Für Red Bull Racing endet das Qualifying zum China GP 2018 in Shanghai (morgen live auf RTL, im ORF, SRF und im Live-Ticker von Motorsport-Magazin.com) weitaus besser, als es vor und während der letzten Session vor dem Formel-1-Rennen am Sonntag lange Zeit ausgesehen hatte. Max Verstappen qualifizierte sich auf Platz fünf, Daniel Ricciardo mit einem Rückstand auf seinen Teamkollegen von eineinhalb Zehnteln direkt dahinter auf P6.

Damit lag das Red-Bull-Duo im besseren Fall nur gut eine Zehntel hinter Mercedes. Angesichts deren Powermodus für die Qualifikation ein fast schon durchschlagender Erfolg. Doch war da eben noch Ferrari, die wahre Macht von China - noch einmal fünf Zehntel weiter vorne an der erneut rein roten Doppelspitze. Was Red Bulls Ergebnis im Qualfiying dennoch ganz gut aussehen lässt, ist der Blick auf die Vorgeschichte.

Daniel Ricciardo entrinnt in China Strafversetzung

Allen voran jener von Daniel Ricciardo. Der Australier musste in der Generalprobe, dem dritten Training, seinen Red Bull mit einem kapitalen Motorschaden abstellen. Dadurch gingen nicht nur wertvolle Kilometer und das Einschießen auf das Zeittraining verloren, Red Bull stand auch noch massiv unter Druck. Bis zum Qualifikation musste der RB14, also vielmehr die Power Unit, repariert sein.

Formel 1 2018: Brennpunkte vor dem China GP (06:23 Min.)

Wobei eine Reparatur der falsche Begriff ist. Was es brauchte, war ein komplett neuer Motor. ICE, Turbo, MGU-H und MGU-K mussten komplett ausgetauscht werden. Von allen Teilen befindet sich nur bereits das zweite Bauteil in Ricciardos Red Bull. Immerhin Batterie und Steuergeräte waren heilgeblieben - wichtig für den Australier, hätte ein Wechsel hier bereits die erste Gridstrafe zur Folge gehabt. 2018 sind von diesen Teilen nur zwei erlaubt, für Ricciardo wären wegen des Defekts in Bahrain bereits die dritten gewesen.

Hektik bei Red Bull: Ricciardo-Bulle in letzter Minute bereit

Insgesamt also jede Menge Arbeit für die Ingenieure - fast zu viel. Erst kurz vor knapp vermochte Ricciardo gegen Ende des Q1 aus der Box zu fahren. "Wir hatten noch eine Minute, es war echt eng", schildert er. Vor lauter Hektik leistete sich Ricciardo bei der Ausfahrt aus der Garage einen sehenswerten Powerslide. "Das war für die Fans", scherzt er. "Nein, es war definitiv nicht für die Kameras, ich musste so schnell raus wie möglich!"

Gute Laune hat der Australien in seiner Medienrunde, die Erleichterung ist groß. "Noch eine halbe Stunde vor 14 Uhr habe ich die Ingenieure angeschaut und gefragt, wie es ausschaut. Ich war bereit, aber sie meinten, dass es eng würde. Ich sollte mich schonmal darauf einstellen, dass es nichts mehr wird. Ich war also vorbereitet, habe es aber nicht mehr wirklich erwartet. Cool, dass sie es dann doch geschafft haben", lobt Ricciardo seine Crew.

Max Verstappen schimpft im Boxenfunk

Leicht waren die nächsten Minuten für den Formel-1-Piloten jedoch nicht. "Die Reifen waren etwas kalt", so Ricciardo. Noch dazu entfaltete der neue Motor nicht die volle Wirkung, da die Power Unit noch nicht optimal kalibriert war. Noch dazu fehlten Ricciardo die FP3-Vorbereitungen auf dem Ultrasoft. Entsprechend wurde der Q2-Einzug selbst im Red Bull zur Hängepartie. Als 14. Schaffte es Ricciardo jedoch knapp. Von da an ging es aufwärts, lief wieder regulär.

