über 300 Kilometer. Drei Testtage lang stand man überhaupt nur an der Box und schaffte nicht einmal 50 Kilometer.
Am anderen Ende der Skala matchten sich Mercedes und Ferrari, während Renault ebenfalls halbwegs mithalten konnte und in Barcelona I sogar an drei Tagen (einmal ex aequo mit Ferrari) die höchste durchschnittliche Laufleistung erreichte. In Barcelona II glänzte hingegen die Power Unit von Ferrari, denn dort waren Sauber und die Scuderia auch auf den ersten beiden Plätzen der absolvierten Kilometer zu finden und spulten gemeinsam rund 4.800 Kilometer ab.
Probleme und Defekte
Am augenscheinlichsten waren die Probleme bei McLaren-Honda. Die vermeintliche Traumehe entwickelte sich rasch zum Dauerhorror. Mit verschiedenen Teilen der Power Unit gab es Probleme. Zum Unwort wurde rasch MGU-K, alleine in Barcelona I setzte man drei verschiedene Bauarten dieses Teils ein. Erschwerend kam für das Team hinzu, dass man Fernando Alonso nach dessen Crash am letzten Tag von Barcelona I vorgeben musste. Auch während Barcelona II bekam man den MP4-30 nicht richtig in Gang. An drei Tagen traten an drei verschiedenen Stellen Lecks auf: einmal an einem Hydraulikschlauch, dann an der Ölzufuhr und abschließend auch noch im Kühlsystem.
Gegen die Probleme bei McLaren-Honda wirkten die Schwierigkeiten anderer Teams beinahe wie Lappalien. Einzig Force India konnte da noch einigermaßen "mithalten", denn der Rennstall konnte aufgrund von Verzögerungen in der Entwicklung erst an Barcelona II mit dem neuen Auto teilnehmen und auch dort erst an den letzten drei Tagen auf die Strecke gehen. Dort lief das von einer Mercedes Power Unit angetriebene Gefährt allerdings sauber.
Beim finalen Test in Barcelona hatten alle Teams die Kinderkrankheiten weitgehend ausgeräumt und es kam nur zu vereinzelten Defekten. Hamilton wurde am ersten Tag von einem defekten MGU-K einen halben Tag außer Gefecht gesetzt, am Schlusstag musste Ricciardo wegen eines defekten ERS mehrere Stunden zusehen. Der Rest der Probleme ließ sich schnell lösen und sollte keinen Grund zur Sorge geben.
"Zuverlässigkeit ist für alle ein Thema, diese Technologie ist noch immer in den Kinderschuhen, es ist erst das zweite Jahr. Wir lernen ständig dazu und es ist noch nicht in einem Entwicklungszyklus, dass man sagen könnte, das ist zu hundert Prozent haltbar", erklärte Toto Wolff nach Abschluss der Testfahrten im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Bis zum Auftakt in Melbourne haben die Ingenieure nun noch eineinhalb Wochen Zeit, um die Standfestigkeit der Boliden weiter zu verbessern.
Fazit
Motorsport-Magazin.com meint: Ob Mercedes schon alle Karten aufgedeckt hat? Schnell ist der Silberpfeil auf jeden Fall wieder, standfest diesmal auch. Wie groß der Vorsprung auf die Konkurrenz ist, lässt sich nach den Testfahrten freilich nicht seriös einschätzen. Williams dürfte wieder vorne mitfahren und Ferrari könnte nach dem Seuchenjahr 2014 ein Schritt in die richtige Richtung gelungen sein. Lotus wird mit Mercedes-Power im Heck definitiv stärker sein als im Vorjahr mit Renault. Sauber sah bei den Tests ebenfalls stärker - und vor allem zuverlässiger - aus. Bei den Schweizern müssen die beiden Fahrer aber erst einmal zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind. Eine ähnliche Aufgabenstellung finden die beiden Rookies bei Toro Rosso vor. Red Bull und Force India sind die beiden Wundertüten dieser Tests. Wobei aber bei den Indern aufgrund der finanziellen Voraussetzungen kein Quantensprung zu erwarten ist.
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