Langsam wird es wieder zur Gewohnheit, einen Mercedes auf der Pole Position zu sehen. Beim Formel-1-Rennen in Österreich gehen zum zweiten Mal in Folge gleich zwei Silberpfeile aus der ersten Reihe aus ins Rennen - diesmal allerdings in umgekehrter Reihenfolge. Auf dem 4.318 Meter langen Red Bull Ring entschied die Winzigkeit von 1,3 Metern für den Finnen.

Eigentlich wäre Sebastian Vettel als erster Mercedes-Jäger in den Österreich GP gegangen. Allerdings wurde der Ferrari-Pilot bestraft, weil er im Qualifying Carlos Sainz behindert hatte. Statt Startplatz drei muss Vettel nun von Rang sechs aus ins Spielberg-Rennen starten.

Mercedes warnt: Kimi Räikkönen ist noch da

Dazu konnte sich Mercedes über einen ohnehin großzügigen Vorsprung von dreieinhalb Zehntel freuen. Auf der kürzesten Runde der Saison ein beträchtlicher Abstand. Ist nun also alles gegessen? "Nein, denn Kimi ist noch da", meint Mercedes Motorsportchef Toto Wolff. "Die Situation ist nur etwas komfortabler."

Von einem Selbstläufer will man im silbernen Lager nichts wissen. Ganz im Gegenteil: Mercedes ist unter Druck. Man weiß, dass man im Triple-Header punkten muss. Paul Ricard, Spielberg und Silverstone sind allesamt Strecken, die dem Silberpfeil entgegenkommen.

Mercedes muss im Triple-Header dringend gut punkten

"Man muss die Punkte holen, wo man stark ist. Deshalb war auch Montreal so ein Rückschlag für uns", erklärt Wolff. Es ist nicht nur der neue Motor oder die überarbeitete Aerodynamik, die den Mercedes so gut macht. Streckenlayout und Asphalt spielen eine gehörige Rolle.

Ferrari verliert vor allem in den schnellen Kurven. Davon gibt es im Triple-Header so einige. Mit Hockenheim und Budapest stehen vor der Sommerpause noch schwierigere Strecken vor der Tür. Mercedes ist nun in einer Situation, in der man nur verlieren kann - wie in den letzten Jahren.

Ferrari und Vettel geben nicht auf: Können Pace mitgehen

Doch bei Ferrari gibt man sich nach dem Qualifying noch nicht geschlagen. "Ich denke, dass wir im Rennen mit ihrer Pace mitgehen können", meint Sebastian Vettel. Und auch Toto Wolff warnt: "Der Ferrari hat eine gute Traktion aus Kurve drei heraus."

Dazu kommt der Ultrasoft-Reifen am Start. Vettel zeigte schon in Frankreich, dass der Vorteil nicht zu unterschätze ist. Vier Meter, also rund eine halbe Startposition soll der weichere Pirelli-Kleber beim Beschleunigen bringen. Dazu kommt noch die bessere Traktion aus den engen Ecken.

Ferrari am Start mit Reifen-Vorteil

Räikkönen selbst ist ebenfalls optimistisch: "Ich erwarte, dass es ziemlich eng zugehen wird im Rennen. Das wird sicherlich ziemlich interessant. Und manchmal läuft das Qualifying ja ganz anders, als das Rennen dann sein wird. Es gibt ja noch eine DRS-Zone, damit könnte das Überholen leichter werden."

Auf der anderen Seite geht Ferrari mit dem Ultrasoft ein Risiko. Mercedes und Red Bull qualifizierten sich mit dem Supersoft und gehen im Rennen wohl anschließend auf Soft, um den Ultrasoft komplett zu vermeiden. Die Ultrasoft-Pneus waren die einzigen Reifen, die am Freitag Graining zeigten. Mit überarbeitetem Setup und einer weiterentwickelten Strecke könnten sich die Probleme aber in Luft aufgelöst haben.

Vettel vor leichter Aufholjagd?

Dass Räikkönen die beiden Mercedes vom Thron stoßen kann, glauben trotzdem nur wenige. Die Frage ist eher, wie weit es für Sebastian Vettel mit seiner Strafe noch nach vorne gehen kann. Nach Runde eins in Paul Ricard heißt es nun zum zweiten Mal innerhalb einer Woche Schadensbegrenzung.

Vettel hat sich ein gutes Rennen für die Strafe ausgesucht. Die Streckencharakteristik des Red Bull Rings ist tendenziell ohnehin überhol-freundlich. Dazu kommt die dritte DRS-Zone. Und dazu kommt auch noch die Form der Konkurrenz. Vettel verliert durch seine Strafe Plätze an Teamkollege Räikkönen, Red-Bull-Pilot Max Verstappen und Romain Grosjean im Haas.

Red Bull schwach, Haas Kunde: Vettel vor leichter Aufholjagd?

Red Bull allerdings ist an diesem Wochenende komplett von der Rolle. Sieben Zehntelsekunden fehlten Verstappen auf die Pole-Zeit. Eine Welt. Und da, obwohl die Bullen erstmals einen Qualifikationsmodus nutzen konnten. Dass es im Rennen viel besser läuft, glaubt bei Red Bull niemand. Zu schlecht waren die Longruns am Freitag, auch wenn die Balance inzwischen etwas besser ist.

Red Bull muss für die Geraden den Heckflügel zu flach stellen, so dass in den schnellen Kurven der Abtrieb fehlt. Die Brause-Boliden sind nun weder auf der Geraden, noch in den Kurven besonders schnell.

Top-Favorit Mercedes

Unter normalen Bedingungen wird Vettel mit dem Haas und dem Red Bull keine Probleme haben. Platz vier scheint garantiert. Die Frage ist nur, wie schnell er an den beiden vorbei kommt. Denn hinter dem Führungs-Trio könnte schnell eine kleine Lücke aufreißen - und dann hängt es womöglich vom Wohlwollen von Kimi Räikkönen ab, ob Vettel noch auf Platz drei vorkommt oder nicht. Je früher Vettel auf Rang vier ist, desto besser stehen die Chancen, dass der Ferrari-interne Platzwechsel passieren wird.

Fazit: Mercedes bleibt Top-Favorit. Nicht nur, weil Ferrari mit Vettel das heißeste Eisen im Feuer verloren hat. Räikkönen fährt derzeit schlichtweg nicht auf Vettel-Niveau. Die teaminterne Reihenfolge könnte bei Mercedes allerdings zum Problem werden. Dahinter wäre es ein Wunder, wenn Vettel nicht aus eigener Kraft noch mindestens auf Platz vier nach vorne kommt. Ob es für Vettel noch mehr wird, hängt von der Startphase, Räikkönens Wohlwollen und Glück ab.