McLaren wollte sich über den Winter sprichwörtlich PS kaufen. Der Formel-1-Rennstall aus Woking fuhr die vergangenen drei Saisons als Honda-Werksteam und blamierte sich bis auf die Knochen. Laut eigenen Aussagen war dafür ausschließlich Motorenpartner Honda verantwortlich - man habe ja schließlich eines der besten Chassis im Feld.

Also beendete McLaren die millionenschwere Partnerschaft mit Honda und kauft 2018 stattdessen für viele Millionen Euro Kundenmotoren von Renault. Nach den Formel-1-Testfahrten in Barcelona muss sich McLaren nun die Frage gefallen lassen: War der Tausch die vielen Millionen wert?

Bei der Zuverlässigkeit hat McLaren für alle offensichtlich keinen besonders großen Schritt gemacht. Die List der Defekte an acht Testtagen ist lang:

  • Defekte Radmutter
  • Auspuffhalterung gebrochen
  • Batterie defekt (Renault)
  • Hydraulikleck
  • Ölleck
  • Turbo-Schaden (Folge des Öllecks)

Von sechs Problemen gingen fünf auf das Konto des Teams, nur einer war auf den Motorenhersteller zurückzuführen. Dazu zeigte das Karbonkleid vor allem zu Beginn der Testfahrten viele schwarze Stellen, ein Zeichen für zu hohe Temperaturen. Die Techniker mussten die Hitzeschilder neu installieren und das Karbonkleid öffnen.

Ging McLaren zu aggressiv zu Werke? "Das müssen wir uns später noch genauer ansehen, aber man muss aggressiv sein, wenn man konkurrenzfähig sein will", verteidigt Rennleiter Eric Boullier. Dass Honda mit dem neuen Partner Toro Rosso keinerlei Zuverlässigkeitsprobleme hatte, sollte McLaren zu denken geben. Lediglich ein Bremsdefekt hinderte Toro Rosso einen Tag lang, mehr Kilometer zu sammeln.

Formel 1 Tests 2018: Droht McLaren erneut ein Debakel? (03:20 Min.)

Während Toro Rosso bei den F1-Tests 2018 mit 822 Runden auf Rang drei der Zuverlässigkeitswertung - nur geschlagen von Mercedes und Ferrari - landete, ging die Rote Laterne einmal mehr an McLaren. Nur 599 Runden - und damit fast 100 weniger als Haas auf dem vorletzten Platz - drehten Fernando Alonso und Stoffel Vandoorne.

Toro Rosso lobt Honda: Nicht so schlecht wie behauptet

"Es ist einfacher, ein unzuverlässiges Auto zuverlässig zu machen, als ein langsames Auto schnell", lautet eine alte Binsenweisheit im Motorsport. Und Boullier verspricht: "Wir haben nicht verlernt, schnelle Autos zu bauen."

Doch genau hier liegt das Problem: McLaren war bei den Testfahrten weder zuverlässig, noch besonders schnell. Sowohl bei den Bestzeiten als auch bei der Rennsimulation scheint McLaren im Mittelfeld gefangen zu sein. Tatsächlich fällt es schwer, beim Duell zwischen McLaren und Toro Rosso den Sieger vorherzusagen.

"So weit hinten ist der Motor nicht, wie das zuvor immer wieder behauptet wurde", sagte Toro Rosso Teamchef Franz Tost im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Magazin.com. Red Bull Motorsportberater Dr. Helmut Marko Marko war von den erstaunlich guten Testfahrten des Juniorteams nicht einmal überrascht. "Darum haben wir es ja gemacht", sagte er süffisant schmunzeln.

Beim Blick auf die Höchstgeschwindigkeiten kommt es für McLaren knüppeldicke. Fernando Alonso und Stoffel Vandoorne landeten in Testwoche zwei tatsächlich wieder auf den letzten beiden Plätzen. Toro Rosso kam mit den Honda-Motoren ins Mittelfeld. Alonso war mit 317,6 km/h nur drei Stundenkilometer schneller als im Qualifying zum Spanien GP 2017. Auch damals landeten Alonso und Vandoorne auf den letzten beiden Plätzen beim Topspeed.

Topspeeds beim Formel-1-Test in Barcelona (Woche 2)*

FahrerTeamMotorTopspeedDifferenz
1BottasMercedesMercedes332,3
2VerstappenRed BullRenault331,2-1,1
3PerezForce IndiaMercedes330,2-2,1
4RäikkönenFerrariFerrari329,2-3,1
5KubicaWilliamsMercedes327,2-5,1
6OconForce IndiaMercedes327,2-5,1
7VettelFerrariFerrari327,2-5,1
8EricssonSauberFerrari326,2-6,1
9GrosjeanHaasFerrari326,2-6,1
10SainzRenaultRenault325,3-7
11GaslyToro RossoHonda324,3-8
12HamiltonMercedesMercedes324,3-8
13HartleyToro RossoHonda324,3-8
14LeclercSauberFerrari324,3-8
15MagnussenHaasFerrari324,3-8
16HülkenbergRenaultRenault323,3-9
17SirotkinWilliamsMercedes320,4-11,9
18StrollWilliamsMercedes320,4-11,9
19RicciardoRed BullRenault318,5-13,8
20AlonsoMcLarenRenault317,6-14,7
21VandoorneMcLarenRenault315,7-16,6

*Höchstgeschwindigkeiten sind vor allem bei Testfahrten etwas verfälscht, weil DRS nicht wie im Qualifying immer geöffnet ist. Dazu kommt hin und wieder auch Windschatten, der vor allem in Barcelona einen recht großen Effekt haben kann. Der Topspeed von Max Verstappen zum Beispiel dürfte unter derlei Einflüsse entstanden sein.

Das neue Dream-Team: Toro Rosso und Honda (04:34 Min.)

Weil die anderen Renault-Teams in der Topspeed-Wertung zwar auch nicht überragen, aber dennoch deutlich vor McLaren stehen, muss sich der Rennstall nun auch nachträglich viel Kritik gefallen lassen. Höchstgeschwindigkeit hängt natürlich nicht nur von der Leistung des Motors ab

Die aerodynamische Effizienz ist hier der entscheidende Faktor. An dieser Stelle muss man auch ganz klar zwischen Effizienz und Effektivität unterscheiden. Während bei der Effektivität nur das Ergebnis zählt, bezieht die Effizienz auch den Aufwand für das Ergebnis mit ein. McLaren schafft es offenbar, effektiv Abtrieb zu finden, sonst wäre der Bolide nicht so schnell in den Kurven. Effizient holt McLaren diesen Abtrieb aber offenbar nicht, denn der Preis dafür wird auf den Geraden gezahlt.