Letzteres galt jedoch nicht für Max Verstappen. Auch den Niederländer plagte im Qualifying die Power Unit - wenngleich auf einem ganz anderen Level und auf andere Weise als Ricciardo. Verstappen zeigte sich im Qualifying ziemlich frustriert, fluchte mitunter wüste Beschimpfungen über den Renault-Antrieb. "Es wäre schlecht, wenn es mich nicht frustrierend würde oder?", keift Verstappen später, noch immer genervt, auf Nachfragen dazu zurück.

Max Verstappen: Zu wenig Power im Grenzbereich

"Wenn ich einfach sagen würde 'Ok Jungs, lasst es' … Nein. Ich bin hier, um Rennen zu gewinnen und ich denke, dass jeder, der an meinem Auto arbeitet, dasselbe will. Wir wollen so hart wie möglich pushen, da muss man ein bisschen Druck aufbauen. Wenn ich es nur leise sage, kann ich auch GT fahren", stellt Verstappen klar.

Doch was war im Qualifying überhaupt los? "Die Gap auf der Geraden war größer als erwartet, aber das lag auch an uns. Weil das Feintuning der Powermodi nicht gut war. Ich bin an den Begrenzer gekommen und hatte Probleme", erklärt Verstappen. Das könne man durch die Software eigentlich schon beheben, doch sei es jetzt in China nicht einmal zum ersten Mal passiert. "Es kommt immer wieder mal zurück", klagt Verstappen.

Ricciardo & Verstappen: Start & Strategie können Red Bull helfen

Für das Rennen rechnet sich Red Bull jede Menge aus. "Auf eine Runde sind wir hier warum auch immer nie stark, aber im Rennen nicht so schlecht. Wir sind noch vom letzten Jahr zuversichtlich, was unsere Longrun-Pace betrifft", sagt Ricciardo zu Motorsport-Magazin.com. "Ich denke aber, dass Ferrari morgen dennoch stark sein wird. Aber gegen Mercedes können wir fahren", hofft Ricciardo.

Das sei auch mit Start auf Ultrasoft möglich. Red Bull zog als einziges Top-Team nicht mit dem Soft ins Q3 ein, muss deshalb mit einer potentiell großen Hypothek starten. Doch Ricciardo sieht genau darin eher Chancen. "Es ist ein kurzer Run zur ersten Kurve. Wenn es ein langer ist, haben sie einen PS-Vorteil, aber hier kommt es mehr auf Traktion als Power an. Mit den Ultrasofts können wir bei einem sauberen Launch dann unseren Stich setzen", erklärt Ricciardo.

Auch strategisch müsse der Ultrasoft im Startstint kein Nachteil sein. Ein Stopp mehr als Mercedes und Ferrari können für Red Bull die große Chance sein. "Wenn wir sie undercutten, würde es sonst ein sehr langer Stint auf dem zweiten Satz Reifen. Zwei Stopps sind außerdem aggressiv und das macht immer Spaß. Deshalb ist das jetzt Plan A. Die Strategie wird auf jeden Fall eine große Rolle spielen und uns hoffentlich auf das Podium bringen", so Ricciardo.

Die Longruns stimmen zusätzlich optimistisch. "In Bahrain haben wir es im Rennen nur nicht zeigen können. Wir haben seit Jahren immer ein besseres Rennauto. Ich kann mich hier aber nicht hinstellen und sagen, dass wir morgen mit Ferrari mithalten, denn die waren das ganze Wochenende stark. Aber mit Mercedes, da sind wir auf einem Niveau", sagt Ricciardo.

"Wir sind gut dabei, in den Kurven sind wir stark", bestätigt Verstappen. "Hoffentlich können wir morgen dann mit einer anderen Strategie etwas ausrichten", so der Niederländer. Wie Ricciardo hat auch Verstappen größten Respekt vor Ferrari. "Die werden schnell sein, auch wenn es wärmer wird."