Zwölf Tage Testfahrten sind Geschichte, bald wird es ernst. Die Formel-1-Saison 2015 steht in den Startlöchern, in knapp zwei Wochen geht es los in Australien. Während der Tests in Jerez und Barcelona hatten die Teams die Gelegenheit, sich auf das neue Jahr einzuschießen. Motorsport-Magazin.com zeigt, wer die Gewinner und Verlierer der Saisonvorbereitungen sind.
Die Gewinner der Testfahrten
Ferrari
Die Scuderia kann klar als einer der großen Gewinner der Winter-Tests bezeichnet werden. Der Vettel-Hype hat das Team angesteckt, schon lange war die Stimmung bei den Roten nicht mehr so ausgelassen wie in den vergangenen Wochen. Überhaupt scheint der radikale Personalwechsel ein positives Momentum ausgelöst zu haben. Zudem ist es den Ingenieuren gelungen, einen schnelleren Ferrari auf die Beine zu stellen als seinen lahmen Vorgänger. Der SF15-T präsentierte sich im Verlauf der Testfahrten konstant und zeigte obendrein ein ansprechende Pace.
Ferrari gilt nach ersten Einschätzungen ärgster Mercedes-Verfolger. Eine Rolle, die das Traditionsteam in der vergangenen Saison vollkommen aus den Augen verloren hatte. Doch genau darin liegt die Crux: Ein Blick auf die - zumindest halbwegs aussagekräftigen - Zeiten zeigt, dass Ferrari immer noch einen deutlichen Rückstand auf die Silberpfeile aufweist. Rund eine Sekunde soll der Scuderia fehlen. Keine allzu große Überraschung angesichts des relativ stabilen Reglements. Dennoch: Ferrari ist ein Fortschritt gelungen und zumindest ein Rennsieg nicht mehr völlig außerhalb der Möglichkeiten.
Mercedes
Die Silberpfeile galten nach der dominanten Saison 2014 erneut als großer Favorit - und wurden ihrer Rolle während der Winter-Tests durchaus gerecht. Der F1 W06 Hybrid legte die gleiche Zuverlässigkeit an den Tag wie sein schneller Vorgänger. Ab dem ersten Testtag spulten Nico Rosberg und Lewis Hamilton eine Runde nach der anderen ab. Entsprechend ist Mercedes der Kilometer-König der Tests. Insgesamt legten die beiden Silberpfeile 6.121 km zurück - gut 400 km mehr als das zweitfleißigste Team, Sauber.
Doch Mercedes kann nicht nur konstant, sondern auch schnell. Erst gegen Ende der Tests gab das Team einen kleinen Hinweis auf die wahre Pace des Autos. Rosberg erzielte die absolute Barcelona-Bestzeit in 1:22.792 Minuten auf weichen Reifen. Zuvor hatte er schon gezeigt, wozu der Mercedes auf den Medium-Mischungen fähig ist und damit der Konkurrenz einen Schrecken eingejagt. Zum Schluss haderten Rosberg und Hamilton zwar etwas mit dem Setup ihrer Autos, doch unterm Strich ist Mercedes der haushohe Favorit für die anstehende Saison.
Lotus
Das Team hat sich in der Gewinnerliste der Testfahrten knapp gegen Sauber durchgesetzt. Lotus dürfte mehr Potenzial haben als die Schweizer, um in der kommenden Saison wieder einen Eindruck zu hinterlassen wie 2013. Dabei verkam Lotus zu Beginn der Testfahrten zur kurzzeitigen Lachnummer, als die Truppe den Auftakt in Jerez verpasste und das Auto erst einmal einfliegen musste. Erinnerungen an die grauenhafte Vorbereitung aus dem Vorjahr wurden schnell wach.
Doch entgegen des Trends mauserte sich Lotus zu einem ernsthaften Anwärter auf die vorderen Plätze. Für Mercedes wird es zwar nicht reichen, doch die Mannschaft aus Enstone kann sich in der Gruppe mit Ferrari, Williams und Red Bull einordnen. Ein wichtiger Grund dafür ist natürlich der Wechsel zu Mercedes-Motoren. Zwar wurde das Team während der Tests gelegentlich durch technische Probleme zurückgeworfen, eklatante Schwierigkeiten tauchten jedoch nicht auf. Mit dem Chassis ist Enstone ebenfalls ein spürbarer Fortschritt gelungen. Romain Grosjean und Pastor Maldonado fühlten sich ab der ersten Runde wohl im Auto und verbreiteten Zuversicht. Da trübte nicht einmal Maldonados Unfall die Stimmung.
