Mit Lando Norris und George Russell debütieren in der Formel-1-Saison 2019 die beiden größten britischen Nachwuchshoffnungen seit Weltmeister Lewis Hamilton. Die beiden Rohdiamanten könnten nach Charles Leclerc die nächsten Rookie-Bomben sein, die in der Königsklasse einschlagen. Doch genau wie beim zukünftigen Ferrari-Piloten beginnen ihre Karrieren in der Formel 1 zunächst ganz unten. Ein Risiko, dass sich nicht leugnen lässt.
Vor rund zehn Jahren wäre ein Formel-1-Debüt bei Williams oder McLaren noch ein richtiger Hauptgewinn gewesen. Hamilton fuhr 2007 bei McLaren Mercedes gleich in seiner ersten Saison in einem absoluten Top-Team. Den sensationellen Titelgewinn verpasste der damals 22-Jährige nur haarscharf. 1996 war Jacques Villeneuve bei Williams der Rookie im WM-Kampf. Wie Hamilton wurde der Kanadier Vizeweltmeister.
Mittlerweile rangieren die einstigen Top-Teams Wochenende um Wochenende auf den letzten Plätzen. Zunächst stürzte Williams komplett ab, seit der Sommerpause ist auch McLaren nach jahrelangem Sinkflug endgültig am Ende der Nahrungskette angekommen. Stoffel Vandoorne floppte mit dem schlechten Material von McLaren. Nach zwei Jahren ist sein Formel-1-Traum vorerst ausgeträumt. Stattdessen geht es für ihn 2019 in die Formel E.
Norris vorgewarnt: Vandoorne-Schicksal kann jeden F1-Fahrer treffen
Norris tritt 2019 die direkte Nachfolge des Belgiers an. Dem Briten wurde das Risiko, in der Bedeutungslosigkeit des Grids verheizt zu werden, deutlich vor Augen geführt. "Das ist natürlich etwas, über das ich mir meine Gedanken gemacht habe", sagt der 18-Jährige, der weiß, mit welchen Vorschusslorbeeren der gescheiterte Vandoorne in der Formel 1 debütierte. Dessen Schicksal machte ihm bewusst: "Es kann jedem Fahrer passieren."
"McLaren war in den vergangenen Jahren in einer schwierigen Situation. Er kam aus der Formel 2 und war überall der schnellste und der beste, und kommt dann zu einem Team, das nicht gut performt", so Norris, dem auch nicht entgangen ist, dass Vandoornes Teamkollege wohl eine entscheidende Rolle für dessen Aussortierung bei McLaren spielte.
2018 steht es im teaminternen Duell 17:0 für Fernando Alonso, der Vandoorne in dessen zweiter Saison nicht den Hauch einer Chance ließ. "Fernando ist auch kein schlechter Fahrer", merkt Norris an. "Es war für ihn eine sehr schwierige Situation." McLarens neuer Rohdiamant will aus den Fehlern seines Vorgängers lernen.
Norris will es besser machen als Vandoorne - und den Teamkollegen besiegen
"Es ist für mich natürlich schwierig für Stoffel zu sprechen. Aber ich muss einfach zusammen mit den Ingenieuren, der Chefetage und wem auch immer verstehen, was er nicht gut genug gemacht hat und sicherstellen, dass ich mich in diesen Bereichen besser anstelle", nimmt Norris sich vor, es besser zu machen. Zumindest beim Teamkollegen sollte er es etwas einfacher haben als Vandoorne.
McLaren-Neuzugang Carlos Sainz ist zwar eine gestandene Größe in der Formel 1, ist aber bei weitem kein Kaliber eines Alonsos. Inwiefern McLaren sich mit dem großen Umbruch für 2019 mit einem konkurrenzfähigen Chassis vom Ende des Feldes lösen kann, liegt nicht allein in Norris' Händen. Sich besser anzustellen als Vandoorne hingegen schon. Wie er das machen will? "Carlos besiegen. Nicht mehr und nicht weniger."
Russell: Debüt im langsamsten Formel-1-Auto?
