Es ist ein regelrechter Skandal, der sich in der Formel 1 in den letzten Tagen schon abgezeichnet hatte: Marcin Budkowski, vor etwas mehr als einer Woche noch Formel 1 Technik-Chef der FIA, wechselt zu Renault. Das bestätigte der Rennstall nun in einer Pressemitteilung.

Das skandalöse an dieser Verpflichtung: Budkowski hat eine Sperrfrist von lediglich drei Monaten. Der Pole kündigte erst kürzlich beim Automobilweltverband und könnte somit schon Anfang 2018 beim französischen Werksteam Renault mit seiner neuen Aufgabe beginnen.

Doch bei der Konkurrenz regt sich Widerstand. Das ist auch Renault und der FIA nicht entgangen. "Es ist ein sensibles Thema", gesteht Renault Teamchef Cyril Abiteboul. "Wir hatten gehofft, ihn Anfang 2018 zu bekommen, aber es gibt noch Gespräche mit der FIA. Ich denke, er wird Anfang April zu uns stoßen. Das sollte ein Datum sein, mit dem alle einverstanden sind."

Die Konkurrenz sieht das allerdings ganz anders. "Wir hätten ein großes Problem damit, wenn er in einem anderen Team enden sollte", polterte Red Bulls Christian Horner noch in Malaysia. "Du hast jede Menge Vertrauen in die Rolle gesteckt, für die Marcin verantwortlich war." Abiteboul aber verteidigt die Herangehensweise von Renault: "Wir haben ihn nicht geholt, weil er in dieser Position arbeitete, sondern weil er die Fähigkeiten hat, die wir benötigen."

Auch McLaren Teamchef Eric Boullier zeigte sich in Japan empört: "Wir sind alle besorgt, dass ein wichtiger Technik-Mann der FIA innerhalb von drei Monaten für ein Team arbeiten kann. Was noch dazu kommt: Wenn man ein Auto baut, bewegt man sich auch immer am Rand des Reglements, was bedeutet, man kommt mit der FIA in Berührung, um diese Interpretation bewerten zu lassen. Und dieses Vertrauensverhältnis kann beschädigt werden durch einen weiteren solchen Fall. Man muss jetzt mit den richtigen Leuten sprechen und schauen, ob etwas anders gemacht werden kann."

Budkowski hatte in seiner Position bei der FIA Zugang zu den vertraulichsten Technik-Geheimnissen aller Teams, kennt sogar schon zahlreiche Details der 2018er Boliden. "Deshalb denke ich, dass drei Monate Sperrfrist für ihn bevor er schon zu einem Wettbewerber in der Formel 1 wechseln kann komplett unangemessen sind", schimpft Horner.

Marcin Budkowski wechselt von der FIA zu Renault, Foto: LAT Images
Marcin Budkowski wechselt von der FIA zu Renault, Foto: LAT Images

Selbst bei Teamangestellten, die nur Interna eines einzigen Teams mitnehmen können, sind die Sperrfristen deutlich länger. In der Regel müssen Ingenieure ein Jahr warten, bis sie zu einem direkten Konkurrenten gehen dürfen.

Budkowski soll Abitebouls verlängerter Arm in Enstone werden

Budkowski wird in Enstone, wo Renaults Chassis entwickelt und hergestellt werden, die Rolle des Executive Directors einnehmen. "Es gab in den vergangenen Monaten eine große Entwicklung bei Renault", sagt Teamchef Cyril Abiteboul. "Enstone ist gewachsen, unsere Motoren-Abteilung hat sich verändert und wir beliefern 2018 gleich zwei Top-Rennställe mit Motoren, wir haben in der Formel E drei Titel in Folge gewonnen und sind auch in anderen Rennserien involviert. Deshalb war es klar, dass auch die Management-Struktur von Renault gestärkt werden muss."

"Wir bauen unser Team noch auf und nachdem es mit Vasseur nicht funktioniert hat, brauche ich Hilfe bei der Führung des Teams, da wir zwei Standorte haben", erklärt Abiteboul. Während das Chassis in Enstone entwickelt wird, sitzt die Motorenschmiede von Renault im französischen Viry. "Er wird so etwas wie meine rechte Hand. Er wird in Enstone stationiert und die leitendenden Ingenieure wie Bob Bell werden an ihn berichten."

Charlie Whiting hatte Aufgabe an Budkowski delegiert

Budkowskis Job bei der FIA hat vorübergehend Rennleiter Charlie Whiting übernommen. Erst Anfang 2017 hatte Whiting diese Aufgabe an Budkowski delegiert. Der Automobilweltverband sucht einen Nachfolger für den 40-jährigen Polen.

Budkowski kam 2014 zum Automobilweltverband, dem Polen wurde beim Regelhüter der Formel 1 eine große Zukunft vorhergesagt. Über die Gründe für das frühe Ausscheiden hüllt sich die FIA bislang noch in Schweigen. Bevor er 2014 zur FIA kam arbeitete Budkowski als Aerodynamiker bei Prost, Ferrari und McLaren.