Nur ein Drittel der Formel-1-Saison 2018 hat es gebraucht, schon ist Charles Leclerc in der Außenwahrnehmung die ganz klare Nummer eins beim Alfa Romeo Sauber F1 Team. In den vergangenen fünf Rennen punktete der Ferrari-Junior vier Mal, darunter ein sensationeller sechster Platz in Baku und ein Q3-Einzug zuletzt in Frankreich. Einzig beim Heimrennen in Monaco kostete den F1-Rookie ein Bremsenversagen die Chance auf WM-Zähler.
Teamkollege Marcus Ericsson dagegen fährt seinem Teamkollegen zunehmend deutlich hinterher, schaffte es neben verpassten Punkten auch nur einmal in Q2, Leclerc regelmäßig. Einzig den besseren Saisonstart hatte der Schwede erwischt, holte zwei Punkte in Bahrain, während Youngster Leclerc noch - für viele verständliche - Anfängerfehler in seinen ersten drei Grands Prix in der Formel 1 überhaupt beging.
Marcus Ericsson: Ich war drei Rennen schneller!
Genau daran klammert sich nun jedoch Ericsson. Völlig aus der Haut fährt der Schwede nicht, ist noch nicht komplett entnervt davon, (medial) klar im Schatten Leclercs zu stehen. Doch ist für den Schweden dennoch der Eindruck entstanden, sich verteidigen zu müssen. "Ich denke, dass die Leute ein schlechtes Gedächtnis haben. An den ersten drei Wochenenden war ich der schnellere von uns und habe die Punkte gemacht. Alles sah toll aus", sagt er vor dem Österreich GP in Spielberg über seinen teaminternen Sieg gegen den damals noch vollkommen unerfahrenen Leclerc.
Doch Ericsson verschließt die Augen nicht vor der neuen Realität. "Dann war er die nächsten Wochenenden stärker", weiß der Schwede. "Wenn ich zurückschlage und ein paar starke Wochenenden habe werden sich die Dinge aber wieder ändern. Es kommen viele Rennen. Und Frankreich war vielversprechend für mich."
Warum Ericsson sich bald wieder auf Leclerc-Level sieht
Vielversprechend? Unterlag Ericsson vor ein paar Tagen nicht auch Le Castellet deutlich? Ja. Was der Schwede jedoch meint: Er hatte zuvor im Training endlich nervige Setup-Probleme mit Auto an den vergangenen Wochenenden zusammen mit seiner Crew beheben oder zumindest klar verbessern können. "Wir haben ein paar Dinge verändert, um mir zu helfen, und ich denke, dass damit ein Schritt nach vorne gelungen ist", so Ericsson. Vor allem mit der Hinterachse des C37 fühlte sich der Schwede nicht wohl, noch dazu schmeckten ihm die Hyper- und Ultrasofts weniger gut als Leclerc.
Nur wegen der durch seinen Unfall im ersten Training verpassten Zeit auf der Strecke habe er es nicht perfekt umsetzen können. Im Qualifying sei er dennoch praktisch genauso schnell gewesen wie Leclerc, habe im Q2 allerdings einen Fehler gemacht. Das Potential und Gefühl im Auto sei jetzt aber da, meint Ericsson. "Hoffentlich kann ich jetzt auf einem besserem Level sein verglichen mit Charles", so der Schwede über den Monegassen, den er für den besten Teamkollegen hält, den er je hatte. Besser als einen Pascal Wehrlein oder Felipe Nasr.
Charles Leclerc: Sauber C37 passt perfekt auf mich
Charles Leclerc selbst bestätigt unterdessen die große Sauber-Diskrepanz in Sachen Wohlfühlfaktor im Auto. Der Youngster findet derzeit kaum einen Grund, sich zu beklagen. "Das Team ist extrem gut darin, mir die Balance im Auto zu geben, die ich brauche. Und das hilft unserer Performance jede Menge. Denn es macht das Auto leichter zu fahren mit meinem Fahrstil. Das gefällt mir", berichtet Leclerc in Spielberg.
Was weniger gut zusammen passt sind die Erwartungen von Leclerc und Ericsson bezüglich des Sauber-Potentials. Im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Magazin.com meinte der Schwede direkt nach dem Frankreich GP, Sauber können von nun an immer aus eigener Kraft Punkten, völlig egal auf welcher Strecke.
Punkte überall: Absurde Meinungsverschiedenheit bei Sauber-Fahrern
Leclerc widerspricht. "Nein, ich denke nicht. Noch nicht", winkt er ab. "Aber was das Potential des Autos angeht, können wir uns noch immer verbessern. Das wissen wir. Und sie verbessern es Rennen für Rennen. Es sind kleine Dinge. Aber in der Formel 1 ist nie sicher, dass es immer auch ein Schritt nach vorne ist, wenn du etwas bringst. Manchmal kann es auch nach hinten gehen, aber das ist uns nicht passiert. Das ist gut. Hoffentlich geht es so weiter."
Doch wo genau kann Sauber noch nachlegen? Überall bis auf eine Ausnahme, so Leclerc. "Etwas Downforce, etwas am Auto als solches und auch ich selbst kann mich noch verbessern, es ist also etwas von allem. Außer der Motor. Der ist großartig! Aber abgesehen vom Motor können wir alles verbessern", so Leclerc zu Motorsport-Magazin.com.
Marcus Ericsson konfrontieren wir wenige Minuten später daraufhin erneut mit der anderen Einschätzung seines Teamkollegen. Doch der Mann, der selbst zuletzt nicht für die Punkte verantwortlich zeichnete, bleibt bei seiner These. "Er (Leclerc, Anm. d. Red.) war am letzten Wochenende in Q3 und hat Punkte geholt, also sehe ich nicht, warum wir das nicht wiederholen sollten. Das ist meine Meinung", bestätigt der Schwede MSM erneut.
Vor allem auf dem Red Bull Ring rechnet sich Sauber nun erst einmal viel aus. Da sind sich Leclerc und Ericsson dann auch wieder einig. " Auf dem Papier sieht es nach einer Strecke aus, die uns entgegenkommt. Auch ich selbst habe sehr gute Erinnerungen an diese Strecke, hatte gute Resultate. Hoffentlich läuft alles wie erwartet und wir erleben keine bösen Überraschungen wenn wir morgen im ersten Training rausfahren", sagt Leclerc.
Österreich GP: Hohe Erwartungen bei Sauber in Spielberg
"Ja, schaut gut aus", bestätigt Ericsson. "Auf dem Papier haben wir letzten drei oder vier Rennen schon gezeigt, dass wir auf Strecken mit langen Geraden und Highspeed-Kurven im Mix sein können im Mittelfeld. Charles hat fast überall dort Punkte geholt. Ich denke nicht, dass wir stärke oder schwächere Strecken haben. Wir sind jetzt überall im Mittelfeld. Klar hängt es etwas von der Strecke ab, aber wir können überall dabei sein."
Dafür bringt Sauber auch in Spielberg wieder Updates an den C37, erneut Detailverbesserungen, die über die Saisonhinweg durch Konstanz und Effektivität den Unterschied zum Vorteil der Hinwiler machen sollen. Konstanz ist unterdessen auch, was Teamchef Frederic Vasseur lieber sieht als herausragende, aber seltene Wunder wie P6 in Baku. "Ja, auf jeden Fall", stimmt der Verantwortliche für solche Leistungen, Leclerc, zu. "Konstanz ist sehr wichtig. Wichtiger, als nur ein Rennen der Star zu sein und dann voll abzufallen. Aber wir haben diese Konstanz!"
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