Sein anderthalb Jahre älterer Counterpart steht 2019 vor einer wahrscheinlich noch schwierigeren Aufgabe. Russell wird bei Williams in das auf dem Papier derzeit schwächste Auto im ganzen Feld einsteigen. "Es ist kein Geheimnis, dass es für Williams dieses Jahr eine schwierige Saison ist", weiß der Mercedes-Junior im Interview mit Formula1.com
In den Händen von Lance Stroll und Sergey Sirotkin fuhr der FW41 bis Austin gerade einmal sieben magere WM-Punkte ein. Doch genau diese beiden Namen scheinen bei Williams 2018 das größte Manko zu sein. Insgeheim hat kaum jemand einen Zweifel daran, dass der Bolide in den Händen eines anderen Piloten zu deutlich mehr in der Lage wäre - und möglicherweise besser als der McLaren.
Nach einem Jahr mit Paydriver-Line-Up sitzt mit Russell endlich wieder ein echtes Talent im Cockpit. Zu verdanken hat das Team es Mercedes, die ihren Silberpfeil-Youngster bei Williams platzieren. Dass im zweiten Auto ein ähnlich fähiger Pilot wie zum Beispiel Esteban Ocon sitzen wird, scheint allerdings unwahrscheinlich. Nach momentanem Stand wird es wohl wieder an den meistbietenden gehen.
Russell unter Druck: Williams Heilsbringer in der silbernen Rüstung
Umso mehr Druck lastet damit auf Russell, wie die Aussagen von Teamchefin Claire Williams im Gespräch mit Formula1.com heraushören lassen. "Wir haben hier viel Arbeit vor uns. Nächstes Jahr beginnt für uns eine neue Saison, eine Möglichkeit neu anzufangen und George wird dabei eine große Rolle spielen", so die Tochter von Teamchef-Legende Frank Williams, die seit nunmehr fünf Jahren die Geschichte in Grove leitet.
Sie hält große Stücke auf das Mercedes-Juwel Russell. "Er ist intelligent und versteht wie wichtig es ist, auch ins Ziel zu kommen, mit Sinn und Verstand. Ich denke, dass er das auch außerhalb des Autos anwenden wird. Es ist eine wichtige Eigenschaft für jeden Fahrer, zu wissen welche Anstrengungen das Team unternimmt, und dass dein Benehmen und wie du deinen Job machst genau so wichtig wie deine fahrerischen Fähigkeiten sind", so Williams.
Russell und Norris: Selbe Ausgangslage wie Ferrari-Youngster Leclerc
Tatsächlich weisen die Vorzeichen der F1-Debüts von Norris und Russell einige Parallelen zu dem von Charles Leclerc auf. Der Monegasse unterschrieb Ende 2017 bei Sauber, die zu diesem Zeitpunkt das mit Abstand schwächste Team waren. Dank der Kooperation mit Ferrari gelang dem Traditionsrennstall aus der Schweiz jedoch ein beachtlicher Sprung - und Leclerc nutzte dieses Sprungbrett für den direkten Aufstieg zu Ferrari.
Was eine Wiederholung dieses Künststücks angeht hat Russell definitiv die besseren Chancen. Bei Mercedes verfügt Valtteri Bottas für 2019 über einen Einjahresvertrag plus Option. Sollte der Finne nicht überzeugen, wäre ein Silberpfeil für 2020 frei. Zunächst gilt es für Russell jedoch, mit Williams wieder ins Mittelfeld vorzudringen. "Hoffentlich arbeiten wir gut zusammen und machen Fortschritte", hofft der 20-Jährige.
Für Norris sieht es da etwas anders aus. Zwar wurde er Anfang 2017 fast zeitgleich mit Russells Aufnahme in das Mercedes-Programm in den Kader von McLaren aufgenommen, doch als Stammfahrer in Woking hat er das ultimative Ziel der Nachwuchsförderung bereits erreicht. "Ich kann es kaum erwarten, das nächste Jahr in Angriff zu nehmen", so Norris.
Sein Enthusiasmus ist trotz der momentan schwachen Form des Teams ungebremst: "Ich habe früher immer Lewis unterstützt, und es kam dir dabei immer wie ein langer Weg bis in die Formel 1 vor. Und jetzt die Chance zu haben mit McLaren zu fahren, das ist eine sehr schöne Sache, wenn ich auf die letzten zehn Jahre zurückschaue."
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