Die Verlierer der Testfahrten
McLaren
Einen deutlicheren Verlierer als McLaren könnte es nicht geben. Vom ersten bis zum letzten Testtag reihte sich ein Problem ans andere. Die Bilanz: 1.751 Test-Kilometer und damit so viel wie Mercedes allein beim zweiten Test in Barcelona schaffte. McLaren gelang nicht eine einzige Rennsimulation und einige Experten zweifeln, ob der Chrompfeil in Australien die Ziellinie sieht. Trotz all der Schwierigkeiten war McLaren sehr bemüht, die Vorzüge des neuen Autos hervorzuheben.
Das Fahrgefühl sei gut, versicherte Jenson Button. Zudem verfüge der MP4-30 über enormes Potenzial. Die Frage lautet: Wie lange wird es dauern, bis das Team ebendieses erschließen kann? Die ersten Rennen des Jahres werden wohl zur erweiterten Testphase degradiert mit dem Ziel, mehr Erfahrungen zu sammeln. Fernando Alonsos kurioser Unfall sorgte für unnötige Spannungen rund um McLaren - genau das, was die Mannschaft aus Woking überhaupt nicht gebrauchen konnte. Die erste Saisonhälfte dürfte hart werden und die Belastbarkeit des Teams arg auf die Probe stellen.
Force India
Sportlich zählt das Team sicherlich nicht zu den Verlierern, doch die Gesamtsituation beschert Force India einen schwierigen Einstand ins Jahr 2015. Den ersten Test in Jerez ließ das Team komplett ausfallen, beim zweiten in Barcelona rückte die Truppe mit dem Vorjahres-Auto an. Erst mit Verspätung am Freitag feierte der 2015er-Bolide seine Premiere bei den zweiten Testfahrten in Barcelona. So blieben Nico Hülkenberg und Sergio Perez nur drei Tage, um sich an den Neuen zu gewöhnen.
Nach all den Spekulationen um finanzielle Probleme und offene Rechnungen scheint allein der Start in Australien schon ein kleiner Erfolg zu sein. Es wird vermutet, dass die Saison mehr auf der Kippe stand als offiziell kommuniziert. Immerhin: Mit dem VJM08 scheint Force India ein ordentliches Auto gelungen zu sein. Das Auto zeigte keine Zuverlässigkeitsprobleme und Hülkenberg gelang sogar der Tageskilometer-Rekord. Wie schnell der Bolide am Ende wirklich ist, steht allerdings in den Sternen.
Red Bull
Red Bull kann man als einen der Verlierer der Testfahrten ansehen, weil vom Team einfach mehr erwartet worden war. Stattdessen: unterer Durchschnitt. Von den Teams, die bei allen drei Tests anwesend waren, spulte Red Bull die zweitwenigsten Kilometer nach McLaren ab. Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat brachten es zusammen auf 4.352 km. Zum Vergleich: Der kleine Bruder Toro Rosso legte 5.534 km zurück, also über 1.000 km mehr. Kleinere technische Probleme sorgten immer wieder für Wartezeit in der Red-Bull-Box, ganz rund wirkten die Einsätze des Teams nur an den wenigsten Tagen.
Schwierig, etwas über die Performance des RB11 zu sagen. Red Bull war sehr auf die Sicherstellung der Zuverlässigkeit bedacht, echte Performance-Runs die absolute Ausnahme. Ob das reicht, um in Australien auf Anhieb schnell zu sein mit der überarbeiteten Reifengeneration? Es war nicht schlecht, was Red Bull im Verlauf der drei Testfahrten präsentierte. Wie der Mercedes-Verfolger Nummer 1 trat die Truppe aus Milton Keynes aber keinesfalls auf. Das mit Abstand Spannendste war Lackierung, die inzwischen auch schon wieder Geschichte ist.
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